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Ausgabe:

1895 Nr. 24

Spalte:

626

Autor/Hrsg.:

Koblinski, Karl v.

Titel/Untertitel:

Zehn Jahre Gefängnisprediger. Rückblick 1895

Rezensent:

Stromberger, Christian Wilhelm

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Seite 1

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625 Theologifche Literaturzeitung. 1895. Nr. 24. 626

Das Werk ift klar und überfichtlich in drei Ab-
fchnitte gegliedert: 1) Begriff und Wefen der Seelforge
(1 —126); 2) Von den Organen der Seelbrge (127 [nicht:
128] — 22O); 3) Die Aufgaben der Seelforge (221 [nicht: 222]
— 396). Innerhalb des erften Abfchnittes ift es wohl
nicht ganz correct, bei der gefchichtlichen Entwicklung
des Begriffes unter A. Die Seelforge nach der Auffaffung
der rö mifch-katholifchen Kirche zu nennen und als
Uuterabtheilungen anzugeben: 1) Die Seelforge nach der
Anfchauung der Urkirche, 2) der altkatho lifchen
Kirche u. f. w. Im zweiten Abfchnitt werden als Organe
der Seelforge A. das Wort Gottes, B. die Gemeinde,
C. die feelforgerliche Perfönlichkeit genannt. Es ift wohl
nicht die Abficht des Herrn Verfaffers, diefe drei als
coordinirte Organe hinzuftellen; es ift jedoch nicht
deutlich gemacht, dafs und in welcher Weile fie zu einander
in fubordinirtem Verhältnifs flehen. — Es fei geplattet
, auf einige Verfehen — fie finden fich nur im
erften Abfchnitt — aufmerkfam zu machen. S. 9 dürfte
es im Blick auf I Th. 5,12 f. und Hebr. 13,17 u. f. w.
nicht ganz richtig fein, dafs die Erftzeit der chriftlichen
Kirche ein befonderes Amt der Seelforge nicht gekannt
habe. — S. 15 hat nach Cyprian Ep. 1, 2 (Härtel 466 f.)
nicht Geminius Victor einen ungenannten Priefter, fondern
Victor hat den Prielter Geminius Fauftinus zum Vermögensverwalter
ernannt. — S. 16. Cyprian Ep. 39,5
(Härtel 584 f.) redet nicht von den .Trägern des Amtes
auf allen Stufen', fondern von den Confessores, infonder-
heit vom Confessor Celerinus. — S. 17. Darf des Ambro- I
fius Schrift de officiis tninistrorum die erfte ,Paftoral-
lehre' genannt werden? Er redet darin doch nur von den |
Standespflichten, nicht von den Amtspflichten der Mi- I
nistri. Auch dürfte wohl der Unterfchied der altkatho-
lifchen Zeit von der fpäteren fpecififch römifch-katho-
lifchen Kirche hinfichtlich des Begriffs der Seelforge j
nicht fcharf genug hervorgehoben fein. — S. 75 f. ift
m. E. die Seelforge nach der Anfchauung der lutherifchen
Orthodoxie zu günftig beurtheilt; fie ift doch wefentlich
orientirt an dem römifchen Inftitut des Beichtpriefters;
fie wird unter dem Gefichtspunkt der Kirchenzucht an-
gefehen und ein feierliches juridifches Verfahren wird
felbft gegen folche Gemeindeglieder vorgefchrieben, die
nur ein oder zwei mal jährlich das heilige Abendmahl
begehren. Schliefslich darf ich die Ungenauigkeit wohl
erwähnen, dafs auf S. IIS gegen mich bemerkt wird, ich
definire die Seelforge als Poimenik, während ich
doch nur die Lehre von der kirchlichen fpeciellen
Seelforge nach dem Vorgang von G. v. Zezfchwitz und
J. J. v. "Oofterzee Poimenik nenne. —

Jedem gröfseren und kleineren Abfchnitt des Werkes
find Literatur-Angaben vorangeftellt. Eine reiche
Fülle! Mit bienenartigem Sammelfleifs hat der Herr
Verfaffer die Literatur zufammengebracht, und ich ver-
muthe, dafs ihm Vollftändigkeit der Angaben in der
That gelungen ift. Für die Mitarbeiter des Herrn Verfaffers
ift das eine höchft fchätzenswerthe Gabe. Gleichwohl
möchte ich den Wunfeh ausfprechen, dafs die über die
Mittelmäfsigkeit hinausragenden Werke durchgängig
durch gefperrten Druck ausgezeichnet wären, fodann,
dafs jedem Autornamen auch die Anfangsbuchftaben
der Vornamen hinzugefügt würden, da nicht nur der
fchrififtellernden Muller und Schultze, fondern auch der
Köftlin und Achelis allzu viele find; endlich dafs bei
jedem Werk die Anzahl der Bände und das Erfchei-
nungsjahr angegeben würden. Sachlich .möchte ich zu
den Literat urangaben bemerken, dafs (S 349) der Mi-
crologus oder De ecclesiasticis observationibus wohl nicht Jvo.
v. Chartres zum Verfaffer hat, fondern nach S. Bäumer
(Neues Archiv für ältere deutfehe Gefchichtskunde
XVIII, 2 [1893] S. 429—446) den Bernold von Konftanz.
S. 88 wird J H. Alfted (nicht: Alftedt) Methodus S.
'lhcologiae praecognita VI angeführt; nach F. W. E. Roth
(Monatshefte der Comenius-Gefellfchaft 1895 S. 29 f.)

hat Alfred ein Werk unter diefem Titel nicht verfafst;
1611 gab er heraus: Metliodus s. s. tlieologiae in sex libros
tributa, und 1615: Praecognita tlwologica. — Zu S. 115:
F. A. E. Ehrenfeuchter-. Praktifche Theologie gehört nicht
hierher, da der einzige erfchienene Band die Lehre von
der Miffion behandelt; Cl. Harms: Paftoraltheologie
gehört nicht unter b (neuere Paltoraltheorie), fondern
unter a (Syftem der praktifchen Theologie); S. 76 ift
J. Hoornbeek: Theologia practica nicht anzuführen, da
das Werk die ganze (damalige) Theologie (Dogmatik
und Ethik) behandelt; S. 89 dürfte C. H.Spurgeon fehlen,
da das citirte Werk eine Homiletik ift.

An Druckfehlern notire ich: 11,2 v. u. und 23,2 lies
legwaiv^g; 23,1 lies 407; 24,2 v. u. salvetur; 33,8 v. u.,
210,11, 380,6 v. u. Accommodation bezw. aecommodiren;
34,8 v. u. compellc (ftatt cogite); 36,9: de pannilis tra-
hendis ad Christum; 41,21 : 356; 42,6 Ruysbroeck, 43,12:
Dreydorff; 59,1 v.u. Terfteegen; 76,11 Hoornbeek, Z. 19
Mosheim, Z. 12 v. u 1661; 85.3 v. u. 1885; 90,7 praedi-
catio (ftatt doctrina); 96,21—24 u. 208,6 v. u. Francke;
97,3 Ritfehl; 116,18 Paftoraltheorie; 116,22 Knoke;
129,6 v. u. Joh. 5,39; 232,12 Mühlhäufser; 314,21 u. 385,8
v. u. Funcke. Kleinere Verfehen: 132,17; 149,10 v. u.;
J57>5; 177,8; 179,3 v. u.; 208,6 v.u. (fehlt Anm. 2); 281,5;
384,5,14 v. u.; 386,8 v. u.; 388,16; 389,1. —

Es find nur verhältnismäfsig geringe Ausftellungen
im Vergleich zu dem vielen Guten und Vortrefflichen,
das in dem Werke Köftlin's uns gefchenkt ift: eine ohne
Zweifel bald erfcheinende zweite Auflage wird die Corri-
genda leicht befeitigen. Wir wiederholen den Dank für
die Gabe und wünfehen ihr zahlreiche aufmerkfame
und andächtige Lefer.

Marburg. E. Chr. Achelis.

Koblinski, Karl v., Zehn Jahre Gefängnissprediger. Rückblick
. Düffeldorf, Vofs & Co., 1893. (62 S. m. 8 Tab.
gr. 8.) M. 1.—

Ein kleines aber inhaltreiches Büchlein von 61 Seiten
mit angehängten Tabellen, Geiftlichen, die an Gefäng-
nifsen Arbeit haben, fehr zu empfehlen und auch den
Geiftlichen, aus deren Gemeinden Gemeindeglieder in
Gefängnifsen gehalten werden. Warum? Weil in kurzen
Strichen die Gefangenen charakterifirt werden, und die
Lefer damit einen Einblick gewinnen in die Gerinnungen,
welche in den Herzen leben und herrfchen. Das Büchlein
hat 5 Capitel. 1. Nach dem 1. Amts-Jahre im
Zuchthaufe. 2. Am Ende des zweiten Amtsjahres im
Zuchthaufe. 3. Die zweite Strafanftalt. 4. In der dritten
Strafanftalt. 5. Zuchthaus und Gefängnifs. Die an-
gefchloffenen ftatiftifchen Tabellen find überaus werthvoll
, fie bilden die Unterlage zu den Schlüffen und Folgerungen
, die der Verfaffer zieht. Sie find lehrreich und
erklären Vieles. Wir bedauern, dafs der gemeffene Raum
verbietet, darauf des Weiteren einzugehen.

Zwingenberg bei Darmftadt. Stromberger.

67. Jahresbericht der Rheinisch-Westfälischen Gefängniss-
Gesellschaft über das Vereinsjahr 1893/94, im Auftrag
des Ausfchuffes zufammengeftellt von dem Hauptagenten
Paftor Dr. von Koblinski. Düffeldorf,
Vofs & Co., 1895. (185 S. gr. 8.) M. —.75

Inhalt: P r o toko 11 e der Strafanftalts- u. Juftizbeamten,
der evangel. Anftalts- u. Afylgeiftlichen, der kathol. An-
ftaltsgeiftlichen, der gemeinfamen Conferenz der Beamten
u. Geiftlichen, der Lehrer an Strafanftalten, der General-
verfammlung —- vom 10. u. 11. Octob. 1894. — Referate
a. Ift die Aufnahme der nach § 361 u. § 362 St.-
G.-B. der Landespolizeibehörde überwiefenen Perfonen
in Arbeitercolonien unter Auffchub der Ueberweifung