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Ausgabe:

1895 Nr. 2

Spalte:

56-58

Autor/Hrsg.:

Schmid, K. A.

Titel/Untertitel:

Geschichte der Erziehung vom Anfang an bis auf unsere Zeit, bearbeitet in Gemeinschaft mit einer Anzahl von Gelehrten und Schulmännern. 2. Bd., 2 Abtlgn., u. 3. Bd., 2 Abtlgn 1895

Rezensent:

Achelis, Ernst Christian

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Theologifche Literaturzeitung. 1895. Nr. 2.

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He fo feinen fittlichen Zwecken dienftbar zu machen, fo
ift dies doch wahrlich noch kein Beweis dafür, dafs der
Weltverlauf im Ganzen und Einzelnen auf einen fittlichen

find die Predigten ein Abfchiedsgrufs, für die Freunde
gediegener homiletifcher Literatur hoffentlich kein Abfchiedsgrufs
.

Zweck hin gerichtet ift. Woher foll der religionslofe 1 Marb . E. Chr. Achelis.

Menfch, deffen Blick fich auf das irdifche Daiein be-___________ _

fchränkt, die Gewifsheit erlangen dafs die innere Förde- Schmj7 weil. Präl. Gymn.-Rekt. Dr. K. A, Geschichte der
rung, die er aus den irdifchen Uebeln und Leiden tur ... » , , • r r ^ -L 1

fich zu ziehen weifs, wirklich einen abfolut höchften Ge- Erz.ehung vom Anfang an bis auf unfere Zeit, be-
winn für ihn bedeutet, einen Gewinn, der werthvoller ift arbeitet in Gemeinfchaft mit einer Anzahl von Ge

als Alles, was er im irdifchen Leben entbehren und aufopfern
mufs? Und wie foll er die Gewifsheit einer fol-
chen inneren Förderung, eines folchen abfolut höchften
Gewinnes fefthalten angefichts des irdifchen Todes?

Mir fcheint, dafs unfer Verf. fich einer Illufion hin-
giebt, wenn er meint, zuerft mitteilt blofs verftandes-
mäfsiger philofophifcher Betrachtung den Beftand der
fittl. Weltordnung feftftellen und dann von diefer Gewifsheit
aus religiöfe Schlufsfolgerungen ziehen zu können.
Nur wer die religiöfe Erfahrung von dem Befitze eines
höheren, aus Gott flammenden Lebens in fich macht und
wer den chriftl. Glauben hat, dafs die Entwicklung diefes
höheren Lebens zum Ziele der Gotteskindfchaft und des
jenfeitigen ewigen Lebens den eigentlichen Zweck feines

lehrten und Schulmännern. Fortgeführt von Dr. Georg
Schmid. II. Bd., 2 Abtlgn., u. III. Bd., 2 Abtlgn. Stuttgart
, Cotta, (gr. 8.) M. 57. —

II, 1. (VI, 611 S.) 1892. M. 20.—. — 2. (IV, 461 S.) 1889.
M. 12.—. — III, 1. (VI, 439 S.) 1892. M. 15.—. — 2. (VI,
311 S.j 1892. M. 10. —

Die Bearbeiter des erlten Bandes vorliegenden Werkes,
der 1884 erfchien und die vorchriltliche Erziehung behandelte
, Prälat K. A. Schmid und Geh. Kirchenrath
Gult. Baur, find durch den Tod an der Vollendung des
mit vieler Liebe begonnenen Werkes gehindert worden.
Der Sohn des Herausgebers, Dr. Georg Schmid in
Petersburg, hat die des Vaters Hand entfunkene Arbeit

ganzen Erdendafeins bildet, — nur der kann wirklich die 1 aufgenommen und bis zum Schlufs des dritten Bandes,
Gewifsheit haben, dafs ihm alle Dinge zum Beften dienen, der mit Arnos Comenius endet, fortgeführt. Bereits in
und kann vertrauensvoll die Schwierigkeiten überwinden, i dem Vorwort des erften Bandes wurde von K. A. Schmid
die fich vom Standpunkt der natürlichen irdifchen F5r- | bemerkt, dafs ,bewährte Männer, welche in Fhnigkeit
fahrung aus einer Anerkennung der fittlichen Weltord- | des Geiftes mit ihm verbunden den inneren Beruf für
nung entgegenftellen. Nur weil der Verf. thatfächlich folche Arbeiten fchon durch ihre bisherigen Leiftungen
fchon mit gutem chriftlichen Vorurtheil die Welt be- dargethan, fich an ihn angefchloffen haben'. Im erften
trachtete, ift es ihm fo leicht erfchienen, fich von dem ; Bande ftand dem Herausgeber nur der geiftvolle G. Baur
Beftande der fittl. Weltordnung zu überzeugen. j zur Seite, im zweiten Bande traten hinzu H. Mafius und

yena j4 74 Wen dt 0. Kaemmel m Leipzig» K. Hartfelder in Heidelberg,

E. Gundert in Eislingen, G. Schmid in Petersburg, im

--dritten Bande G. Müller in Dresden, E. von Sallwürk in

Kawerau, D. Guft., Vom Worte des Lebens. Predigten aus J Karlsruhe, K.Sandberger in Stuttgart, A.Israel inZfchopau.
dem akademifchen Gottesdienfte in Kiel. Kiel, Eckardt, \TBÜS^ ™ Nagold Die Arbeitsteilung gereicht dem

1894. (76 S. gr. 8.) M. I. 50

Eine Abfchiedsgabe von zehn Predigten, die der Herr
Verfaffer bei feiner Ueberfiedelung nach Breslau feiner
Akademifchen Gemeinde in Kiel überreicht. Die Predigt
zur Eröffnung des Akademifchen Gottesdienftes in Kiel
am Sonntag Cantate 1888 hat die erfte, die Abfchieds-
predigt am Sonntag Laetare 1894 hat die letzte Stelle
in der Sammlung. Bezeichnend reden beide über ein
Wort des Paulus; jene über Rom. 1, 16, diefe über 1 Kor.
1, 18; das Paulinifche Evangelium von der Rechtfertigung
und der darin begründeten Heilsgewifsheit giebt den
Grundton aller Predigten an. Die 6. und 7. Predigt (Rom.
8, 31 — 39; 28—30) handeln ausfchliefslich davon; aber
der Grundton klingt auch in den fcheinbar ganz anderen
Inhalt bietenden Reden an, fo vor allem in den in ihrer
Schlichtheit und Wahrheit, in ihrer fachlichen Wucht
ergreifenden Bufspredigten: der am Reformationsfeft und
der am 25. Sonntag nach Trinitatis. Die Form der Predigt
erfcheint überall völlig in den Dienft der Sache ge-
ftellt, auf die es dem Prediger allein ankommt. Daher
die Durchfichtigkeit der Sprache, die Klarheit der Gedankenfolge
, die Einfachheit des Aufbaus. Das Thema
ergiebt fich ohne Künftelei aus dem Text; nur die letzte
Predigt hat drei Theile, die übrigen nur zwei, und diefe
fchliefsen fich meift als Auslegung und Anwendung, Er-
kenntnifs und daraus fich ergebende Ermahnung unmittelbar
dem Texte an, der überall exegetifch zu feinem
Rechte kommt.

Die grofse Aufgabe, die wir uns felbft und dem zu
bildenden neuen Gefchlecht der Prediger des Evangeliums
nicht genug vorzuhalten haben: dafs alle Ausftattung der
homiletifchen Individualität, alles Studium, alle Kunft der
Form in den keufcheften Dienft der zu verkündenden
Magnalia Dei zu treten habe, hat unfer Herr Verfaffer
in feiner Weife nahezu erfüllt. Für die ,FVeunde in Kiel'

Werk zu grofsem Vortheil; jeder der Mitarbeiter hat ein
feft begrenztes Gebiet, und die in jeder Beziehung vornehm
ausgeftatteten Bände legen in ihrem Inhalt durchweg
das Zeugnifs ab, dafs die Mitarbeiter ihren Aufgaben
mit grofser Gründlichkeit und vielem Gefchick gerecht
geworden find. Faft überall ift genaue den Quellen und
der Literatur entnommene Sachkenntnifs ein ficherer
Fuhrer, und nicht feiten erhebt fich die Sachkenntnifs
zu wirklicher Meifterfchaft in der Behandlung; die Darfteilung
der Bildung und des Bildungswefens in Frankreich
während des 16. Jahrhunderts von E. von Sallwürk
(III, 1, S. 110—208) und auch die Würdigung von Fr. Bacon
von Sandberger (III, 1, S. 4.10—439) mögen befonders
hervorgehoben werden. Allein den Vorzügen der Arbeits-
theilung flehen auch gewiffe Nachtheile zur Seite, die theil-
weife kaum zu vermeiden find. Verhältnifsmäfsig Kleinigkeiten
find die Verfchiedenheiten in der Schreibung der
Namen: wir findenThagafte und Tagafte, Virgil undVergil,
Boetius und Boethius, König Heinrich und Henry IV,
Ludwig und Louis, König Jakob und James, Bonifatius,
-cius, -zius, Melanthon-Schwarzerdt (II, 2, 116) und
Schwarzerd (II, 2, 207) — das Richtige wird Schwarzert
fein nach Analogie der fchwäbifchen Namen: Weifsert,
Gelbert, Rothert, Grünert; das Urtheil über den fpani-
fchen Humaniften und PädagogenVives II, 2,128 f. ftimmt
nicht mit II, 2, 317 und III, 1, 35; der Name Oxford wird
— ich glaube: richtig — II, I, 251 als ,Ochfenfurt' erklärt
, dagegen S. 392 von dem keltifchen ox = Waffer
abgeleitet. Aufser diefen nebenfächlichen Verfchiedenheiten
dürfte jedoch auch weitergreifende Ungleichmäfsig-
keit der Behandlung zu conftatiren fein; II, 2 ift drei
Jahre früher erfchienen, als II, I; die Verfaffer von II, 2
haben fomit die Arbeiten von II, 1 nicht gekannt, konnten
fich demnach nicht auf diefelben zurückbeziehen, und
Wiederholungen waren unvermeidlich. Ferner folgt II, 2
(1889) noch völlig den Intentionen des Vorworts zum