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Ausgabe:

1895 Nr. 2

Spalte:

39-40

Autor/Hrsg.:

Lange, J. P. (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Theologisch-homiletisches Bibelwerk. Die Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments, mit Rücksicht auf das theologisch-homiletische Bedürfnis des pastoralen Amtes... Des Neuen

Rezensent:

Holtzmann, Heinrich Julius

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39

Theologifche Literaturzeitung. 1895. Nr. 2.

40

Theologisch-homiletisches Bibelwerk. Die Heilige Schrift
Alten und Neuen Teftaments, mit Rückficht auf das
theologifch-homiletifche Bedürfnis des paftoralen Amtes
in Verbindung mit namhaften evangelifchen Theologen
bearb. und hrsg. von J. P. Lange. Des Neuen
Teftaments 11. Tl.: Die Pafloralbriefe und der Brief
an Philemon. Theologifch-homiletifch bearb. von Prof.
Dr. J. J. van Oofterzee. 4. Aufl., durchgefehen und
überarbeitet von Prof. D. K. Knoke. Bielefeld, Vel-
hagen & Klafing, 1894. (X, 171 S. gr. 8.) M. 2. —

Der Verfaffer der drei erften Auflagen (1860, 1863,
1873) hat nach feiner eigenen Ausfage ,kein ftreng wiffen-
fchaftlich-exegetifches Handbuch, fondern einen prakti-
fchen Commentar zu liefern gefucht'. Das gilt in der
Hauptfache auch von diefer vierten Auflage, deren
Herausgeber fowohl die ,dogmatifchen und ethifchen
Grundgedanken', als auch die ,homiletifchen Andeutungen'
der Vorlage ziemlich unangetaftet flehen, dagegen dem
einleitenden Abfchnitte fowie den ,exegetifchen Erläuterungen
' diejenigen Modifikationen angedeihen liefs, welche
den in feinem eigenen, mittlerweile erfchienenen ,Prak-
tifch-theologifchen Kommentar zu den Paftoralbriefen'
entwickelten Anflehten entfprechen. Ausdrücklich namhaft
gemacht find — von einigen Auseinanderfetzungen
mit van Oofterzee's Exegefe abgefehen — diefe Aender-
ungen nur in der allgemeinen Einleitung, wo entgegen
der urfprünglichen Annahme, die Briefe feien zwifchen
der erften und zweiten römifchen Gefangenfchaft und in
der letzteren gefchrieben, vielmehr eine zweite Gefangenfchaft
verworfen, der zweite Timotheusbrief aus der
einen und einzigen Gefangenfchaft zu Rom datirt, der
Titusbrief fammt dem in den erften Timotheusbrief aufgenommenen
Inftructionsfchreiben des Paulus als auf
einer in die epheflnifche Periode fallenden Reife ent-
ftanden, das gleichfalls im erften Timotheusbrief verarbeitete
Lehrfchreiben des Paulus endlich als von dem
in Cäfarea gefangenen Apoftel gefchrieben hingeftellt
wird. Unterzeichneter hat über diefe complicirte Hypo-
thefe fchon anderswo (Theologifcher Jahresbericht 1887,
S. 105 f. 1889, S. 118 f.) gehandelt und fteht ihr heute
noch ebenfo ungläubig gegenüber. Der compilatorifche
Charakter der Pafloralbriefe überhaupt, wie ihn auch
Heffe gemeint hat, läfst fleh allerdings ziemlich einleuchtend
machen (vgl. S. 13 f.), aber im Grofsen und
Ganzen kommt dabei für die Echtheit nichts heraus.
Was über die letztberührte Frage vollends auf den
wenigen Seiten, die ihr hier gewidmet werden, gefagt ift,
will felbftverltändlich nichts befagen. Es wird beifpitls-
weife für die Authentie der Briefe der Kanon des Mura-
tori angerufen (S. 3), aber von der eigenthümlichen Art
ihrer Einführung in demfelben oder gar von dem doch
zur Beurtheilung der Sachlage viel wichtigeren Kanon
des Marcion gefchwiegen. Doch wird ja Niemand hier
eigentliche Belehrung in diefer Richtung fuchen. Anzuerkennen
ift jedenfalls, dafs der Herausgeber, wenn er
auch Privatmeinungen, wie dafs Timotheus ein theolo-
gifches Seminar geleitet hat (S. 87 wie im eigenen Commentar
I, S. 62), dafs Trophimus nicht in Milet, fondern
in Malta zurückgeblieben fei (S. 129 wie I, S. 114 f.) u.A.
nicht unter den Scheffel ftellen wollte, fleh doch in der
Exegefe grundfätzlich an die überlieferte Reihenfolge
der Verfe gehalten und fleh dabei hat genügen laffen,
dem Lefer gelegentlich zu fagtn, wie beifpielsweife die
Abfchnitte I Tim. 1, 3—2, 7 (S. 18. 24. 28. 31) oder 2 Tim.
I, 13 — 2, 2 geordnet fein müfsten (S. 93), oder dafs Tit. I,
7—9. 12. 13 unecht ift (S. 137. 139). Uebrigens ift auch
die Ueberfetzung mit Rückfleht auf die Exegefe revidirt
worden; daher heifst avvnÖTCtxioq ,emancipirt' (S. 137 f.
nach II, S. 244).

Die Erklärung ftimmt nicht immer zu den in den 1
Einleitungen auftretenden Behauptungen. Hier lefen wir 1

z. B. bezüglich der Irrlehrer, dafs ,die Identität derfelben
mit den Gnoftikern des zweiten Jahrhunderts nicht be-
wiefen werden kann' (S. 4), während zu 1 Tim. 6, 20
uvii!}taeiq Tijg iptväovviinv yvtooecog bemerkt wird: ,diefe
Antithefen waren eine Frucht der fälfehlich fogenannten
Gnofls. Es ift bekannt, wie die Gnofis im 2. Jahrhundert
den Inhalt des Evangeliums, welcher die wahre Erkennt-
nifs bringt, zu verflüchtigen drohte. Daher ihre Bezeichnung
hier'. Da mit dem genannten Ausdruck der
Gegnerfchaft des Briefftellers das Recht auf ihren Namen
abgefprochen wird, wird fie eben damit zugleich mit
Namen genannt, und ift daher nicht zu begreifen, wie
darum, dafs der Ausdruck yvüoiq iliEvöwvvuog nicht aus
Hegeflpp entnommen fein kann, ,der letzte Schein eines
Grundes', ihn auf die bekannte Zeiterfcheinung zu beziehen
, hinfällig werde (fo noch B. Weifs in der gleichzeitig
erfchienenen 6. Auflage des Commentars zu den
Paftoralbriefen, S. 21). Auch mit der contextmäfsigen
Beziehung von Tit. 1,16 auf die ,Irrlehrer' (S. 140) dürfte vorliegende
Auslegung vor derjenigen des anderen Erklärers,
der an ungläubige Juden denkt (S. 378), entfehieden im
Rechte fein, während derartige Vorzüge im Einzelnen
doch den gröfseren Schwergehalt des Concurrenzwerkes
nicht aufheben.

Strafsburg i. E. H. Holtzmann.

Preuschen, Erwin, Analecta. Kürzere Texte zur Gefchichte
der alten Kirche und des Kanons, zufammengeftellt
von E. P. (Sammlung ausgewählter kirchen- und dog-
mengefchichtlicherQuellenfchriften, hrsg.von G.Krüger,
8. Hft.) Freiburg i/B., J. C. B. Mohr, 1893. (XVI, 186 S.
gr. 8.) M. 3. -

Derfelbe rührige Theologe, der in Heft 2 und 3 der
Krüger'fchen Sammlung 1891 und 1892 drei Tractate von
Tertullian herausgegeben hat, legt diesmal eine Auswahl
von Documenten zur alten Kirchengefchichte vor, durch
die er fleh mehr Dank als durch jene früheren Ausgaben
erwerben wird. Die zweite, kleinere Hälfte, S. 129—171
umfafst zwölf Actenftücke zur Gefchichte des Kanons,
die erfte S. 3—126 etwa 80 verfchiedene ,Texte' zur
äufseren Kirchengefchichte, refp. zur Gefchichte der
Beziehungen zwifchen Kirche und Staat bis Conftantin.
Da ein innerer Zufammenhang zwifchen den beiden
Hälften nicht befteht, wären fle m. E. praktifcher in zwei
verfchiedenen Heften ausgegeben worden: immerhin wird
es Niemanden, der fleh das Heft um der kanonsgefchicht-
lichen Urkunden willen anfehafft, gereuen, die reichhaltige
und wohlgeordnete Sammlung zur Gefchichte
der Verfolgungen auch zu befltzen. Zu Theil I haben
befonders reichlich beigefteuert Eufeb's Kirchengefchichte,
Lactanz (Preufchen fagt ohne Weiteres: Pfeudo-Lactanz)
de tnortibus persec, Cyprian's Briefwechfel, die Scriptores
historiae Augustae, doch auch Origenes, Tertullian, Tacitus
und Lucian; die kaiferlichen Refcripte von Hadrian bis
Conftantin, die kirchengefchichtlich von Intereffe find,
werden vollftändig mitgetheilt, und die beiden alten Mär-
tyrerverzeichnifse, die als Nr. 22. 23 einen Platz gefunden
haben, wird man fchwerlich für überflüffige Zugaben
halten. Die Anordnung ift eine fehr überfichtliche; auf
ein paar einleitende Texte S. 3—8 folgt 2) Claudius —
Sueton, vita Claud. 25 — 3) Nero 4) Domitian; am aus-
führlichften find Nr. 14 Decius S. 35—60, — wo zuerft
,die Folgen der Friedenszeit vor Decius' an Abfchnitten
aus Cyprian de lapsis und Origenes, dann ,das kaiferliche
Edict und feine Folgen' an noch mannigfaltigeren
Stellen illuftrirt werden, Nr. 17 Diocletian und Galerius
S. 67—80 und Nr. 20 Gefetze, Erlaffe und Briefe Con-
ftantin's S. 95—117. Im Theil II fteht an der Spitze das
Muratorifche Fragment, es folgen acht weitere Verzeich-
nifse der NTlichen Schriften, wie fie auch in Zahn's Gefchichte
des NTlichen Kanons II, 1 S. i—318 gebammelt