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Ausgabe:

1895 Nr. 5

Spalte:

126-127

Autor/Hrsg.:

Feilchenfeld, W.

Titel/Untertitel:

Das Hohelied, inhaltlich und sprachlich erläutert 1895

Rezensent:

Siegfried, Carl

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Theologifche Literaturzeitung. 1895. Nr. 5.

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tigt worden, fodafs man an den fchwierigen Stellen die
Ueberficht über das ganze entfcheidende Material erhält.
Bequem wäre es gewefen, wenn, wie das bei der claffi-
fchen Philologie durchweg Sitte ift, der kritifche Apparat
von der Exegefe getrennt wäre. Das abfatzlofe Ineinanderlaufen
der kritifchen und exegetifchen Bemerkungen
macht das Lefen des Commentars oft fchwierig.

In der Literarkritik ift der Verf. mit Sorgfalt bemüht
gewefen, die urfprünglichen vom Propheten herrührenden
Stücke von den fogenannten fecundären zu fcheiden, vgl.
S. XV. Es ift das eine befonders fchwierige Sache. Wir
haben den Eindruck, als ob auch in die anfcheinend un-
mittelbarft jeremianifchen Stücke hie und da Bearbeitung
eingedrungen fei. Wie man mit guten Gründen dem
Jeremia die Orakel über die fremden Völker c. 46—51
abgefprochen hat, fo fcheint uns, dafs auch an andern
Stellen die Wendungen, die den Jeremia zu einem Propheten
der Völker machen, als Interpolationen zu tilgen
find, durch welche die Bearbeiter den Propheten, der in
Wirklichkeit nur mit Juda und Jerufalem und deffen
drohendem Schickfal befchäftigt war, zu einem allgemeinen
Richter über die Welt erhöhen wollten. So I, 5

Dyiab, v. 10 r>53tttjn byi o^an b?; in 36, 2 n^an-bs

Auch 25, 15 ff. 'können wir' uns nicht enlfchliefsen für
urfprünglich zu halten. In c. 18, 7 ff. ift zwar allgemein
von Jahve's Verhalten gegen Völker geredet, aber das
Volk, welches der Prophet wirklich im Auge hat, ift
Juda. — Als urfprünglich jeremianifch gelten dem Verf.
die folgenden Stücke: c. 1—6. 7—10. 11—17, 18. 18.
20, 7—18. 22. 23. 24. 25, 3 ff. (doch wohl nur theilweife,
da 25, 1 —11 unter Baruch's Bearbeitungen angeführt
wird) v. 15—26. 27. 32,6—I7a. 24—44. 35. Dem Baruch
fchreibt er zu: 19, 1 f. 10 f. 14—20,6. 21,1 — 10. 25,1 — 11.
26. 28. 29. 31,2-6.15—20.27—34. 33,1.4—13. 34.
36—4-, 47, 49; 7—n. Das Uebrige gehört verfchiedenen
Bearbeitern an. Der Frage über die von Smend bean-
ftandete Echtheit von 3, 14—16. 31,2—6. 15—20.27—34
hat der Verf. die Seiten 265—268 gewidmet. Die Ent-
fcheidung bleibt fchliefslich doch fchwankcnd. — Die
exegetifchen Ausführungen find klar, bleiben ftreng bei
der Sache, ohne allen unnützen Ballaft alles Wefentliche
berührend. Auf das Einzelne einzugehen ift unmöglich.
Nur einige wenige Bemerkungen feien geftattet. Die
S. 177 angeführte Stelle aus Talmud jerufch. ift noch kein
Beweis dafür, dafs man zweierlei Kauf-Urkunden u. dgl.
zu gleicher Zeit auszuftellen gepflegt hätte, fondern fie
redet nur von einer doppelten Art den Scheidebrief auszuftellen
. Man konnte entweder einen einfachen offenen
Schein ausftellen, auf dem dann aber auf derfelben Seite
(alfo innen) die Zeugenunterfchriften ftanden, das war
OTOB 133 die glatte ungefaltete Urkunde, oder man konnte
das Blatt zufammenfalten und zunähen pWp'Q na und
die Zeugen auf der Aufsenfeite unterfchreiben laffen.
Dies war das complicirtere Verfahren, über deffen Ur-
fprung die angeführte Talmudftelle eine wenig wahr-
fcheinliche Erklärung vorträgt. —■ Gegen die sepultura
asinina des Jojaqim S. XI fcheint uns doch 2 K. 24, 6
zu fprechen. — Sollte der Prophet c. 13 auch nur erzählt
haben, dafs er den leinenen Gürtel bis an den F.ufrat
getragen und von da wiedergeholt habe (S. 77 f.)? Man
hatte doch gefehen, dafs er nicht fo lange fort gewefen
war, um zweimal diefe Wanderung machen zu können. —
Doch wir müffen noch der Arbeit von Lohr einige
Worte widmen. Der Verf. war für diefe wohl vorbereitet
durch feine früheren Studien über die Klagelieder (1890.
1891). In der letzteren war fehr werthvoll das Speciallexikon
zu den Klageliedern und die vergleichende Ueberficht
über den Sprachgebrauch derfelben und über den
des Jeremia. Diefe Vorarbeiten find auch im vorliegenden
Commentar mit Erfolg verwerthet. In den metrifchen
Fragen fchliefst fich der Verf. mit Recht ganz an Budde
an. In der Literarkritik nimmt er jetzt einen von feiner
eignen früheren Hypothefe (Die Klagel. Jer. 1891 S. 30 ff.)

abweichenden Standpunkt ein. Früher war er mit zwei
Dichtern, dem Verfaffer von c. 2—4 und dem von c. 1—5
ausgekommen, welcher letztere, wie es fcheint, zugleich
als Redactor des Ganzen angefehen ward. Jetzt verlangt
er drei Autoren: den von Ezechiel abhängigen Dichter
von c. 2 u. c. 4, den an Dtjef. erinnernden Verfaffer von
c. 1 u. c. 5, und den Dichter von c. 3, den er zugleich
für den Redactor hält. Der Hypothefe von Fries, der
4 u. 5 der Makkabäerzeit zuweilen will, ift der Verf. in
der Zeitfchr. für altteft. Wifffch. 1894 H. 1 entgegengetreten
. Die Abfaffungszeit fixirt er im Allgemeinen zwi-
fchen 570 (für c. 2. 4) und 530 v. Chr. (für c. I. 5. 3.) —
Bei c. 1, 7 hätte wohl die Emendation von Cheyne aipniia
Beachtung verdient. — In 2, 11 würden wir ftatt pi3S>3
lefen po?3 nach Pf. 61, 3. — Zu D^Wlt] 2» H haben
wir wenig Vertrauen. Wir vermuthen, dafs hier ein
Wort wie TflSfü vgl. Hi. 31, 5 geftanden hat. — Zu 2, i6a
würden wir W33>33 ft. IM^a (in Uebereinftimmung mit
des Verf.'s Ueberfetzung) vorfchlagen. — In 2, 22 würden
wir 3b3Sz3 *yVü em. in "a "YiStt und überfetzen: ,Du
riefft herbei wie zu einem r'efttag'e Schrecken von rings
her'. Der Schwierigkeit von 3, 26a wäre wohl abgeholfen,
wenn man nach v. 27 1333 hinter 3il3 einfchöbe.

Bei 3,33 hätte wohl'die Form napl eine Erläuterung
verdient, wie fie zu v. 53 bei !fW gegeben ift.

Wenn die Emendation des Verf.'s zu 4, 7" DTiS» ft.
D£S> allgemein angenommen würde, fo wäre die Frage
der Bedeutung von DiSipB entfchieden; dafs aber das
,Haupthaar' blau (v. 7°)' gewefen fein follte, fcheint uns
unwahrfcheinlich. — Doch genug.

Im Allgemeinen ift es wohl unzweifelhaft, dafs des
Verf.'s Commentar einen Fortfehritt in der Erklärung
der Klagelieder bildet.

Jena. C. Siegfried.

Feilchenfeld, Rabb. Dr. W., Das Hohelied, inhaltlich und
fprachlich erläutert. Breslau, Koebner, 1893. (V, 81 S.
gr. 8.) M. 3. —

Wieder eine neue Löfung des Räthfels des Hohenliedes
. Der Verfaffer ftellt uns die Sulamith als eine höchft
moralifche junge Dame vor, die nur die geiftige Seelen-
gemeinfehaft (S. 23. 31) mit ihrem ländlichen Freunde
fucht. Aber im Traume, der von c. 1,1—7,9 reicht, widerfahren
ihr bedenkliche Sachen. Da koftet fie ,das unheilige
Liebesleben mit allen feinen Reizen und Genüffen
durch' (S. 10). Wie eine rechte Gans läfst fie fich von
der Pracht des königlichen Aufzugs blenden und durch
Salomo's Schmeichelworte bethören (S. 10 f.). Durch dargereichten
Wein aufgeregt, durch handgreifliche Lieb-
kofungen, die fie fich ruhig gefallen läfst, gelockt (S. 21),
läfst fie fich rafch von Salomo verführen. Diefer, dem
dergleichen nichts Neues ift, wird natürlich ihrer bald
überdrüffig, obwohl er fie vorher zu feiner rechtmäfsigen
Gemahlin erhoben hatte. Wie eine rechte Buhlerin bietet
nun die Vernachläffigte 4, i6b ihm aufs Neue ihre Reize
an, worauf der königliche Lüftling erwidert, dafs er
beftens danke, da er genug davon genoffen habe und
lieber das Zechgelage mit feinen Freunden fortfetzen
wolle 5,1 (S. 43). Als fpät in der Nacht der Trunkenbold
heimkehrt, weigert fie fich ihn einzulaffen, aber diefer
moralifche Anlauf hält nicht lange vor, denn fie läuft
dem inzwifchen Weggegangenen nach, bis die Wächter
der Stadt ihre Majeflät daran erinnern, dafs dies gegen
die Hoffitte fei (S. 11). [In Wirklichkeit prügeln fie fie
durch (5, 7).] Die Moral von der Gefchichte ift, dafs man
die Liebe niemals bis zum Verlangen fich fteigern lallen
folle. So wird 2, 7. 3, 5 erklärt (S. 8 f. 22. 30)! Der König
macht dann noch einmal einen Verfuch, die beleidigte
Gattin zu verföhnen, indem er fich derfelben galanten
Redensarten bedient, die fchon einmal fo gute Wirkung
gethan hatten (S. 55), aber Sulamith kommt 7,2 ,in ihren
Schuhen' d. h. reifefertig und deutet damit dem Herrn

*