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Ausgabe:

1895 Nr. 25

Spalte:

646-649

Autor/Hrsg.:

Köstlin, Jul.

Titel/Untertitel:

Der Glaube und seine Bedeutung für Erkenntnis, Leben und Kirche mit Rücksicht auf die Hauptfragen der Gegenwart 1895

Rezensent:

Wendt, Hans Hinrich

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645

Theologifche Literaturzeitung. 1895. Nr. 25.

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<)t£iiLv xT;g övräiitiog xai fQyöiitrnv irrt xwv veffthov xnv j Haupt's zur Ueberlieferung der Worte Jefu. Im Allge-

nvQuvnc und argumentirt folgendermafsen: ,An ein leib- meinen ift er geneigt, jedes einzelne Wort für urfprüng-

liches Sehen kann nicht gedacht werden, denn (!) weder lieh zu halten, die Zufammenhänge aber anzuzweifeln.

dieSynedriften noch fonfl ein Jude hat ihn als den Erhöhten Eine bequeme, aber gefährliche Methode! Was foll man

leiblich gefehen. Es kann aber auch nicht gemeint fein, von der Treue der Erinnerung halten, die zwar lauter

bei der Parufie würden fie ihn fehen, denn bei diefer er- einzelne Sprüche, aber keine Spruchgruppen und Ketten

icheint Jefus niemals als der im Himmel Sitzende, fondern bewahren konnte.

als der auf die Erde Kommende. Das Sehen kann I Ich fchliefse mit dem Ausdrucke des Bedauerns,

alfo nur von einem geiftigen Sehen, einem Er- dafs Haupt in diefem Buche nicht über eine fchwäch-

fahren gemeint fein: fie werden fein himmlifches liehe vermittelnde und falfch fpiritualifirende Deutung des

Königthum zu erfahren bekommen'. Allerdings Materials hinausgekommen ift, die einen geradezu pein-

ift in jener Stelle die Reihenfolge der Sätze auffallend, liehen Eindruck macht. — Bei der Schwierigkeit der hier

Indeffen die Argumentation H.'s ift fophiftifch. Denn vorliegenden Probleme wäre es ja Thorheit, fich befferen

warum foll die bache nicht fo gedacht werden, dafs bei Belehrungen verfchliefsen zu wollen. Ich perfönlich bin

der Parufie fich der Himmel öffnet und der zur Rechten z. B. für mannigfache Berichtigungen meiner Anfchau-

Gottes thronende Meffias erfcheint, der dann auf den ungen durch das Buch von Titius fehr dankbar. Aber

Wolken des Himmels zum Gericht herab kommt. Vgl. von Haupt habe ich mit dem beften Willen nicht viel

die Vifion des Stephanus1). Alfo mit diefem Beweis ift lernen können.

es nichts. Es ift durchaus kein Grund vorhanden, weder 1 Marburg 1 Weifs
das Sitzen, noch die Rechte Gottes, noch den Himmel |
.bildlich' zu faffen. Aber noch einmal fetzt H. zu einem

Beweife ein: auch das .Kommen des Menfchenfohnes Köstlin, Ob.-Konfift.-R. Prof. D. Jul., Der Glaube und seine
kann nicht als ein locales Kommen auf die Welt ver- Bedeutung für Erkenntnis, Leben und Kirche mit Ruck-

sä ä^ä'ä . ry°u~ i"Är* Grm£ jf-

gefammte natürliche Welt zufammenkrachen werde.' Die j Reuther & Re.chard, 1895. (VIII, 343 S. gr. 8.) M. 6. —
Verfinfterung von Sonne und Mond und das Herabfallen I Diefes Werk K.'s ift eine vollftändig neue Aus-
der Sterne fei doch ein voller Zufammenbruch der arbeitung feines früher im J. 1859 veröffentlichten Werkes:
Welt. Hier wird es mir fchwer, ernft zu bleiben, j ,Der Glaube, fein Wefen, Grund und Gegenftand u. f. w.'.
Eine Widerlegung diefer geradezu verblüffenden Aus- j Wie das Vorwort befagt, ift die gegenwärtige Schrift
fuhrungen Haupt's hat mit bewunderungswürdiger Geduld [ nicht nur in Gegenftand, Titel und Anlage gleicnartig
Titius geliefert in feiner neuen Schrift: Jefu Lehre vom i jener früheren, fondern es find für den Verf. auch die-
Reiche Gottes (S. 143 ff). Auf fie verweife ich um fo felbenGrundüberzeugungen und Beftrebungen mafsgebend
lieber, als die ganze Schrift eine aufserordentlich dankens- geblieben, wie damals. Er hat dem früheren Werke jetzt
werthe Förderung unferer Fragen bedeutet. Sie wird vor , die neue Ausarbeitung gegeben mit fpecieller Beziehung
allem den Erfolg haben, folche Halbheiten^ fortan un- auf die Geftalt, welche die Probleme gegenwärtig angemöglich
zu machen, wie fie Haupt's Buch in Fülle enthält, nommen haben. Dabei konnte er die Refultate feiner
Die mtthodologifchen Ausführungen nehmen bei 11. inzwifchen vollbrachten mannigfaltigen, auf Luther, auf
einen fehr breiten Raum ein. Flrft mit S. 66 kommen , fyftematifche, biblifch-theologifche und kirchenpolitifche
wir zur eigentlichen Darftellung. Voranfteht natürlich Fragen bezüglichen Arbeiten verwerthen. — In der That
der Beweis, dafs Jefus das Reich Gottes auch als gegen- merkt man es dem vorliegenden Buche durchweg an,
wärtig angefehen habe — was Niemand bellreitet: In wie- j dafs in ihm die reife Frucht einer tiefgewurzelten und
fern es bereits gegenwärtig ift, darüber liefse fich viel- ausgebreiteten theologifchen Lebensarbeit dargeboten
leicht eine Verftändigung erzielen. Ich will nicht in Ab- , wird. Die Klarheit und Sicherheit, mit der der Verf.
rede ftellen, dafs mit jS«<7. r. V. nicht blofs die concrete feine Gefammtanfchauung durchzuführen weifs, die Gründ-
Vorftellung eines .Reiches', noch auch die abftracte der , lichkeit, mit der er die Probleme anfafst und auf die
.Gottesherrfchaft' verbunden zu fein braucht, fondern ich Schwierigkeiten eingeht, die ruhige, mafsvolle Art feines
halte für möglich, dafs auch fchon in den Evangelien Urtheils, auch wo er gegnerifche Meinungen abweift,
hier und da der Ausdruck eine abgeblafste Bezeichnung und die vortreffliche, abgeklärte Form der Darfteilung
für das höchfte Gut fein könnte, wie es Rom. 14, 17 der wirken höchft wohlthuend und anziehend auf den Lefer.
Fall zu fein fcheint (vgl. Titius, S. 178). Aber ich mufs Ich gebe einen kurzen Abrifs des Gedankenganges,

beftreiten, dafs diefe Deutung Luk. 17, 20 f. erlaubt ift. Im erften Hauptftück befpricht der Verf. ,des Glau-
Sehr erfreulich ift das Zugeftändnifs Haupt's auf S. 81, bens Urfprung und Wefen'. Er fafst hier die Er-
dafs von einer Wachsthümlichkeit des R. G. nicht ge- gebnifse feiner im J. 1893 publicirten Schrift: ,die Beredet
werden dürfe. ,Das Kommen des Reiches Gottes gründung unferer fittlich-rehgiöfen Ueberzeugung' kurz
ift Jefu auf allen Stufen göttliche That. Seine Vollen- zufammen. Er weift die Vorftellungen zurück, dafs man
dung ift nicht das Refultat immanenter Entwicklung, durch einfache Denkfolgerungen aus dem Däfern und
fondern eines wunderbaren Eingreifens Gottes'. Diefe geordneten Verlaufe der natürlichen Welt oder durch
Erkenntnifs zu fördern war mir bei meiner Schrift die verftandesmäfsige Beweife für die Glaubwürdigkeit der in
Hauptfache.— Die Ausführungen Haupt's über das Mef- , der heiligen Schrift vorliegenden Zeugnifse über die

fiasbewufstfein Jefu legen Werth darauf, dafs die Todesahnungen
Jefu ein von Anfang an fchon vorhandenes
Element feiner Anfchauung gewefen feien. Auch hier bin
ich, zwar nicht eigentlich durch Haupt, fondern durch
Titius geneigtergeworden,entgegenzukommen. —Schhefs

Gottesoffenbarung zu einer feften Begründung des chriftl.
Glaubens gelangen könne. Er fucht dagegen pofitiv
auszuführen, dafs nach dem übereinftimmenden Zeugnifse
fowohl der neuteftamentlichen Schriftausfagen, als
auch unferer eigenen Erfahrungen bei der Entftehuntr

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Y"-y.'"" 0 " „irrf-nthümliche Stellung oder Befeftigung des Glaubens der tieffte Grund des
lieh erwähne ich noch die ganz eigentnumhctie atei g ; >gc^iffen inneren Eindrücken Hege, die bei

Jf r k a.-tirfnrünrfiche ,dem Herantreten der in Jefu Chrifto gegebenen ge-

,) Allerdings ift mir wahrfcheinlicher, dais uut. a-mj 1 ,s fchichtlichen Heilsoffenbarung Gottes an uns unfer In«*

hat 22, 69: dnb xolvvv de tnmo «°« Mk. MttfT-Text 1 ftes unmittelbar ergreifen und die den unmittelbaren

* £ £*^vvL iTz6: xal Sy>ovtcu rov vlbv x. inneren Eindrücken analog find, welche wir in unferem
SäSÄÄ^^ftÄ - verfchmohen hHerzen und Gewilfen von der abfoluten Autorität der

Ä Gedanken Tb, obwohl er fonft für die relative Urfprungl.chkeit | fittücnen pflicht haben. _ Im zweiten und dritten Haupt-
des Luk. vor Mk. Sinn zu haben fcheint.