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Ausgabe:

1895 Nr. 26

Spalte:

664-668

Autor/Hrsg.:

Gelzer, Heinrich

Titel/Untertitel:

Die Anfänge der armenischen Kirche 1895

Rezensent:

Kattenbusch, Ferdinand

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Theologifche Literaturzeitung. 1895. Nr. 26.

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fie zu Hülfe rufen mufs; denn was fich ihnen entnehmen
läfst, wiffen wir längft. Aber manchmal entfpringt aus
einem Contact zweier bekannter Gröfsen eine neue Er-
kenntnifs; gefpannt fchlagen wir daher das Blatt um
und — find erftaunt als Ueberfchrift des neuen Capitels
(S. 178—191) die Worte zu vernehmen: ,Verwendung und
Schätzung des Taufbekenntnifses bei Marcus'. Was kann
uns das helfen? In der That hilft es auch gar nichts.
Die Ausführung darüber, dafs die Morgenländer im 4.
und 5. Jahrhundert — der Verf. fagt mit Vorliebe einfach
das Morgenland — eine etwas andere Stellung zum
Symbol einnahmen als die Abendländer, bringt Bekanntes
, und wo fie darüber hinausführt, bringt fie fo
feltfame, gefperrt gedruckte Sätze, wie den S. 187: ,die
tieffte Differenz, die in der Auffaffung des Taufbekenntnifses
das Morgen- und Abendland unterfcheidet, bezeichnen
wir kurz fo, dafs hier das Taufbekenntnifs mehr
theoretifch (!) dort wefentlich ethifch (!!) gewerthet wird'.
Nach der Ausführung diefes Satzes folgt wie aus der
Piftole folgendes Refume: ,Diefe Darlegung dürfte gezeigt
haben, wie weit die neuere auf Ritfehl zurückgehende
und durch Harnack eingeleitete Symbol-
forfchung (— auf Ritfehl geht hier fchlechterdings nichts
zurück, und ich habe nichts eingeleitet —■) hinfichtlich
ihrer Betrachtung und Beurtheilung des Symbols davon
entfernt ift, der gefammtkirchlichen Entwickelung, ins-
befondere der morgenländifchen, gerecht zu werden. Man
fieht auch fie durch die Brille Tertullian's, durch die
Brille des römifchen Katholicismus an. Wird damit fchon
die abendländifche Symbolgefchichte nicht ganz richtig
gefehen, fo wird aus der morgenländifchen geradezu ein
Zerrbild'. Wer einen fo weittragenden Satz ausfpricht, der
follte ihn beweifen, nicht aber durch wunderliche Aphorismen
Überschrift und Symbol, ,theoretifch' und ,ethifch'
discreditiren. Indeffen die Hauptfache •— über diefer
Digreffion hat der Verf. ganz vergeffen, dafs er uns
den Beweis für die Thefe, das Symbol des Marcus führe
uns in die Entftehungszeit des Symbols, noch in jeder
Hinficht fchuldig ift. Bereits befinden wir uns auf S. 191
des Buchs; nur noch 10 Seiten flehen aus, und noch
fehlt jeder Verfuch eines Beweifes. Das Schlufscapitel
trägt die Auffchrift ,Zufammenfaffung und Ausblicke'.
Auch diefes läfst uns aber vollkommen im Stich oder
vielmehr es fpeift uns einfach mit ,Ausblicken' auf das,
was nun Alles gefchehen könnte und müfste, um die
Symbolgefchichte des Orients zu reformiren, und mit fehr
übermüthigen Angriffen auf das Werk von Katten-
bufch über das Apoftolifche Symbol ab. Ich finde die
richtigen Worte nicht, um diefes Verfahren zu charakte-
rifiren, und kann mir als einzige Entfchuldigung nur die
vollkommene Verblendung des jugendlichen Verfaffefs
über das, was fein neues Symbol leiftet und was er felbft
zu leiften vermag, denken. Auf denfelben Blättern, auf
denen er die völlige Unfähigkeit darthut, fowohl den
Ernft der Frage nach dem Alter orientalifcher Symbole,
als die Mittel zu ihrer Löfung als die Forderung eines'
wiffenfehaftlichen Beweifes zu verftehen, behauptet er von
einem Forfcher, der 15 Jahre über diefer Aufgabe gearbeitet
hat, er habe die Forfchung in Bezug auf die
Gefchichte der orientalifchen Symbole .nicht gefördert,
fondern um ein bedeutendes zurückgeworfen', er mifs-
brauche in mechanifcher Weife die Freiheit der Kirchenväter
bei Anführungen des Bekenntnifses, ,um ganz
abfurde Ungeheuer von Formeln zu conftruiren'. Das
Beifpiel, welches der Verf. S. 2CO n. 3 anführt, um diefe
exorbitante Anklage zu belegen, ift zugleich ihr Gericht;
denn fachgemäfser und umfichtiger, als Kattenbufch fich
dort ausgedrückt hat, kann man nicht verfahren. Die
Anklage würde alfo mit aller Wucht auf den Kläger
zurückfallen, wenn er fich nicht durch die Vermeidung
jedes Verfuches, feine .Ausblicke' zu beweifen und den
anfpruchsvollen Buchhändlertitel feiner Arbeit zu rechtfertigen
, vor ihr gefchützt hätte.

Ich kann dem Verf. nur rathen, mit feinen patrifti-
fchen Unterfuchungen fortzufahren, aber noch einige Jahre
: hindurch der Verfuchung zu widerftehen, fie unter dem
Gefichtspunkt der Gefchichte des altkirchlichen Taufbekenntnifses
nutzbar und dem gröfseren Publicum inter-
effant zu machen. Vielleicht wird er dann die Ruhe
j finden, die ihn über Wünfche, Sentiments und .Ausblicke
' erhebt. Nichts kann willkommener fein, als das
Auftreten eines gewappneten Streiters, der die Thefe
vertheidigt, dafs die orientalifchen Symbole auf einen
fafsbaren, dem römifchen Bekenntnifs mindeftens gleichaltrigen
und von ihm unabhängigen Urtypus zurückgehen.
Wir werden einen harten Straufs mit ihm ausfechten
müffen! Aber gegen einen phantafievollen und lediglich
polternden Ritter mit Marcus Eremita als Schildknappen
1 wird Niemand die Lanze einlegen.

Berlin. A. Harnack.

Geizer, H., Die Anfänge der armenischen Kirche. (Berichte
der Königl. fächf. Gefellfchaft d. Wiffenfchaften, hifi-
phil. Klaffe, 1895, S. 109—174.) Leipzig, S. Hirzel.

Mit diefer intereffanten Abhandlung hat Geizer die
Arbeiten v. Gutfchmid's über die altarmenifche Gefchichte
, die durchweg nur literarifch - kritifcher Art
waren, in' der Weife ergänzt, dafs er auf Grund der als
glaubwürdig erkannten Quellen eine Darfteilung der
älteften Geftalt des armenifchen Kirchenwefens unternommen
hat. Die Arbeit ift fehr wichtig für die Kirchen-
hiftoriker. Z. B. die Skizze der Anfänge der armenifchen
! Kirchengefchichte, die C. Müller in ^ 60 gegeben hat,
eine in der Kürze durchaus erwogene Schilderung nach
den bisherigen Kenntnifsen, zeigt, wie unzulänglich und
fchief man fich Alles noch vergegenwärtigte. Ich meine
den Theologen einen Dienft zu thun, wenn ich den Inhalt
der G.'fchen Abhandlung mittheile; auf eine Kritikkann
ich mich felbftverftändlich nicht einlaffen. G. ift
des Armenifchen vollkommen mächtig und citirt zuweilen
aus den armenifchen Quellen gröfsere oder kleinere
Stücke ohne Ueberfetzung; ich weifs nicht recht, wem
folche Citate frommen Pollen: die paar Leute, die im
Stande find, diefe Citate zu lefen, würden nicht murren,
wenn er fre auch in einfacher Ueberfetzung gäbe; wo ihm
eine Interpretation fprachlich nicht ficher ift, möchte er
ja für Sprachkenner eine Rechtfertigung beifügen.

Nach Gutfchmid's Refultaten war es nicht nothwen-
dig, über das Mofes von Khoren zugefchriebene Werk,
die von den Armeniern felbft am höchften gepriefene
Darftellung ihrer alten Gefchichte, noch ein Wort zu
verlieren. Gutfchm. hat gezeigt, dafs diefes Werk zwar
für die iranifche Sagen- und Religionsgefchichte bedeut-
fam ift und bleibt, für die eigentliche Staats- und Volks-
gefchichte, zumal die Kirchengefchichte, jedoch entweder
ganz unzuverläffig ift oder aber Quellen, die wir noch
befitzen, oft mit geringem Verftändnifs ausgefchrieben
hat. Zuerft glaubte Gutfchm. eine beftimmte Tendenz
der Gefchichtserzählung feftftellen zu können und war
unter diefer Vorausfetzung geneigt, daran feilzuhalten,
dafs das Werk wirklich von dem berühmten Ucberfetzef
des 5. Jahrhunderts, deffen Namen es trägt, herrühre.
Später hat er fich der Idee zugewandt, dafs das Werk
pfeudonym fei, in Wirklichkeit verfafst von einem Manne
des 7. Jahrhunderts, wahrfcheinlich 634—42. (Aber wie
ift bei diefer Annahme der vielgerühmte claffifche Sprachcharakter
des Werks zu beurtheilen?) Fällt Mofes fort,
fö hat Geizer fich überzeugt, dafs ferner auch Zenob
von Glak, den z. B. noch Ter Mikelian (,D. arm. K.
in ihren Beziehgn. z. byz. v. IV. bis z. XIII. Jahrh.',
1892) mannigfach benutzt, abfolut werthlos ift. Das
Opus diefes angeblichen Zeitgenoffen des Erleuchters ift
ein Legendenwerk vom gewöhnlichen Schlage, dem 8. oder
9. Jahrhundert angehörig. Geizer kann fich hier in der