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Ausgabe:

1895 Nr. 20

Spalte:

510-512

Autor/Hrsg.:

Staerk, Willy

Titel/Untertitel:

Der Deuteronomium, sein Inhalt und seine literarische Form. Eine kritische Studie 1895

Rezensent:

Siegfried, Carl

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509 Theologifche Literaturzeitung. 1895. Nr. 20. 510

hatte, die für die femitifchen Sprachen fo charakteriftifch
find: denn das Sumerifche braucht ja diefelben Zeichen
wie das Affyrifch-Babylonifche. Sind denn die Griechen
Semiten und fchreiben fie eine Kunftfprache, die fich
allmählich aus der der Phönizier entwickelt hat, weil fie
das Zeichen 0 verwenden, das bei den Phöniziern den
,fpecififch-femitifchen' Laut / ausdrückt? DenktMcCurdy
gar nicht an die Möglichkeit einer Umwerthung der Lautzeichen
und daran, dafs diefe nothwendig wird, wenn fich
ein Volk bei der Uebernahme eines Schriftfyftems von
einem fremden Volke mit anderer Sprache nicht zu I
Neufchöpfungen verftehen will? Wer fagt uns, dafs unfere ;
Sumerer z. B. ein Zeichen, für das die Babylonier ka
fprachen, nicht ga oder ka lafen? Wer fehen will, der
lieht, dafs in den alterten babylonifchen Texten die
Schreiber noch mit einem fremden Schriftfyften zu ringen
haben. Errt fpäter gelangte man zu einem, den Bedürf- -
nifsen einer femitifchen Sprache adaptirten, feiten Syftem, '.
das aber bis zu einem gewiffen Grade immer im Fluffe
blieb. Für McCurdy giebt es alfo keine fumerifche
Sprache und darum auch keine fumerifche Cultur, obwohl
die Texte ganz ausdrücklich von einer Sprache von I
Sumer reden, ebenfo wie von einer akkadifchen. Sumer j
wird als das Land einer beftimmten Sprache bezeichnet, j
unter der wir doch kaum etwas Anderes als die nicht-
femitifche Sprache der Schrifturkunden aus Babylon und |
Niniveh verftehen können. Glaubt McCurdy wirklich,
dafs man in Sumer, wenn auch nur in den Kreifen der j
Upper ten ftatt babylonifch ein Volapük gefprochen hat?
Die antifumerifche Gefinnung läfst es McCurdy als
ficher erfcheinen, dafs der Name eines bekannten füd-
babylonifchen Königs ftatt Gu-de-a vielmehr Nabu zu
lefen ift. Das ift möglich. Eine etwas ausgedehntere
Leetüre hätte McCurdy aber verhindern müffen, den j
Namen lisagila (Esak(k)i/a) für den berühmten Marduk-
tempel von Babylon zu eliminiren und dafür Bit elü ein- I
zufetzen (p. 141.150). Die Varianten E-sak-kil und E-sak j
-ki-la(Z. f. Affyr. III, 147) für gewöhnliches ideographifches j
E-sak-il beweifen, dafs die Affyro-Babylonier Esak(k)ila
oder EiaklkU/a fprachen. Dies beftätigt dazu noch die
aramäifche Transfcription des babyl. Perfonennamens Mar
-E-SAK-IL-Ittmur: "labsona. Zu dem 5 für k f. Z. f. Affyr.
VII, 174-

Ich habe nicht mehr viel Platz, kann mich daher
nur noch über wenige Einzelheiten äufsern.

Die Annahme, dafs die Stadt ASSttr von Babylonien
aus gegründet worden ift (p. 23), ift zwar alt, aber darum
nicht preislich. Denn Genefis X ift kein hiftorifches
Document. Wir wiffen über die Anfänge der Stadt
Asiiir und des Reiches Affyrien Nichts.

Auf p. 109 fpukt wieder der Löwengott Ner{i)gal
(der Löwe heifst girgal), auf derfelben Seite und p. 118
die von ihrem Urheber gewifs längft aufgegebene De-
litzfch'fche Paradiefeshypothefe.

Für Ur-Gur kann nicht vielleicht Amel-Ea gelefen
werden (p. 118), da GUR nicht EaCf), fondern feine Mutter
67«;- bezeichnet.

In Ezra 4, 9 ift nicht von Arkäern (p. 119), fondern
von iians der Babylonier und Sufier etc. die Rede. Mit
diefen 113-lX find die perfifchen («iD1B[8]) Richter (KW),
Gefandten (SiDnonBS) (f. Hoffmann in Z. f. Affyr. if, 55)
und(?) Xi'3S?nrj,(=>ä^//ar«'??); cf. targum. S33"JnS = tabella-
rius) alfo .Beamte, Behörden' gemeint. Darf man darin
*ctoyni für ctnyal, fehen? Cf. fyr. coftvirC* für oorÄHrC*.

Auf p. 125 finden wir die unausrottbare Etymologie
,Hochland' für Elamtu wieder, das nach dem Affyrifchen
{tllamu = ,Vorderfeite'), nur ,Vorderland' d. i. .Oftland'
heifsen kann. Verwandt ift wohl D312>, falls = D~3iy mit
urfprünglicher Bedeutung ,vorne' = ,ehemals'.

Die allgemeine, aber unbewiefene Annahme, dafs der
Humbaba des Gi/gamis-epos Tyrann von Erech (f. p. 127)
war. ift unmöglich, da man laut dem Epos von Erech

aus zu ihm hin einen Weg von mindeftens (20 4- 30)
Doppelftunden zu machen hatte, und er in einem Lande
wohnte, wo es wenigftens einen Berg gab. Er refidirte
wohl in Sufa. Das ift ein weiterer für die Deutung der
Eftherlegende wichtiger Zug.

Auf p. 128 begegnen wir dem guten alten Bekannten
Erim-Aku = YVHit Das ift aber nur fein ihm von
Affyriologen angehängtes Pfeudonym, von dem nur ritn
auch feinem richtigen Namen mit Sicherheit angehört.

Ein babylonifcher Stadtname Kttbmu (p. 132) exiftirt
nicht. Die Variante Kul-la-ab (wofür V R 41, 14 Kül-
la-bd) für KöL-unu (II R 50, 61 f.) lehrt die Ausfprache
Kullab{a). Lies alfo in Gen. X, 10 ftatt mb3 na!»?

Nicht wundern darf es uns, dafs McCurdy wie
manche Andere kein Bedenken trägt, allen Ernftes in
bölttS die Trümmer von Sinntuballit, dem Namen des
Vaters Hainmurabi's zu finden (p. 136), oder dafs er, obwohl
es zur Zeit, wo, Gen. II, 13 niedergefchrieben ward,
in Babylonien keine Kassl mehr gab und es nie ein
Land Kai gegeben hat, in dem ©13, das der Gihon um-
fliefst, ein babylonifches *Kas fieht (p. 143).

Mit Sayce nimmt er ohne Weiteres an, dafs die
fyrifch-anatolifchen Bilderinfchriften von den .Hittitern'
flammen. Referent glaubt annehmen zu dürfen, dafs der
Abfchnitt über die Hittiter (p. 190ff.) anders ausgefehen
hätte, falls der Verfaffer feine Arbeiten in Z.D.M.G. über
die fog. hittitifchen Infchriften fchon hätte benutzen
können.

Dafs das nordfyrifche Musri der Phantafie in diefem
Buche noch fein Wefen treibt (p. 273, 409 und Karte),
war vorauszufehen. S. dagegen Berliner philolog.
Wochenfchrift 1894, Nr. 7, p. 212 f. und W. M. Müller
in Z. f. Affyr. VIII, 209 ff., woraus hervorgeht, dafs auch die
Musräer, die an der Schlacht bei Karkar theilnahmen,
Aegypter waren. Ob die ebenfalls mitkämpfenden Guäer
aus Kue flammten, ift durchaus fraglich. Wer die Namen
von Gen. XIV für z.Th. ftark corrumpirt halten mag — doch
warnt der gut elamitifche Name -foyb"H3 davor — mag
in nilJ Guäer, in 103X Alasia-Alasa im nördlichen Syrien
am Meere (f. die Karte bei W. M. Müller, Afien
und Europa und ebendort p. 394 u.) und in -|?:© das
Land Zinzar in Syrien finden.

Zu der Azarjah-Azriaufrage darf ich vielleicht
auf Berl. phil. Wochenfchrift 1894, Nr. 7 (p. 212) hinweifen
. Ufw.

McCurdy hätte wohl manche Irrthümcr vermieden,
falls er fich noch etwas mehr umgefehen hätte. So z. B.
hätte er unbedingt W. M. Müller's Afien und Europa
ausfchlachten müffen. Dann hätten p. 161 f. ein ganz anderes
Ausfehen bekommen. In Manchem hat er lediglich geirrt,
weil kein Menfch alle Vorurtheile abftreifen kann.

Noch bemerken möchte ich, dafs der Auffatz in
Z. f. Affyriologie VII, 328fr., den McCurdy auf 143
citirt, von C. Lehmann, nicht von mir herrührt.

Trotz der genannten und anderer Irrthümer, die aber
vielleicht weniger zahlreich find, als in manchen mit den
Anfprüchen höchfter Wiffenfchaftlichkeit auftretenden
Werken, müffen wir das McCurdy'fche Buch, weil im
Wefentlichen auf folider, befonnener und felbftändiger,
nicht nur reproduetiver Arbeit beruhend, doch als werth-
voll und nützlich bezeichnen.

Marburg- P. Jenfen.

— - ■

Staerk, Lic. Dr. Willy, Der Deuteronomium, fein Inhalt
und feine literarifche Form. Eine kritifche Studie.
Leipzig, Hinrichs, 1894. (VII, 119 S. gr. 8.) M. 4.—

Die auffallende Erfcheinung, dafs im Deut. Abfchnitte,
in denen die Hörer als ein Collectivum mit ,Du' angeredet
werden, wechfeln mit folchen, in denen ,Ihr' zu ihnen
gefagt wird, hat auch fonft die Aufmerkfamkeit der Kritiker
erregt. So hat ziemlich gleichzeitig mit der oben