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Ausgabe:

1895 Nr. 21

Spalte:

531-533

Autor/Hrsg.:

Clemen, Aug.

Titel/Untertitel:

Der Gebrauch des alten Testaments in den neutestamentlichen Schriften 1895

Rezensent:

Weiffenbach, Wilhelm

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Theologifche Literaturzeitung. 1895. Nr. 21.

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zwei unbefchriebene Zeilen, dann zwei befchriebene,
unleferliche (fie mögen etwa, wie in L, die Worte enthalten
haben, cpegexai nov y.ai xavxa, da diefe den Raum
gerade ausfüllen); dann folgt Col. 1 Z. 30—Col. 2 Z. 15
der kürzere Marcusfchlufs, wefentlich wie in L: [navxa]
de xa [nagrßyyeXueva xntg ntgi xov [nexgov] avvxouaig
e^yyeiXav uexa de xavxa xai avxog o 7a eqiavrj avxoig
(diefe beiden Worte ftehen in L nicht) an avaxoXrjg xov
TjXinv yai aygi dvaeiog eigeneaxeiXev 01 avxiov xo legov
v.ai aipS-agxov xtjgvyiia xijg aitoviov acoxrjgiag aiirjV. Nun
folgen fechs Zeilen (ZZ. 16—21). Auf der erften ftand
entweder nichts (nur kleine Schlangenlinien als Verzierungen
) oder in der Mitte derfelben drei Buchftaben
(nach dem Facfimile läfst fich das nicht ficher ent-
fcheiden, da die auf dem Verfo flehende Zeile 16 ,eg
avxiov 5T£' zu fehr durchfchlägt); die fechfte war jedenfalls
unbefchrieben, wie man deutlich erkennt, wenn man das
Facfimile gegen den Spiegel hält; es fchlagen nur die I
Worte des Verfo ,vmg eig aygö' durch. Was aber die
vier mittleren Zeilen (17—20) enthalten haben, ift leider
unleferlich. Dem Räume nach kann fehr wohl das hier
geftanden haben, was in L fleht (eaxrjv de y.ai xavxa rpe-
goutva iiexa xo). Amel. bemerkt: ,cette remarque se
trouves en termes a peu pres semblables en d'autres mss.;
malheuresement, eile est completement illisible en certains
passages, par snite des preparations qu'il a fallu faire
subir au parchemin avant de le faire entrer dans le volume
dont il fait partie'. Auf dem Facfimile fchlagen lediglich
die Buchftaben der anderen Seite durch. Darin weicht
unfer Mf. aber von L ab, dafs es den achten Vers von
tlyev yäg an (Z. 22—27) wiederholt und nun auf einer
neuen Zeile (28 der 2. Columne) den längeren Marcusfchlufs
bringt. Varianten find folgende zu verzeichnen:
in v. 9 fehlt ngio'i, v. 11 e/.eivoi (ohne de oder y.ai), v. 13 1
giebt Amel. ,avnnig' (1. Columne des Verfo Z. 25); das
ift gewifs nur falfche Lefung für ,Xvnoig' = ,Xnuioigl;
v. 17 nagay.nXovtlrjOEt, xavxa; v. 17 exßaXovaiv; v. 17 yXwö-
aaig XaXi'aoi aiv y.cavaig orn. v. 18 [x]n[<] ev zeug reg[aiv
oipeig agpvaiv. Die Handfchrift ift fomit ein neuer Zeuge
für die Faffung der Schlüffe des Marcusev., wie wir fie
in L. finden.

Noch bemerke ich, dafs das erfte Mf. den Vers Luc.
24, 12 bietet, ferner 22, 61 gedankenlos xfft vfivrjaev 0
7iexQog xov grjpiatog. Wichtig ift, dafs Luc. 23, 34a fehlt!
In Luc. 24, 1 hat das Mf. aufser dem Zufatz y.ai xivtg
aov avratg auch den anderen mit De fah eXnyilovxo de
ev eavxaig xtg aga unoy.vXian xov XilXov.

Berlin. A. Harnack.

Clemen, Prof. Lic. Dr. Aug., Der Gebrauch des alten
Testamentes in den neutestamentlichen Schriften. Gütersloh
, Bertelsmann, 1895. (IV, 252 S. gr. 8.) M. 3. 60

Die erfte Hälfte diefes Buches (p. 1—113) — enthaltend
: Einleitung und Gebrauch des A. T. in den Reden
Jefu fowie bei den Evangeliften — ift fchon in zwei Programmen
der Grimmaer Fürften- und Landesfchule publi-
cirt und vom Ref. in diefer Lit.-Ztg. (1894, Nr. 23, Sp. 577
bis 579) des Näheren befprochen worden. Dem dort
ausgefprochenen Wunfche, Verf. möchte die beiden ifo-
lirten Abhandlungen zufammenfügen und event. feine 1
Unterfuchungen auf das übrige N. T. ausdehnen, ift Cl.
fomit nachgekommen, bedauerlicherweife aber nicht dem
anderen einerRevifion feiner Betrachtungsweife und einer
Neubearbeitung feiner Ausführungen. Cl. meint, feine
hermeneutifche Methode (fammt ihren Refultaten)
habe fich ihm ,durch langjähriges Studium in ebenfo
freier wie durch das göttliche Wort gebundener Prüfung'
als richtig und wohlbewährt erwiefen (p. IV); und, da
nun ,feine Stellung zu der Frage inzwifcfien keine andere
geworden'fei, fo fei Alles ,im wefentlichen unverändert'
geblieben (p. III). Der Verf. vergifst nur über der Be- |

tonung des hiermit angedeuteten fchriftftellerifchen
Rechtes die ebenfo zweifellofe Pflicht eines Autors,
fich mit den von einer rein fachlichen Kritik gelieferten
triftigen und unwiderlegt gebliebenen Einwendungen
gegen feinen Standpunkt ernft und redlich auseinander-
zufetzen. Und da er das unterlaffen hat, fo kann auch
Ref. nur auf feine früheren Einwendungen zurück-
verweifen.

Der neu veröffentlichte Inhalt des Cl.'fchen Buches
gliedert fich in die Abfchnitte: III. Der Gebrauch des
A. T. in der Apoftelgefchichte (p. 113—136), IV. —

— in den katholifchen Briefen (p. 136—158), V.--

in den paulinifchen Briefen (p. 158—224), zu denen
ohne Weiteres auch die Deutero-Paulinen und — mit
wenigftens einer leifen kritifchen Gewiffensregung, p. 159,

— die Paftoralbriefe hinzugenommen find, VI.--im

Hebräerbrief (p. 225—250), und läuft aus in einen Epilog
(p. 250—252). Die Apokalypfe bleibt unberückfichtigt,
weil fie zwar ,ganz an die Weisfagungen und typifchen Vorbilder
des A. T. fich anfchliefst', aber doch ,kein einziges
förmliches a. t. Citat' enthält (p. III u. 250). Auch in diefen
neuen Theilen der Schrift ift durchweg die früher (f. o.)
vom Ref. eingehend dargeftellte und kurz widerlegte fog.
,pneumatifche' oder,biblifch- organifche' Auffaffung
des A. T., welche — von dem blofs gefchichtlichen zu
einem idealen, den ,ewigen Gehalt' des a. t. Gottes-
wortes hervorhebenden Sinn auffteigend — eine gottgewollte
und -gefügte Abzielung des a. t. Schriftwortes
auf Chriftus und fein Reich' und andererfeits ein
Begleitetfein der n. t. Autoren durch den ,erleuchtenden
Gottesgeift' bei ihren Citirungen aus dem A. T. feilhält
, durchgeführt. Der n. t. Schriftfteller ,fieht in der
a. t. Gefchichte die Hand Gottes walten, die in Per-
fonen und Ereignifsen nicht blofs für die damalige Zeit,
fondern auch für die Zeit des Neuen Bundes die
Gedanken Gottes verwirklicht' (p. 238).

Die fchon früher theoretifch und an draftifchen Bei-
fpielen nachgewiefene Unhaltbarkeit diefes fchliefslich
zu Eintragungen u. a. Gewaltthätigkeiten gegen den a.
und n.t.Text führenden Standpunktes tritt in den neuen
Buchtheilen in ein noch helleres Licht, weil die bei aller
Freiheit der Bewegung fo keufche und zurückhaltende
Art, wie Jefus das A. T. benutzt, in der Apoftelgefchichte
und den n. t. Briefen, insbefondere den paulinifchen und
dem an die Hebräer (nicht feiten einer geiftreichen Willkür
, ab und zu auch einmal (gegen Cl. und doch bei
ihm felbft, p. 213. 214) einer ,rabbinifirenden oderalexan-
drinifch-jüdifchen Argumentationsweife' Platz gemacht
hat. Noch mehr als früher tritt fomit das Recht unferer
Bemerkung, die Anführung a. t. Schriftftellen im N. T.,
insbefondere bei Paulus, fei fall durchgehends — das
1. Evangelium etwa ausgenommen — weniger im Sinne
einer eigentlichen Beweisführung als einer freien und
geiftreichen Illuftrirung der dem chriftlichen Bewufst-
fein von vornherein feftftehenden Wahrheiten
gemeint und zu nehmen, klar zu Tage.

Nur einige wenige Beifpiele mögen das bisher Ge-
fagte erhärten! Sowohl Petrus (I, 2, 3—6) als Paulus
(Rom. 9, 33) folgen bei Wiedergabe der .meffianifchen'
Stelle Jef. 26, 16 (und 8, 14) — Chriftus der erlefene
Eckftein — weder dem Grundtexte noch den LXX genau,
fondern ,nehmen aus beiden Stellen die Worte heraus',
welche ihnen ,für ihren Zweck (sc. den Eckftein kurz
und treffend zu charakterifiren) paffend und dienlich
erfchienen (p. 145. 173, und letztere Phrafe öfters). Beweisführung
oder Illuftration? Rom. 10,6 ff. (Chriftum vom
Himmel herunterholen u. f. w.)hat, während z. B. Kautzfeh
hier die Citationsweife ,von dem Geift und Wortlaut der
Grundftelle weit abliegend findet', nach Clemen der
Apoftel die Stelle Deut. 30, 11 —14 in .fachlich gerechtfertigter
Anwendung' als eine erfüllte Weisfagung
des A. T. auf das Neue angeführt' (p. 175), obgleich
P., als Vertreter der Glaubensgerechtigkeit, zweimal