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Ausgabe:

1895 Nr. 24

Spalte:

618-619

Autor/Hrsg.:

Poznaíski, Sam.

Titel/Untertitel:

Mose B. Samuel Hakkohen Ibn Chiquitilla, nebst den Fragmenten seiner Schriften. Ein Beitrag zur Geschichte der Bibelexegese und der hebräischen Sprachwissenschaft im Mittelalter 1895

Rezensent:

Strack, Hermann L.

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617 Theologifche Literaturzeitung. 1895. Nr. 24. 618

unterer Ueberzeugung überfteigt es die Kraft eines ein- I Hintergrund der Zeitgefchichte möglichft getreu darzu-
zelnen Gelehrten, den hier vorliegenden ungeheuren Stoff ftellen und die Landfchaft nach der Wirklichkeit zu
fo zu durchdringen und zu verarbeiten, dafs daraus der I zeichnen. In beiden Beziehungen find dem Autor einige
Wiffenfchaft eine Förderung erwüchfe; nur vereinte j recht hübfche Bilder gelungen, obfchon auch bei diefen
Kräfte können hier das Wünfchenswerthe leiden. E. v. der Kenner nachzubeffern fände. Als Paulus am See
Starck hat fehr fleifsig gearbeitet und die weitfchichtige Gennezareth vorüberzog, fei es an den Ufern todtendill geFachliteratur
gewiffenhaft berückfichtigt. Seine Schrift j wefen, trotzdem dafs die Uferftädte Tiberias, Hamath,
kann zur rafchen Orientirung fehr oft gute Dienfte leiden; | Magdala ihre Einwohner nach Taufenden zählten und
aber de leidet gleichwohl an grofsen Mängeln. Wir j hunderte von Schiffen den See durchkreuzten. Sechs

wollen nicht reden von der eigenartigen Transfcription
femitifcher Namen, die doch für ein Hülfsbuch kaum am
Platze war. Der Charakter der Schrift fchwankt zwifchen
dem einer drengwiffenfchaftlichen und dem einer Popular-
fchrift. Gewifs hat der Verf. Recht daran gethan, den
Hauptartikel über einen Ort jeweilen unter die Vulgärform
feines Namens zu fetzen; aber er hätte dann die
anderen Formen in hidorifcher Reihenfolge aufzählen
füllen. Das id wohl da und dort, aber nicht confequent geschehen
. Eine genauere Erforfchung der zudändigen
Quellen hätte eine viel gröfsere Zahl von Ortsnamen
ergeben. In Nachweifung der Ortslagen hätte der Verf.
mehr leiden können. Es id hier nicht der Ort, die vielen
Fehler und Lücken der Schrift im Einzelnen namhaft

Jahre habe Paulus nach feiner Bekehrung gewartet, bis er
als Apodel aufgetreten fei. Nicht nur in Arabien, fondern
auch nachher noch in Tarfus fei er ein diller Mann
geblieben. Von der Art, wie Schneller Scenen ausmalt,
ein Beifpiel: ,1m Sterbehaufe hatten de den Leichnam der
geliebten Schweder (Tabitha, Dorkas) gewafchen und bereitet
zur letzten Ruhe. Dann hatten de die gute Dorkas
hinaufgelegt auf den Söller in's Dachdübchen, das auf
dem ebenen Dache dand. Da tönte das Braufen des
nahen Meeres herein, und das Raufchen der benachbarten
Palmen ßüderte herüber zu dem dillen Todtenantlitz, das
mit gefchloffenen Augen fo bleich und reglos dalag. Und
die Örangendüfte aus den nahen Gärten umfächelten mit
den Abendlüften ihr liebliches Angefleht noch einmal

zu machen. Wir möchten dem Verfaffer den Rath geben, im Tode'. Dem Petrus, der an's Leichenbegängnifs war

zunächd einen Theil des ungeheuren Materials felbftändig gebeten worden, zeigte eine arme weinende Frau ein

zu bearbeiten. Wenn er hernach an eine zweite Auflage ,warmes Kopftuch', das de von Dorkas empfangen. Wie

feines Lexikons geht, follte er fich den Beidand von gutherzig mufs die liebliche Dorkas gewefen fein, dafs de

Gelehrten fichern, die in den einzelnen hier in Betracht
fallenden Kreifen eingehende und unabhängige For-
fchungen angedellt haben.
Zürich. Furrer.

Schneller, Päd. Ludw., Apostelfahrten. Wanderungen
durchs heilige Land zur Oder-, Pfingd- und Apodel-
zeit. 1.—3. Aufl. Leipzig, [Wallmann], 1893. (430 S.
m. Abbildgn. gr. 8.) Geb. M. 6 —

Ein Schriftdeller, deffen erdes Buch ,Kennd du das
Land?' in kurzer Zeit zehn Auflagen erlebt hat und in
verfchiedene Sprachen überfetzt worden id, der mit feiner
zweiten Schrift ,Evangelienfahrten' einen ebenfalls glänzenden
Erfolg erreicht hat, darf auch für das vorliegende
neue Buch eine fympathifche Aufnahme in weiten Kreifen
erwarten. Eine nicht geringe poetifche Begabung, naive
Bibelgläubigkeit, Kenntnifs des Orients aus langjähriger
eigener Anfchauung, dazu ein frifches, fonniges, liebenswürdiges
Wefen, befähigen den Verfaffer, eine der erden
Stellen unter den Meidern der erbaulichen Literatur einzunehmen
. Seine Werke dürfen billig neben die von
Funcke, Kögel, den beiden Frommel gedellt werden.
Allerdings eignet feiner Dardellung ein Stich in's Sentimentale
.0 Es grüfst und flüdert und fchweigt die Natur
in ihr etwas viel. Die gutmüthigen idyllifchen Züge der
von ihm gezeichneten Heroen erinnern dark an einen
wohlwollenden jugendfrohen Pador, der in Glauben
und Wiffen fein Examen zur vollen Befriedigung feiner
Vorgefetzten bedanden hat. Man darf an fein Werk nicht
den Mafsdab der Wiffenfchaft anlegen, fondern mufs es
als ein Beifpiel anfehen von der Art, wie fleh in einem
aufrichtig frommen und kündlerifch begabten vortrefflichen
Autor die Urzeit der chridlichen Kirche abfpiegelt.
Er id bemüht, uns diefe Zeit im vollen Tageslichte zu
zeigen, er erzählt wie einer, der dabei gewefen. Göttlicher
Weisheit hat es allerdings gefallen, die Anfänge
der Chridenheit in einem gewiffen Helldunkel für uns zu
belaffen, damit beim Blik in die dämmernde Ferne das
Gefühl der Unendlichkeit in uns wach bleibe. That-
fächlich fchauen wir auf diefe Weife doch mehr, als wenn
uns Alles in das grelle Licht der Alltäglichkeit gerückt
wäre. Wir brauchen wenig oder nichts Irdifches abzuziehen
von den heiligen Geftalten, die im Ewigen ihr
innerdes Sein haben. Das wird uns nicht hindern, den

bei 300 C. im Schatten noch warme Kopftücher ver-
fchenkte! Dafs fie demüthig dem Petrus wiederholt die
Hand geküfst, nachdem er fle wieder zum Leben erweckt
hatte, kann man um fo eher begreifen, wenn man mit
dem Autor auf der Ebene Saron gleichzeitig das
Schmettern der Lerche und das Jubiiiren der Nachtigall
vernommen hat. Wie viel fchwerer fällt es dem kritifchen
Bibelforfcher, folche idyllifch-gefühlvolle Bilder zu entwerfen
!

Zürich. Für

rer.

Poznai'ski, Dr. Sam., Mose B. Samuel Hakkohen Ibn Chi-
quitilla, nebd den Fragmenten feiner Schriften. Ein
Beitrag zur Gefchichte der Bibelexegefe und der he-
bräifchen Sprachwiffenfchaft im Mittelalter. Leipzig,
Hinrichs, 1895. (VIII, 200 S. gr. 8.) M. 7.—

Die wiffenfchaftliche Erforfchung der hebräifchen
Sprache beginnt mit Jehuda ben David Chajjug (in Cor-
dova, Ende des 10., Anfang des 11. Jahrb..), welcher die
Annahme der Dreiconfonantigkeit der femitifchen Wurzeln
auf das Hebräifche, befonders auf die fchwach- und
die doppellautigen, Verba ausdehnte, und mit Abul-
walid Merwan ibn Ganah (meid in Saragoffa, erde Hälfte
des n.Jahrh.), welcher die gewonnene Erkenntnifs confequent
zur Anwendung brachte. Der erde Grammatiker
aus ihrer Schule, der fortlaufende Commentare zu
den biblifchen Büchern in arabifcher Sprache verfafst
hat, war Mofe ben Samuel ibn Chiquitilla aus Cordova
(Blüthezeit um 1050—1080). Diefem Forfcher, über den
bisher befonders W. Bacher (in: Winter u. Wünfche,
Die jüdifche Litteratur II, S. 181 f. und 260 ff.) zu vergleichen
war, hat S. Poznafiski eine fleifsige Monographie
gewidmet. Mofe, deffen Beiname Ibn Chiquitilla, wie
zuerd Jellinek erkannt hat, von dem fpanifchen chiep
dämmt, id auf drei Gebieten (Exegefe, Grammatik und
Poefie) thätig gewefen. Volldändig auf uns gekommen
id nur feine Ueberfetzung zweier Schriften Chajjug's; von
feinen eigenen Werken haben fleh nur Trümmer, grofsen-
theils in hebräifchen Citaten, erhalten. Diefe Trümmer
hat Poznanski S. 95—121 gefammelt und S. 125—195
erläutert. Bequemer für den Lefer wäre es gewefen und
viel Raum wäre gefpart worden, wenn diefe Erläuterungen
gleich jedem Texte angefügt worden wären. Auch fonff
id die Dardellung nicht feiten zu breit. Der erde Theil