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Ausgabe:

1895 Nr. 19

Spalte:

497-498

Autor/Hrsg.:

Zweynert, Emil

Titel/Untertitel:

Luthers Stellung zur humanistischen Schule und Wissenschaft 1895

Rezensent:

Cohrs, Ferdinand

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Seite 1

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497 Theologifche Literaturzeitung. 1895. Nr. 19. 498

vorgeworfen: in every particular it findeth Hini [Chriftus]
to be a crcature even as do the Jews and Iieathen; in
Wirklichkeit heifst es S. XCIX: in jeder Hinficht ftellt
es fich als jüdifch und heidnifch geworden heraus.

Sehr dankenswerth ift im Anhang zur Einleitung die
Zufammenftellung der biblifchen Citate. Aber gleich
das erfte S. 2 ftimmt mehr zu Lc. 6, 47 als Mt. 7, 24 ff.

die Begriffe ,religiös' und .theologifch' bezw. ,Reich
Gottes' und /Theologie' nicht klar genug in feiner Be-
urtheilung zu fondern, was zu dem weitgehenden Urtheil
Veranlagung wird, dafs Luther fich mit feinen An-
fchauungen über die Studien und Wiffenfchaften mehr
dem Mittelalter, als dem Humanismus nähere (S. 32).
Von diefem Urtheil abgefehen, das mit den Aus-

und das letzte (S. CLXXIV) ,Revel. V. u' ift zu ftreichen. führungen des Herrn Verfaffers auf S. 33—39 kaum in
Die Apokalypfe wird von Philoxenus fo wenig citirt, Einklang zu bringen ift, möchten wir den Hauptrefultaten
wie die übrigen Antilegomenen des Neuen Teftaments. feiner Unterfuchung uns anfchliefsen, die wir kurz dahin

1 zufammenfaffen, dafs Luther als Kind feiner Zeit von
den Principien des Humanismus (Freiheit von Autoritäten
und Zurückgehen auf die Quellen) beeinflufst ift — ohne
jedoch ein Product des Humanismus zu fein —; dafs er
aber von dem Humanismus fich unterfcheidet, indem er
in gefundem Realismus die Wiffenfchaften vorwiegend
nach ihrem Nutzen fürs Leben, vor allem fürs religiöfe
Leben beurtheilt; dafs Luther alfo von dem hohen Werth

Zur Vergleichung ift die Homilie des Aphraates über
den Glauben (bei Bert S. 3 ff.) in englifcher Ueberfetzung
beigegeben. Mit herzlicher Dankbarkeit ift das Werk
vom Verfaffer feinen vielen Collegen und Freunden gewidmet
who did not fail nie in the honr of trial and
distress. Sie ihrerfeits werden dem Herausgeber und
denen, die zur Herausgabe halfen, für diefe Gabe dankbar
fein

Zweynert, Realgymn.-Lehr. Emil, Luthers Stellung zur
humanistischen Schule und Wissenschaft. Diff. Chemnitz,
1895, (Leipzig, Fock.) (III, 75 S* ir- 8 ) M- *• 20
Die Entdeckung Jon. Janffen's (Gefch. d. deutfehen
Volkes feit dem Ausgange d. Mittelalters, bef. II. 293 ff.,
IV. 86 ff.), dafs die ffogenannte' Reformation einen überall
fichtbaren Niedergang des geiftigen Lebens zur Folge
gehabt habe, hat auch auf proteftantifcher Seite Nachbeter
gefunden; befonders Fr. Paulfen in feiner Ge-
fchichte des gelehrten Unterrichts auf den deutfehen
Schulen und Univerfitäten vom Ausgang des Mittelalters
bis zur Gegenwart, Leipzig 1885 (S. 128 ff., 139 ff.) erkennt
den zerftörenden Einflufs der lutherifchen .Revolution
' unumwunden an und tritt durch diefe Beurtheilung
zu den namhafteften Gefchichtsfchreibern der Pädagogik
und des Unterrichts in fchroffften Gegenfatz. Das hat
den Herrn Verfaffer der vorliegenden Schrift getrieben,
fich mit der Frage auseinanderzufetzen: .Steht der
Niedergang der Bildung in der erften Hälfte des 16. Jahrhunderts
in directem, caufalem Zufammenhange mit der
Reformation Luther's?' — Die Antwort, fagt er, könne
nur dann bejahend fein, wenn Luther eine den Wiffenfchaften
durchaus feindliche Gefinnung geäufsert hätte; und
er unterfucht, welche Stellung Luther zur humaniftifchen
Schule und Wiffenfchaft eingenommen, um dann im
Schlufswort das Facit hinfichtlich der Beurtheilung der
durch Luther hervorgerufenen Reformation zu ziehen,
ob fie nämlich für das wiffenfehaftliche Leben hemmend
oder fördernd gewefen.

Dr. Zweynert führt feine Unterfuchung in der
Weife, dafs er zuerft Luther's Bildungsgang fkizzirt und
feine organifatorifche Thätigkeit erwähnt; dann feine
Anfchauungen über Bildung und Wiffenfchaft im allgemeinen
, ferner über die Disciplinen im einzelnen (und
zwar über Sprachen, über die mathematifchen Disciplinen,
über Gefchichte und Philofophie) und endlich über die
Methode des Unterrichts behandelt.

Es ift fehr anerkennenswerth, dafs er dabei möglichft
feine Quellen felbft reden läfst; dafs er die Tifchreden
neben Luther's Schriften ohne weiteres als gleichwerthige
Quellen anfleht, obgleich fie mehr zufällige Urtheile ent-

E Neftle ^er BudunK überzeugt war, und dafs feine Perfon für
den im 16. Jahrhundert fich zeigenden Verfall der Studien
jedenfalls nicht verantwortlich zu machen ift.

,Aber auch fein Werk, die Reformation, nicht',
folgert nun ohne weiteres der Herr Verfaffer. Diefe
Confequenz behauptet in folcher Kürze etwas zu viel.
Freilich im Sinne Janffen's und Paulfen's hat die Reformation
den Wiffenfchaften nicht gefchadet; vielmehr
hat echter evangelifcher Sinn den Wiffenfchaften zuletzt
nur genützt, hat fie geläutert und vertieft. Aber der
Verfall gerade in jener Zeit mufs doch mit der Reformation
in eine gewiffe Verbindung gebracht werden.
,Nie gefchieht' eben, wie der Herr Verfaffer ganz richtig
fagt, ,eine folche Umwandlung plötzlich'. Doch nicht
nur materielle Gründe, wie wir fie auf S. 74 f. angeführt
finden, waren es, die zunächft eine Geringfehätzung der
Studien zur Folge hatten — es waren auch tiefere Gründe.
Die mittelalterliche Wiffenfchaft lebte mit der mittelalterlichen
Kirche. Diefe war durch die Reformation in
Mifscredit gekommen und mit ihr die von ihr getragene
Wiffenfchaft. Die neu erwachte evangelifche Chriftenheit
aber mufste in ihren weiteren Kreifen erft die rechte
Stellung zur Wiffenfchaft gewinnen. Dafs fie diefelbe in
mancher Hinficht erft fpät, in mancher heute noch nicht
in allen ihren Gliedern, gewonnen hat, das ift freilich
nicht mehr die Schuld der Reformation, das ift die
Schuld nachfolgender Hörender Ereignifse oder Ent-
wickelungen.

Markoldendorf (Hann.). Ferdinand Cohrs.

1. Brooke, Stopford A., Frederick William Robertson. Sein
Lebensbild in Briefen. Nach Life and Letters of
Fred. W. Robertson. Frei bearbeitet von Charlotte
Broicher. Mit einem Vorwort von D. Emil Fromme
]. 2. gänzlich umgearb. Aufl. Mit Porträt. Gotha,
F. A. Perthes, 1894. (XXVI, 520 S., gr. 8.)

M. 7. —; geb. M. 8. —

2. Robertson, Frederick William, Religiöse Reden. In
deutfeher Ueberfetzung von Charlotte B r o i c h e r. Anhang
zu ,Fr. W. Robertfons Lebensbild in Briefen'.
2., umgearb. u. verm. Aufl. Gotha, F. A. Perthes,

1895. (X, 225 S. mit Bildnis, gr. 8.) M 2 40

halten, und die Unterluchung über diefelben noch nicht „ D . _ . . . „, _ .

»haefchloffen ift. wird vielleicht nicht von allen Seiten 3- Robertson, Frederick W., Reden über die Korinther-

abgefchloffen ift, wird vielleicht nicht von allen Seiten
als berechtigt anerkannt werden. Ein eigenthümlicher
chronologifcher Fehler, der fich nicht als Druckfehler
erklären läfst, findet fich S. 18, wo Melanch-
thon's .Unterricht der Vifitatoren' ins Jahr 1523 verlegt
wird. Dafs Zweynert Luther nicht zum Herold des
allgemeinen Schulzwangs macht, fondern ihn nur einen
.bedingten Schulzwang' fordern läfst (S. 19), ift meines
Erachtens zu billigen. S. 26 und 32 fcheint der Verfaffer

briete. Deutfche Ueberfetzung nach der II. Aufl. des
englifchen Originals. Mit einem Vorwort von Prof.
Lic. P. Drews. 6 Lfgn. Göttingen, Vandenhoeck &
Ruprecht, 1895. (VIII, IV, 480 S. gr. 8.)

ä M. —. 80; kplt. geb. M. 5. 80

Von Robertfons Lebensbild in Briefen, das ich bei
feinem erften Erfcheinen an diefer Stelle (Jahrg. ü