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Ausgabe:

1895 Nr. 19

Spalte:

500-501

Autor/Hrsg.:

Spurgeon, C. H.

Titel/Untertitel:

Die Kunst der Illustration. Vorlesungen, vor den Studenten seines College gehalten. 2. unveränderte Aufl 1895

Rezensent:

Mosapp, Hermann

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499 Theologifche Literaturzeitung. 1895. Nr. 19. 500

Nr. 6) angezeigt habe, ift erfreulicher Weife eine neue
Auflage nöthig geworden. Diefelbe ift eine gänzlich umgearbeitete
und wefentlich vermehrte. Während die erfte
Auflage nur 275 Seiten umfafste, wozu als Anhang
12 Reden kamen, erfcheint nun der Anhang, der 22 Reden
enthält, felbftändig; das Lebensbild felbft aber ift auf
520 Seiten, alfo nahezu auf das Doppelte angewachfen.
Und diefe Vermehrung ift als eine entfchiedene Ver-
befferung zu bezeichnen. Zwar ift die Verfafferin bei
dem früheren Verfahren geblieben, wornach fie nicht
eine künftlerifch abgerundete Biographie zu fchreiben
verfuchte, fondern Robertfon's Lebensgang, Charakter
und Wirkfamkeit durch eine grofse Anzahl von Auszügen
aus feinen Briefen und andern Werken von ihm
veranfchaulichte und diefe Auszüge nur durch einen
kurzen erläuternden und die wichtigften Thatfachen berichtenden
Text mit einander verband. Aber ich fehe
fchon darin eine Verbefferung, dafs diefer Text nunmehr
von Robertfon's eigenen Ausführungen auch durch den
Druck klar unterfchieden ift. Befonders aber ift durch
die Vermehrung des Materials über fo manchen Punkt
gröfsere Klarheit verbreitet und ein tieferer Einblick in
Robertfon's äufseres und inneres Leben ermöglicht worden
. Ich will nur Eines erwähnen. Mancher hat fleh
wohl fchon gefragt — und diefe Frage wurde befonders
durch die Vergleichung mit Kingsley's Lebensbild
nahegelegt —: Warum hört man denn fo wenig
oder nichts von Robertfon's ehelichem Leben? In der
neuen Auflage wird nun auf S. 52 f. eine Andeutung
gegeben, die, fo kurz und zurückhaltend fie ift, über
diefen Punkt doch volles Licht verbreitet. Ebenfo findet
fich an andern Stellen manche werthvolle Bereicherung
deffen, was früher geboten wurde. — Das Lob, das ich
feinerzeit der Ueberfetzung gefpendet habe, mufs ich
wiederholen. Die fchwierige Aufgabe ift mit grofser
Gründlichkeit und feinem Verftändniis gelöft.

Dafs auch Robertfon's ,Expository Lectures' über
die Korintherbriefe dem deutfchen Publicum zugänglich
gemacht worden find, ift mit Dank zu begrüfsen. Es
find dies 60 Reden, die er vom 1. Juni 1851 bis zum
29. Mai 1853 vor feiner Gemeinde in Brighton am
Sonntagnachmittag (nur einige wenige find Morning
Sermons) gehalten hat und die nach feinem Tode veröffentlicht
worden find. Sie find nicht alle von gleichem
Werthe. Robertfon fchrieb feine Predigten nicht vorher
nieder, fondern entwarf nur mehr oder minder ausgeführte
Skizzen. Nun (fanden zwar dem Herausgeber, aufser
diefen Notizen von feiner Hand, vielfach Nachfchriften
und Notizen anderer zu Gebote. Aber es ift begreiflich,
dafs diefes Material für die einzelnen Fälle ein fehr un-
gleichmäfsiges war, und fo fehlt es nicht an Reden, die
einen unbefriedigenden Eindruck machen, während bei
anderen wenigftens einzelne Theile eine mangelhafte oder
unvollftändige Ausführung zeigen. Auch darf man nicht
erwarten, dafs in diefen Reden eigentliche Exegefe, wenn
auch unter praktifchen Gefichtspunkten, getrieben werde,
fo dafs alles Einzelne erläutert und jede Schwierigkeit
für das Verfländnifs zu heben verfucht würde, wie es bei
uns in Bibelftunden zuweilen gefchieht. Es kommt
Robertfon vielmehr darauf an, überall die Gedanken
und Grundfätze, von denen der Apoftel fich leiten
läfst, ins Licht zu ftellen und das Allgemeingiltige, auch
für unfere Zeit noch Mafsgebende in ihnen hervorzuheben.
Aber gerade darin ift er ja Meifter, und es findet fich in
diefer Hinficht auch in den vorliegenden Reden eine
Fülle von feinen Beobachtungen und trefflichen Fingerzeigen
, die werthvoll und anregend find, auch wo man
etwa die zugrundeliegende Exegefe für anfechtbar hält.
— Der Ueberfetzung kann ich auch in diefem Fall im
allgemeinen Anerkennung zollen. Doch fehlt es hier nicht
ganz an Mifsverftändnifsen und Unklarheiten. Ein ftarkes
Mifsverftändnifs ift uns z. B. auf S. 108 begegnet, wo der
im Original nicht enthaltene Beifatz ,infpirirt' das gerade
Gegentheil von dem fagt, was der Verfaffer fagen
will, und im völligen Widerfpruch mit den auf der folgenden
Seite richtig wiedergegebenen Sätzen fteht. Wenn
ferner auf S. 109 von der Ehe gefagt ift, ,es bewähre
fich bei ihr die Kraft, das Recht zu wechfeln abzuleugnen,
das fefte unerfchütterliche Wollen bei der Hingabe feiner
Freiheit', fo mufs ich fragen: Wer foll das verftehen und
was foll das heifsen? In Wirklichkeit ift davon die Rede,
dafs man bei Schliefsung der Ehe von der Macht Gebrauch
mache, auf das Recht eines Wechfels (in feinen
Zuneigungen) zu verzichten (tlie power of abnegating the
right of change), fich feiner Freiheit zu entäufsern {of
parting with his freedom), etwas zu thun, was nicht
mehr rückgängig gemacht werden könne. Es mufs übrigens
zugegeben werden, dafs gerade die Rede, der diefe
Stellen entnommen find, befondere Schwierigkeiten bietet.
Im allgemeinen ift die Darftellung klar und flüffig und
giebt das Original in verftändlicher und anfprechender
Weife wieder.

Augsburg. J. Hans.

Spurgeon, C. H., Die Kunst der Illustration. Vorlefungen,
vor den Studenten feines College gehalten. Autori-
fierte Überfetzung von E. Spliedt. 2. unveränderte
Aufl. Heilbronn, Kielmann, 1895. (VIII, 128 S. gr. 8.)

M. 1. 80

Es ift ein verdienftvolles Unternehmen eines jungen,
aufftrebenden Verlegers, diefes opusposthumum Spurgeon's
auch deutfchen Predigern zugänglich gemacht zu haben.
Denn der denkende Lefer erräth natürlich, dafs die

j Illuftration der Predigt durch Bilder, Gleichnifse, Erzählungen
u. f. w. geineint ift. Es find fieben Vorlefungen,
die auf Grund forgfältiger ftenographifcher Aufzeich-

I nungen hier in der Form gegeben find, wie fie S. zum
letzten Mal vor feinen Studenten gehalten hat — theil-
weife fogar noch von ihm felbft revidirt.

Die erfte Vorlefung giebt allgemeine Regeln über
den Gebrauch der Illuftration in der Predigt; die zweite
eine Sammlung einer ganzen Reihe von Erzählungen,
die von berühmten englifchen Predigern, von Latimer
bis auf Moody, auf der Kanzel gebraucht worden find;
die dritte behandelt den mannigfaltigen Nutzen von Ge-
fchichten und Illuftrationen; die vierte will den Hörern
den Blick fchärfen dafür: wo können wir Gefchichten
und Illuftrationen finden; die fünfte giebt wieder eine
ausgedehnte Sammlung von folchen, wie fie fich für die
Predigt förderlich verwerthen laffen; die fechfte enthält
einen Gang durch die Literatur und macht die Bücher
namhaft, die Fabeln, Sinnbilder und Parabeln enthalten;
die fiebente endlich macht den Anfang damit, die Wiffen-
fchaften als Quellen der Illuftration nutzbar zu machen
und behandelt davon noch die Aftronomie — weiter ift
der Verfaffer nicht mehr gekommen, ehe er feinen Weg
,über die Sterne' gegangen ift.

Was wir an allen Werken Spurgeon's bewundern, ift
diefem Bändchen in hervorragendem Mafse eigen: die
Kraft der Originalität, die in Columbusart oft einen Gedanken
, auf den hundert Andere auch hätten kommen
können, aber eben nicht gekommen find, ausfpricht, und
die felbft das, was fie von anderen benutzt, in felb-

! ftändiger Weife zu verwerthen weifs; die ganz erftaun-
liche Belefenheit in der Literatur und Vertrautheit mit
Gebieten, die fonft abfeits von der Heerftrafse der
durchfchnittlichen Allgemeinbildung liegen — dies tritt
namentlich bei dem letzten, aftronomifchen Abfchnitt
hervor, der fich ftellenweife lieft wie eine populär-aftro-
nomifche Vorlefung eines F"achmannes —; die Kunft
alles, was ihm im Leben und im Lefen begegnet, für
die Predigt nutzbar zu machen, alles fozufagen zu betrachten
sub specie sermonis. Und dies letzte ift es, weshalb
wir hauptfächlich das kleine Buch allen Predigern