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Ausgabe:

1895 Nr. 19

Spalte:

491

Autor/Hrsg.:

Trenkle, Frz. Sales

Titel/Untertitel:

Der Brief des hl. Jacobus, erklärt von T 1895

Rezensent:

Holtzmann, Heinrich Julius

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491

Theologifche Literaturzeitung. 1895. Nr. 19.

492

Dann aber würde es aus ganz anderen Gründen der
Fall fein.

Strafsburg i. E. H. Holtzmann.

Trenkle, Privatdoc. D. Frz. Sales, Der Brief des hl. Jacobus,

erklärt von T. Freiburg i/B., Herder, 1894. (VIII, 413 S. i
gr. 8.) M. 6. —

Diefer ,mit Approbation des hochw. Herrn Erz-
bifchofs von Freiburg' erfchienene, mit einer Doxologie
auf das ,herrliche Rundfehreiben' des Papftes über die j
Wichtigkeit der Bibelwiffenfchaft beginnende Jacobus -
commentar fchliefst fich zumeift an feine unmittelbaren
Vorgänger, die Commentare von Bisping, Reifchle und
Schegg an, berückfichtigt aber überhaupt die ganze
exegetifche Tradition, auch die proteftantifche, ausgiebig. !
Darin dürfte vielleicht fein Hauptwerth für proteftantifche ;
Gelehrte beftehen. Sie lernen da Manches kennen, was
zwar nicht für das Verftändnifs des Briefes, aber für die
Gefchichte der Exegefe und Hermeneutik von einigem
Belang fein kann. Im Uebrigen ift der erfte und letzte
Eindruck, welchen man aus der Befchäftigung damit 1
davonträgt, der einer ganz ungewöhnlichen, behaglichen
Breite. Und doch wird von der, auf jeden gefchulten
Exegeten abfehreckend wirkenden, Verheifsung des Vorwortes
, die Gedanken des Schriftftellers ,aus der Darfteilung
ihres höheren Zufammenhanges' verftändlich
machen zu wollen, ein verhältnifsmäfsig befcheidener [
Gebrauch gemacht. Meift bleibt der Exeget bei der
Stange, handhabt diefelbe aber mit einer Umftändlich- ]
keit und Pedanterie, die wohl auf ein fehr primitives
Stadium des Wiffens und Könnens auf Seiten des Publi-
cums, dem gedient werden foll, fchliefsen läfst. Beifpiele
findet man geradezu auf jeder Seite. Inhaltlich geht das
Meifte, was geboten wird, aus der auch unter uns
herrfchenden Tonart. Der Brief findet feinen Anfchlufs
hier an der Bergpredigt, dort an der jüdifchen Spruchweisheit
, fafst das Chriftenthum durchaus von der prak-
tifchen Seite auf. Aber — und hier nimmt der Katholik
das Wort — ,dabei ruht doch Alles auf durchaus dog-
matifcher Grundlage' (S. 27). Alle feine Sittenvorfchriften
leitet er aus dem Sacrament der Taufe ab — wegen 1, 18!
Dagegen fticht diefe Erklärung vortheilhaft von derjenigen
Schegg's, aber auch nicht weniger Proteftanten, darin ab,
hält fich aber freilich zugleich auch ftrenger auf der I
Bahn der altkirchlichen Tradition, dafs bezüglich der j
Berührung der Sätze unferes Briefes über Glauben und
Rechtfertigung mit der paulinifchen Doctrin jede Zufälligkeit
des Zufammentreffens abgelehnt, alfo bewufste
Rückfichtnahme gelehrt wird. Was man vielfach dagegen
geltend machen will, die Annahme, es hätten die fraglichen
Formeln und Ausdrucksweifen der chriftlichen
Lehrfprache fchon ganz von Haus aus angehört, wird
mit Fug und Recht zurückgewiefen. Mindeftens den
Römer- und Galaterbrief fetze der Jacobusbrief voraus.
Die vom Verfaffer behauptete Polition, wonach der Brief |
fich zwar mit dem Heidenapoftel berührt, aber ohne
demfelben zu widerfprechen, wird als die feit Auguftin
und Beda herkömmliche, gut katholifche, nachgewiefen.
Verfaffer des im Jahr 61 gefchriebenen Briefes foll, was
nicht minder gut katholifch ift, der jüngere Apoftel, zugleich
,Verwandter des Herrn', gewefen und die Lefer
überall in der Welt, wo fich Judenchriften fanden, zu
fuchen fein. Der Briefinhalt felbft zerfallt in viele kleine
Sectionen (es werden ihrer 24 gezählt,, was bei der lofen
Art der hier herrfchenden, beziehungsweife oft ganz fehlenden
, Ideenaffociation begreiflich und auch proteftanti-
fcher Seits fchon wahrfcheinlich befunden worden ift.

Strafsburg i. E. H. Holtzmann.

Bischoff, Dr. Erich, Ein jüdisch-deutsches Leben Jesu. Thol-
doth Jeschu hanozri, sche-hajah schenath scheloschah
alaphim we-schibea meoth weschischschim libriath
ha-olam. (Gefchichte Jefu von Nazareth, geboren im
J. 3760 feit Erfchaffg. der Welt.) Zum erften Male
nach dem Oxforder Orig.-Manufkript hrsg. v. B. Leipzig
, W. Friedrich, (1895). (61 S. gr. 8.) M. 2. —

Da über Bedeutung und Zahl der Thalmudftellen,
welche Jefu und der Apoftel gedenken, Unwiffenheit
herrfchte, veranlafste ich Herrn Gymnafiallehrer Heinr.
Laible diefe Stellen zu fammeln uud zu erläutern, vgl.
H. L., Jefus Chriftus im Thalmud. Mit einem Anhange:
Die thalmudifchen Texte, mitgetheilt von G. Dalman',
Berlin 1891 (122 S.). Noch geringeren Werth für die
Bereicherung unferes Wiffens um den wirklichen Verlauf
der Ereignifse haben die aus dem fpäten Mittelalter
flammenden jüdifchen ,Leben Jefu', die Thol • döth Jeschu
genannten Büchlein, in welchen wilder Hafs gegen das
Haupt der chriftlichen Kirche aus den thalmudifchen
Legenden und mifsverftandenen Brocken der evange-
lifchen Berichte ein fchmutziges Zerrbild gemacht hat.
,Das von der mittelalterlichen Kirche', fagt Er. Bifchoff
S. 7 der hier anzuzeigenden Schrift, .gezeichnete Chriftus-
bild, das auf den Panieren der Verfolger dräute,
konnte auch im Juden keine Liebe erwecken. Je unbedingter
die Annahme des Chriftusglaubens von ihm gefordert
wurde, defto mafslofer wurde feine Kritik der
Perfon Jefu Chrifti'. Dennoch kann es fein, dafs eine
genaue Unterfuchung der bis jetzt nur aus wenigen
Drucken bekannten Thokdoth-Jeschu-Literatur nicht un-
verdienftlich ift, befonders in culturgefchichtlicher Hinficht.
Als Vorläufer einer folchen umfangreichen Arbeit hat
Dr. Erich Bifchoff jetzt nach der Oxforder Handfchrift
Rawl. Or. 37 die jüngfte Faffung des jüdifch-deutfehen
Lebens Jefu in deutfehe Buchftaben übertragen und mit
einigen Anmerkungen abdrucken laffen. Ich bedauere,
dafs Dr. B. durch den Verleger, welcher wohl ein gutes
Gefchäft zu machen dachte, zu diefer kleinen Veröffentlichung
fich hat bewegen laffen; denn zu irgendwie
ficheren Urtheilen berechtigt nur die Kenntnifs des ge-
fammten Materials und zwar infonderheit der älteften
Faffungen, auch bedarf es ausführlicher Anmerkungen.
Was an letzteren jetzt geboten ift, wird vielen Lefern
nicht genügen, vgl. S. 17 Eben scliathja (f. Strack zu
Mifchna Joma 5, 2); S. 21 die Königin Helena (f. Joma
3, 2; Schürer, Gefchichte ■MI, S. 562ff.); S. 28 u. 42 die
Ueberfetzung von Selali durch ,in Ewigkeit' war durch
Aquila uei, Thargum 'pttbyb zu erläutern; S. 30 u. 52
Kessa oder Kessach ift vielleicht abfichtliche Verftümm-
lung für pessach (wie Mifchna Nedarim 1, 2 D31p, ODip, n3ip
für qorbaii); S. 30, Mitte, fehlt die Verweifung auf Mt. 26,68
,Weisfage uns, Chrifte; wer ift's, der dich fchlug?'; S. 39
zu .Freitag, Vorabend des Paffah, in der fechsten Stunde'
war Joh. 19, 14 anzuführen. Die zu Grunde liegenden
Thalmudftellen hätten S. 12 u. 18 angegeben werden follen.

Die Behauptung, dafs ,Druckfehler nicht vorkommen'
S. 8, ift nicht zutreffend, vgl. die hebräifchen Wörter S. 15,
Z. 13; S. 21 Ende; S. 28, Z. $; S. 37, Z. 21 (lies baalc);
S. 47 (lies: mithoth mesekunnoth, aufsergewöhnliche
Todesarten); S. 47, Z. 16; S. 57, Z. 7. Ein Fehler fteckt
auch S. 48 in der Deutung von Deut. 32, 21 ttf Kb3: ,Ich
will fie wieder derzernen (erzürnen] mit die semalim'.
Dr. B. fetzt .Linken' mit einem Fragezeichen hinzu. Wenn
fein Text, wie danach anzunehmen, 0 vor m hat, wird
Jzschmee/tM (IsmaeUter) zu lefen fein ; vgl. Midrafch Siphre:
,BJ> S5, das find die aus der Berberei, aus Tunis und
Mauretanien Kommenden'. Auch ift zu beachten, dafs
die in der Bibel unmittelbar folgende Bezeichnung 533
im Thalmud Jebamuth 63 b und danach von Rafeld (in
uncenfirtem Druck) durch ,das find die Minim (Häretiker)'
erklärt wird. — Bei feinem weiteren Arbeiten wird Dr. B.