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Ausgabe:

1895 Nr. 4

Spalte:

114-116

Autor/Hrsg.:

Kahl, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Die Konfession der Kinder aus gemischter Ehe. Zu den Vorschlägen über die Kodifikation des deutschen bürgerlichen Rechts 1895

Rezensent:

Köhler, Karl

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Theologifche Literaturzeitung. 1895. Nr. 4.

114

Wie dadurch die Veröffentlichung vorliegender Schrift j Verklärung: da heifst es S. 56: ,der Prediger darf feine

gerechtfertigt erfcheint ihr Inhalt war zuerft in kürzerer
Form in ,Halte, was du haff XVII. 49 ff. dargeboten), fo
inufs auch ihre Befchränkung auf das Leben Jefu gebilligt
werden, da hier in der That die Schwierigkeit am

[fymbolifche] Auffaffung, auch wenn er fie für die alleinberechtigte
hält, der Gemeinde nicht aufdrängen'; gewifs
nicht. Die Frage ift nur, ob er fie auch nicht darlegen,
vielleicht nicht einmal andeuten foll; darüber ift nichts

Gröfsten ift und am Dringendsten eine Löfung fordert. — i zu lefen. Aehnlich fleht es mit Taufe und Ver-
Der Verf. bietet eine folche in doppelter Weife, zuerft ; fuchung Jefu. Ferner: wer über den Text Lc. i,26ff.
theoretifch in einem ,principiellen Theil' in der Form Mt. 1, 18 ff. von etwas Anderem redet als von der jung-
zufammenhängender Gedankenentwickelung (1—27), und fräulichen Geburt Jefu, wird ftets den Eindruck erwecken,
dann praktifch an einer Reihe von Texten, von der Ge- ! dafs er die Hauptfache umgehe. Die Art wie S. 24
burtsgefchichte (Lc. I, 26 ff. Mt. I, 18 ff.) an bis zur Pfingft- die wiffenfchaftliche Einficht in die gefchichtliche Un-
erzählung Apg. 2, ja fogar bis zum Evangelium des j haltbarkeit jener Geburtsweife mit dem religiöfen Glau-
Trinitatisfonntages Jo. 3, I —15. ben an das ,geboren von der Jungfrau Maria' zufammen-

Wirklichen Werth können nun folche Erörterungen
m.E. nur haben, wenn fie im Zufammenhang eines ganzen
Syftems einerfeits kritifch-biblifcher, andererfeits homile-
tifcher Wiffenfchaft auftreten, weil die einzelnen Pofitio-

gereimt wird, ift zu wenig deutlich, um befriedigen zu
können. Vollends will die Auferftehung Jefu auch von
dem Glauben zunächft als eine hiftorifche Thatfache
gewürdigt fein; daher ift ihm das Wie derfelben und die

nen fich erft aus folchem Zufammenhange als berechtigte j hiftorifchen Beweife, auf die fich der Auferftehungsglaube
bezw. nothwendige erweifen laffen. Infofern alfo wird j ftützt, nicht fo gleichgültig. Darüber wird alfo auch ein
ein lolcher Einzelverfuch an vielen Stellen unbefriedigend : Prediger, der die Auferftehung Jefu für ,eine Forderung
bleiben und vielleicht mehr Fragen offen laffen müffen, der praktifchen Vernunft' hält (S. 72) oder den Glauben
als er zu beantworten vermag. Und gröfsere Ausführ- ; daran durch einen Schlufs aus der gegenwärtigen potenzir-
lichkeit — darin hat der Verfaffer Recht — würde hieran j ten und vollendeten Wirksamkeit Jefu gewinnt (S. 80),
auch nichts geändert haben. Sieht man aber hievon ab, j nicht fo ohne Weiteres hinweggehen dürfen. Es fcheint
fo mufs zugeftanden werden, dafs der Verf. Vieles bietet, i mir eben doch ein fchiefer Gegenfatz zu fein, wenn man
was namentlich jüngeren Pfarrern von kritifcher Unter- j Sagt (S. 11): ,dafs der Glaube in erfter Linie immer ein
fuchung zu erbaulicher Behandlung hinüberhelfen und > Entfchlufs des Willens und nicht eine Sache der Er-
ihnen die Freudigkeit geben oder erhalten kann, folchen 1 kenntnifs ift'. Auch wenn die Priorität des Willensactes
.angefochtenen' Texten nicht aus dem Wege zu gehen, zugegeben wird, ift der Glaube doch zugleich auch ein
was in der That (S. 8) ein wenig empfehlenswerter j Erkenntnifsact oder befteht doch jedenfalls nur mit be-
,Ausweg' wäre, fondern feft ins Auge zu fchauen und | Stimmten Erkenntnifsacten zufammen; und zwar find
fie wie ohne Verletzung ihres wiffenfchaftlichen Gewiffens, letztere auch hiftorifcher Natur — bei einer hiftorifchen
fo auch ohne Einbufse an erbaulicher Kraft zu behandeln. ! Religion wenigstens.

Eibach verficht etwas von der Kunft ,praktifcher Aus- Mag aber auch in der angedeuteten Richtung Man-

legung', einer Kunft, die nur nachgerade an jeder Uni- j ches an dem Buche Eibach's unbefriedigend erfcheinen:
verfität eigens getrieben werden müfste. auf alle Fälle ilt es ein Verdienft, die Frage nach der

Die Wege, die er uns führt, lind die im Grunde | erbaulichen Behandlung kritifch zweifelhafter Texte
wohlbekannten: 1) die leiblich-finidichen Vorgänge werden wieder angeregt zu haben, und was zu ihrer Löfung hier
ins feelifch Geiftige überfetzt; und 2) die erzählten Bege- dargeboten wird, ift religiös warm empfunden, vernunftig,
benheiten werden aus dem hiftorifchen (wiffenfchaftlichen) praktilch-brauchbar und vor Allem anregend.
Gebiete ins religiös-Sittliche (erbauliche) hinübergefpielt. Heidelberg- R
Dafs dabei mit ihrer Verbildlichung, Symbolifirung oder c g' na i 1 ermann.

Allegorifirung fehr ftark operirt wird und werden mufs,

ift ohne Weiteres klar. Nicht ebenfo klarwird dagegen, Kahl, Prof. Dr. Willi., Die Konfession der Kinder aus ge-
und zwar, wie mir fcheint, eben wegen des fehlenden mischter Ehe. Zu den Vorfchlägen über die Kodi-
gröfseren Zusammenhanges, mit welchem Rechte dies fikation des deutfchen bürgerlichen Rechts. Freiburg
gefchteht und nach welchen Gefetzen es gelchehen muls 1 ; u t r- T» »* 1 o /oc o
(der Verf. fcheint die Ausfuhrungen, welche ich darüber in u B" > c- B- Mohr> l895- (7» b. gr. 8.) M. 1.20

meinem Handbuch der geiftlichenBeredfamkeit S.482—485, Den Inhalt der vorliegenden Schrift bildet der Vor-

400—415 gegeben habe, nicht zu kennen, wie ja die Ho- trag, den der Verf. als Referent bei der Hauptver-
miletiker wohl meid von den Homileten nicht beachtet Sammlung des Ev. Bundes zu Bochum am 8. Auguft
zu werden pflegen). Mit der Entfcheidung ift's ja doch 1894 über den in der Ueberfchrift genannten Gegen

nicht gethan, dafs (S. 10) kritifche Fragen nicht auf die
Kanzel zu bringen find und .nicht all das wiffenfchaftliche
Beiwerk dahingehört, durch das der Glaube im
Ganzen des menfchlichen Geisteslebens Sichergestellt und
etwa gefördert und gereinigt werden foll' (S. Ii); und
auch der an und für fich richtige Satz (S. 23), es handle
fich in der Predigt ,ja nicht um hiftorifche oder fonft
welche wiffenfchaftliche Forfchungen, fondern einzig und
allein um eine Bezeugung des Glaubens und um die
Gewinnung der Seelen für denfelben', dürfte noch nicht
genügen, um die fragliche Grenzlinie richtig zu fixiren
und das von E. empfohlene Verfahren hinreichend zu
begründen. Es fragt fich eben, welches Intereffe der
Glaube am Hiftorifchen hat (vgl. hiezu die Erörterungen
meines Handbuchs S. 447 f.). Das wird man ohne
Weiteres zugeben, dafs es gering ift in Beziehung auf
eine einzelne Heilungsgefchichte; es Steigert fich aber
fchon bei f. g. Naturwundern: es ift dem Glauben d. h.
dem Gläubigen wirklich nicht gleichgültig, ob Jefus auf
dem Meere gegangen ift, den Seefturm hat Stillen können,
oder ob man das nicht anzunehmen hat. Ferner die

Stand gehalten hat, vermehrt durch eingehende Literaturnachweife
und Erläuterungen in den Anmerkungen.
Die gemifchten Ehen bilden zur Zeit das vornehmfte
Feld der römifchen Propaganda in Deutfchland und
wahrfcheinlich das einzige, wo diefelbe wirkliche Erfolge
aufzuweifen hat. Völlig einander ausfchliefsende
Anfprüche Stehen Sich hier gegenüber. Die römifche
Kirche behauptet ihr ausfchliefsliches Recht auf alle
Kinder aus gemifchter Ehe, wie überhaupt auf alle getaufte
Kinder. Ihr gegenüber hat Sich die paritätifche
Staatsgefetzgebung allgemein in Deutfchland des Gegenstandes
bemächtigt. Eine gemeingiltige Itaatliche Ge-
fetzgebung ift jedoch leider nicht zu Stande gekommen;
die betreffenden Vorschriften find unendlich verschiedenartigen
und widerspruchsvollen Inhalts. Die Verbefferungs-
bedürftigkeit der geltenden Gefetzgebung wird von dem
Verf. überzeugend nachgewiefen; fie wird durch die Freizügigkeit
und die hierdurch bedingte Bevölkerungs-
mifchung neuerdings in wachsendem Mafse verstärkt.
Es bleibt als einziger Ausweg, — um der herrschenden
Rechtsunficherheit und Rechtsungleichheit ein Ziel zu