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Ausgabe: | 1895 |
Spalte: | 107-108 |
Autor/Hrsg.: | Morin, Germanus D. |
Titel/Untertitel: | S. Hieronymi Presb. qui deperditi hactenus putabantur Commentarioli in Psalmos edidit, commentario critico instruxit, prolegomena et indices adiecit. A. u. d. T.: Anecdota Maredsolana seu Monumenta |
Rezensent: | Harnack, Adolf |
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107 Theologifche Literaturzeitung. 1895. . Nr. 4. 108
Krüger, Prof. D. Guft., Geschichte der altchristlichen
Litteratur in den ersten drei Jahrhunderten. 1. u. 2.
Aufl. [Grundrifs der theolog. Wiffenfchaften, 2. Reihe,
3. Bd.] Freiburg i. B., J. C. B. Mohr, 1895. (XXII,
254 S. m. 1 Tab. gr. 8.) M. 4.80; geb. M. 5.80
Eine altchriftliche Literaturgefchichte bis Eufebius
auf 15 Bogen zu fchreiben und dabei Vollftändigkeit in
Bezug auf die Denkmäler anzuftreben, ift ein kühnes
Unternehmen. Seine Durchführung konnte nur gelingen,
wenn der Bearbeiter fich die höchfte Zurückhaltung in
Bezug auf die Charakteriftik des Stoffs auferlegte und
nur Ergebnifse, nicht Unterfuchungen, und auch Ergeb-
nifse nur in Bezug auf die erften Fragen jeder Literaturgefchichte
mitzutheilen fich entfchlofs. Eine eigentliche
Gefchichte, welche den ganzen Procefs der Entwicklung
zu reproduciren hat, konnte er natürlich nicht bieten,
oder, wenn er dies hätte erftreben wollen, hätte er alle
Details als bekannt vorausfetzen müffen.
In den Grenzen, die der Verfaffer feiner Arbeit gezogen
hat, hat er den beiden wichtigften Erfordernifsen
ausgezeichnet entfprochen: erftlich was er bietet, ift,
wie ich an vielen Stichproben feftftellen konnte, zuver-
läffig, genau und in mufterhafter Kürze vollftändig;
zweitens feine Urtheile find abgewogen und zeichnen
fich durch zurückhaltende Befonnenheit aus; fie greifen
nirgends vor, wo die Forfchung noch nicht zum Ab-
fchlufs gekommen ift, und fie bemühen fich, jedem
Standpunkt gerecht zu werden, der noch vertheidigt
werden kann. Somit kann ich das Buch den Lehrenden
und Lernenden aufs befte empfehlen. Auf die übrigens
nicht häufigen Punkte einzugehen, an denen ich eine
andere Auffaffung vertrete als der Verf., ift hier nicht
der Ort1). Mit Freude aber wird man, wenn man
das Buch beendigt hat, dem Eindruck fich hingeben,
dafs im Ganzen die altchriftliche Literaturgefchichte
kein Feld mehr für wüfte Hypothefen ift. Ällerding
in Psalmos'. deffen Unechtheit längft erwiefen war, hat
er die echten ,Excerpta (= Scholid) Hieronymi de Psal-
terio' fetzen können. Er hat fie in nicht weniger als
vier (5) Handfchriften gefunden, von denen die ältefte
dem J. 662 angehört {Cod. Spinaliensis 68, befchrieben
von De Ii sie, i. J. 1878: Notice sur un ms. merovingien
de la Biblioth. d' Epinal. Paris). Die Ueberfchrift ,ExcerptaL
ift bisher mifsverftanden worden: man glaubte es mit
Auszügen aus dem grofsen unechten Werk, dem Brevi-
arium, zu thun zu haben; allein nach der handfchrift-
lichen Ueberlieferung und den Nachweifungen von Morin
ift es evident, dafs vielmehr das Breviarium auf diefen
bisher ungedruckten Excerpten auferbaut ift. Dafs jenem
wirklich echte Stücke des Hieronymus zu Grunde liegen,
ift bereits von den älteren Kritikern vermuthet worden:
Die Entdeckung von Morin beftätigt diefe Vermuthung
aufs glänzendfte. Das Verhältnifs ift folgendes:
1) Die Auslegung des 138. Pf. ift in den Excerpten
und im Breviarium identifch.
2) Der Prolog und die Auslegung von 66 Pfalmen
find wefentlich identifch; doch finden fich im Breviarium
mehr oder weniger umfangreiche Interpolationen.
3) Nicht aufgenommen find in das Breviarium Sätze
aus Auslegungen zu 18 Pfalmen und die Auslegungen
von 52 Pfalmen.
Hieraus folgt, dafs die neue Entdeckung uns einen
doppelten Dienft thut: fie kennzeichnet das, was im Breviarium
von Hieronymus (lammt, und fie vermehrt unfere
Kenntnifs der exegetifchen Arbeit des Hieronymus um
ein bedeutendes.
Namentlich unfere Kenntnifs des Textes der Hexapla
erhält durch diefes Werk eine erfreuliche Förderung.
Hieron. fagt (p. 5) ausdrücklich: , . . . nam l£,u7iXovq
Origcnis in Caesancnsi bibliotlicca relegens semel tantum
scriptum rcpperi etc.' und (p. 12) .cum vetustum Origcnis,
hexaplum psalterium revolverem, quod ipsius manu fuerat
emendatum'. Morin hat am Schlufs in dankenswerther
find die zahlreichen feineren, aber darum nicht un- Weife alle hexaplarifchen LAA, die fich in diefem Werk
wichtigeren Probleme in einer Darfteilung, wie die vor
liegende ift, nothwendig verdeckt.
Ueber das Verhältnifs feines Buches zum erften
Bande meiner Altchriftlichen Literaturgefchichte hat fich
der Verf. in der Vorrede ausgefprochen: ich verzichte
daher darauf, auf dasfelbe einzugehen. Eine kürzere
Darftellung der Altchriftlichen Literaturgefchichte meinte
ich bis nach Vollendung des gröfseren Werks ver-
fchieben zu follen.
Berlin. A. Harnack.
Morin, Germanus D., Presbyter et monachus ürd. S.
Benedicti Maredsolensis, S. Hieronymi Presb. qui deperditi
hactenus putabantur Commentarioli in Psalmos edidit, | fn""den Än^cdotaMare^soianä begrü?sen" wir die Fort
chen des Hieronymus finden, zufammengeftellt. Ueber
den Urfprung desfelben hat fich Hieron. felbft im Prolog
geäufsert: das Werk will Ergänzungen bringen zu dem
,Enchiridion' des ürigenes (den Excerpta in totum
psalterium des Origenes). Daher erklärt fich fein eigen-
thümlicher Charakter, und es laffen fich nun auch, da
wir Umfang und Inhalt der Arbeit des Hieron. jetzt genau
kennen, gewiffe Rückfchlüffe auf das machen, was
bei Origenes geftanden und nicht geftanden hat. Eine
Unterfuchung des pfeudohieron. Breviariums in Bezug
auf feine andern Quellen, feine Compofition, feinen Zweck
und die Zeit der Abfaffung ift die nächfte Aufgabe,
die der neue Fund uns ftellt.
Dafs die Ausgabe Morin's mit grofser Sorgfalt ver-
anftaltet ift, brauche ich nicht befonderes zu erwähnen.
commentario critico instruxit, prolegomena et indices j fetzung der unfterblichen Werke der gelehrten Bene-
adiecit. A. u. d. T.: Anecdota Maredsolana seu Monu-
menta ecelesiasticae antiquitatis ex Mss. codicibus
nunc primum edita aut denuo illustrata. Vol.III Parsl.
Maredsoli, apud Editorem, 1895. Oxford, J. Parker
& Co. (XX, 114 S. 4.) 5s.
P. Morin hat uns, nachdem er uns den Eber comicus'
und die altlateinifche Ueberfetzung des L Clemensbriefs
dictiner. Nicht das Glück hat diefe Entdeckungen geleitet
, fondern der Fleifs.
Berlin. A. Harnack.
Bibliotheca Hagiographica Graeca seu elenchus vitarum sanc-
torum graece typis impressarum, ediderunt Hagio-
graphi Bollandiani. Bruxelles, apud editores, Rue des
gefchenkt hat, wiederum eine Weihnachtsfreude durch I Ursulines 14 und bei Polleunis & Ceuterick, 1895.
eine Entdeckung bereitet. An die Stelle des weitfchich- S r/r 8)
tigen, unter Hieronymus' Namen flehenden ,Breviarium ^ > 46 ■ g ■ •)
__ Wenn es die Ordnung der berühmten Sociite des
1) Dafs ich S. 9 Z. 8-10 u. S. 12 § 5 das über Judas- n. 2. Bollandistes nicht zuläfst, bei den von ihr felbftändig
Johannesbrief Gefügte beanftande, möchte ich nicht verfchweigen. Dafs j herausgegebenen Werken den Verfaffer befonders zu
der Verf. s. 139 den Theonasbrief für echt zu halten geneigt ift, Zahn nennen, fo ift der Referent an diefe Vorfchrift um fo
ihn aber jüngft einfach als echt citirt hat ift mir ein neuer Beweis, I wenjger gebunden, als die Pflicht der verdienten An-
dafs diefe Frage noch einmal einer öffentlichen Prüfung unterzogen 1 , 0 0 ! r c rr j j 10. ~-u:tx„.:r~u „
werden mufs. Mir ift, nachdem ich in diefem Jahr den Brief aufs neue [ erkennung gegen den Verfaffer und das hteraAiftonfche
ftudirt habe, die Echtheit noch unwahrfcheinlicher geworden. Intereffe das Gegentheil fordern. Der Verf. der Biblio-