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Ausgabe:

1895 Nr. 2

Spalte:

37-38

Autor/Hrsg.:

Leeuwen, J. A. C. van

Titel/Untertitel:

De joodsche achtergrond van den Brief aan de Romeinen 1895

Rezensent:

Holtzmann, Heinrich Julius

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Theologifche Literaturzeitung. 1895. Nr. 2.

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thek von Caefarea entftanden fein wird, mit anderen
Worten: fie vertreten die Pamphilusrecenfion. — Endlich
in V werden, mehr andeutungsweife, die Handfchriften
aufgezeigt, die für Acta und kathol. Briefe die Bedeutung
von KII bei den Evangelien haben, alfo ihren gemein-
famen Typus dem Codex Pamphili verdanken — den
agyptifchen Localtext repräfentiren dort BitAC. Ein
Nachtrag zur II. Abhandlung S. 143 f. (Eigenthümlich-
keiten in der Reihenfolge der Paulusbriefe als Erkennungszeichen
der Yerwandtfchaft von Handfchriften) bildet ;
den Schlufs.

Es ift mir fraglich, ob alle Thefen B.'s fich durchfetzen
werden. Seine Erklärung der Entftehung von
Varianten leuchtet nicht immer ein, z. B. nicht S. J f.
dafs P Apok. 21,8 das devregog weggelaffen haben foll,
weil es feine Vorlagen theils vor, theils hinter 9-avatog
brachten. Das Vertrauen (S. 96), dafs B den Charakter j
der Hefychrecenfion ,im Ganzen und Grofsen bis auf j
Minutien, bis auf die Orthographie' erhalten habe, fcheint
mit nicht genügend gerechtfertigt; von .einem fixirten,
autorifirten Text der heiligen Schriften' wird man fchwer-
lich für irgend eine Kirchenprovinz im Alterthum reden
dürfen, und die Erinnerung daran, dafs .Africa und
Aegypten benachbarte Kirchenprovinzen find' (S. 94),
kann bei Ermittelung der Abdämmung einer Lesart
nichts nützen, denn jene Nachbarfchaft hat nur auf der
Karte beftanden. S. 92 heifst es, wir wüfsten von Hier- |
onymus, dafs in Aegypten die Recenfion des Hefych
anerkannt war: Aehnliches berichtet Hieron. aber nur
von der Septuagintaausgabe des Hefych. Immerhin halte
ich die Abhandlung III für die werthvollfte: Die Hand-
fchrift B fcheint mir in der That von Bouffet an den
rechten Platz geftellt zu fein; die Frage, ob Hefychius
oder ein anderer Aegypter für ihren Text verantwortlich
ift, ift relativ gleichgültig. Auch die Claffificationen
in 1 bedeuten einen unzweifelhaften Fortfehritt, und
glückliche Beobachtungen diefer Art fehlen in keinem
Theilc des Buches. Woran ich noch nicht glaube, ift
die Ex ftenz einer Pamphilusrecenfion; nirgends wird uns
Pamphilus als felbftändiger Emendator der Bibel vor-
geltcllt; er ift Abfchreiber und Corrector gewefen, und
feint Bibeln mögen weithin verbreitet worden fein, aber
fie enthielten nicht feinen Text, fondern den von Ori-
genes überkommenen. Dafs gerade die heute in Jerusalem
und auf dem Sinai fich findenden Minuskeln die
Ausficht bieten follen, bei Reconftruction des Pamphilus-
textes Dienfte zu leiften, ift doch wenig wahrfcheinlich;
fo correct werden fich die Recenfionen von ca. 300 nicht
in ihren Urgebieten gehalten haben. Die Ueberfetzungen
wünfehte ich bei der Unterfuchung B.'s ftärker herangezogen
, auch die Citate bei den theologifchen Schrift-
ftellern in den .Kirchenprovinzen', und im Allgemeinen
wäre mehr Skepfis in Bezug auf Refultate angebracht.
Aber der Proteft B.'s gegen die bisherige Unterfchätzung
der Minuskeln wird bald von Jedermann angenommen
fein; die Defiderien, die er S. 1341. für Weiterführung
der Textftudien aufftellt, beweifen, dafs er weifs, was
noth thut; und nach diefem Beitrag trauen wir ihm den
Muth und die Kraft zu, uns der Löfung einet nie ganz
zu erledigenden Aufgabe näher zu führen.

Die Erörterungen über orthographifche Eigenthüm-
lichkeiten und Provinzialismen S. 102—HO werden hoffentlich
bei den Philologen, die fich für folche Dinge inter-
effiren, Beachtung finden.

Marburg. Ad. Jülich er.

Leeuwen, J. A. C. van, De joodsche achtergrond van den
Brief aan de Romeinen. Proeffchrift. Utrecht, Breijer,
1894. (IX, 135 S. gr. 8.)

Wie vor vier Jahren Schnedermann ,über den jüdi-
fchen Hintergrund im Neuen Teftament' überhaupt ge-
fchrieben hat, fo behandelt jetzt ein angehender Theologe
aus der Utrechter Schule fpeciell den Römerbrief
unter fteter Berückficlitigung der entgegenftehenden Thefe
C. van Manen's (Paulus II, 1891), wonach diefer Brief
nur als eine gnoftifirende Ueberarbeitung einer viel kürzeren
Paulusfchrift zu begreifen ift und in feiner gegenwärtigen
Geftalt unmöglich von einem geborenen Juden
herrühren kann. Gelegentlich einer Befprechung diefes
Buches hatte der Unterzeichnete das Grundübel einer
folchen Kritik darauf zurückgeführt, dafs fie über der
Verwandtfchaft mit der Gnofis diejenige mit der Synagoge
überfieht (f. Jahrg. 1892, S. 227, vgl. unfere Schrift
S. 16). Eine gründliche Durchführung und allfeitige Be-
ftätigung diefes Urtheils liefert der Sohn des Utrechter
Theologen E. H. van Leeuwen in vorliegender Doctor-
Differtation. Diefelbe behandelt zuerft die directen Aus-
fagen des Briefftellers bezüglich feiner jüdifchen Nationalität
(S. 23—30), dann feine Beurtheilung der Heiden
(S. 30—38) und der Juden. Der Schwerpunkt der Betrachtung
ruht auf diefem Abfchnitt, welcher die Juden
im Allgemeinen (S. 39—49), die Bedeutung des Gefetzes
infonderheit (S. 49—98), endlich Israel und Chriftus
(S.98—109) behandelt, worauf in einem letzten Abfchnitte,
überfchrieben .Sprache und Stil', meift nach Schöttgen
und Delit/.fch die zahlreichen Analogien und Parallelen
aufgezählt werden, welche die ältere rabbinifche Literatur
auch in formaler Beziehung liefert, während Weber's bekanntes
Buch auch fchon zur fachlichen Erklärung des
Briefes reichliche Ausbeute lieferte.

Die Berechtigung zu einer derartigen Verwendung
und Verwerthung diefer Literatur ift bei uns ftark angefochten
. Unferes Erachtens kommt dabei Alles auf die
Tragweite der Beweiskraft an. welche man dem Zufam-
mentreffen im Ausdruck und Gedanken beimifst. Abhängigkeit
des Paulus von rabbinifcher Lehrweife könnte
höchftens in einzelnen, befbmmt angezeigten Fällen nach-
gewiefen werden. Darum ift es aber ein keineswegs über-
flüffiges, fondern im Gegentheil fehr verdienftliches Unternehmen
, die Fälle des Zufammentreffens in möglichft
vollftändiger Weife zu fammeln. Denn jede folche Erwägung
trägt das Ihrige bei zur Confolidirung des Ge-
fammturtheils, dafs folcherlei Gedankenbildungen, Ideen-
affociationen und Ausdrucksmittel auf dem Boden des
Judenthums, meift auch nur auf diefem, möglich waren.
Ausgefchloffen erfcheint demnach die Zurückführung des
betreffenden Schriftflückes auf griechifche Autorfchaft,
und mehr will wenigflens unfer Verfaffer nicht beweifen.

Jedes Eingehen in Einzelheiten würde uns in die
Probleme der Exegefe des fchwierigften Schriftflückes
im N. T. führen. Die Commentatoren werden jedenfalls
Anlafs finden, fich manche der hier gegebenen Auf-
fchlüffe näher zu befehlen oder fich mit der Exegefe des
Verfaffers auseinanderzufetzen. Beifpielsweife zeigt diefelbe
abermals, wie die Frage nach der öiv.cuoovvr) l>eov
nicht zur Ruhe kommen will. Es ift ja wahr, dafs es
immer einen Entfchlufs koftet, diefen Begriff 3, 21. 22
anders verftehen zu follen, als fofort 3, 25. 26 im gleichen
Zufammenhange (S. 56), und dafs, wenn er 10, 3
fo verftanden werden will, wie man ihn gewöhnlich nach
Mafsgabe von 1, 17. 3^21. 22 fafst, von einem vnoTavhvat
zrj dtxaioovvj) rov O-iov nur vermöge einer gewiffen Härte
und Gezwungenheit der Begriffsbildung gefprochen werden
kann (S. 104). Wenn nun aber unfer Verfaffer die
von ihm auch in die eben angegebenen Stellen einge-
; führte Faffung des Genitivs als Gen. subjecti daraus er-
j klärt, dafs nach altteflamentlichem Begriff die Gerechtig-
! keit Gottes in feinem Handeln gemäfs der von ihm felbft
j gegebenen Norm bettehe (S. 58f.), fo fetzt das eine Unter-
fcheidung in Gott voraus, die der altteftamentlichen
Frömmigkeit doch fchwerlich geläufig fein konnte; vgl.
Smend, Lehrbuch der altteftamentlichen Religions-
gefchichte, S. 422 f. — Höchft ärgerlich wirken bei der
Leetüre die maffenhaften Druckfehler in der Accentuirung.
Strafsburg i. E. H. Holt zmann.