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Ausgabe:

1895 Nr. 16

Spalte:

427-428

Autor/Hrsg.:

Müller, Ghold.

Titel/Untertitel:

Der Hebräerbrief, ausgelegt in 34 Predigten für die festliche Hälfte des Kirchenjahrs. Ein homiletischer Versuch 1895

Rezensent:

Wächtler, August

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Seite 1

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427 Theologifche Literaturzeitung. 1895. Nr. 16. 428

jetzt mufs es mir gleich genommen werden, oder es
ftürzt mich in Mifsglauben und Verzweiflung. Aber es
war noch nicht fo arg. Gott weifs es beffer. Nach Jahren
fehen wir's ein: es mufste noch viel ärger kommen, denn
wir hatten noch allerlei zu lernen, was wir nicht anders
als auf diefem Wege lernen konnten; wir mufsten ein
Schmelztiegel bleiben, damit andere einen Segen davon
hätten!'

Halle a/S. A. Wächtler.

Müller, Palt. Lic. Dr. Ghold., Der Hebräerbrief, ausgelegt

in 34 Predigten für die feftliche Hälfte des Kirchenjahrs
. Ein homiletifcher Verfuch. Bremen, C. E. Müller,
1893. (XI, 271 S. gr. 8.) M. 4. -; geb. M. 5. -

Für eine fortlaufende homiletifche Behandlung bietet
der Hebräerbrief mehr Schwierigkeiten, als andere neu-
teftamentliche Schriften. Gerade die fchriftftellerifchen
Vorzüge diefes Briefes erfchweren nicht nur die Ein-
theilung in geeignete Textabfchnitte, fondern veranlaffen
auch viel zu häufig umftändliche Erklärungen, Hinweife
auf den Zufammenhang, Wiederholungen und Bezugnahmen
, welche für die Predigt nicht erwünfcht find.
Diefe Schwierigkeiten hat der Verf. der vorliegenden
Predigten keineswegs überfehen, vielmehr überall zu
überwinden fich rechtfchaffen bemüht, und es ift ein
anerkennenswerthes Stück homiletifcher Arbeit, das er
uns bietet. Die Predigten folgen dem Gange des Kirchenjahrs
. Bis Ebr. 4, 13 laffen fich die Abfchnitte auch ganz
ungezwungen nach einander für die Advents- und Weihnachtstage
verwerthen. Nachher wird der Charakter des j
Sonn- oder Fefttages für die Auswahl der Texte be- j
flammend. Trotz der finnigen Wahl, die der Verf. hier
getroffen hat, z. B. für Charfreitag 13, 10—16: ,Wir haben
einen Altar, Jefu Kreuz', oder für den Oftermontag 13,
20. 21 .Unfer Oftergebet für einander', tritt doch gerade
dadurch die Verfchiedenheit hervor, die zwifchen der j
Aufgabe der Schriftauslegung und derjenigen der Predigt |
befteht. Was diefe fördert, kommt nicht immer jener zu
Gute. Für das Verftändnifs des eigenthümlichen Inhaltes
und Gedankenganges des Briefes wird durch die Predigten
wenig geboten. Das liegt nicht blofs an der ungleichen
Theilung der Textabfchnitte, — fo wird z. B. das ganze
7. Capitel in einer einzigen Predigt behandelt, während
den Text anderer nur etliche oder ein einziger Vers
bildet — das liegt viel mehr noch daran, dafs jede Predigt
für fich ein Ganzes bildet und bilden mufs, und dafs in
Folge der forgfältigen und mühfamen Anlehnung an das
Kirchenjahr viele der vorliegenden Predigten einen an- "
deren Ausgangspunkt als den Text nehmen, der zwar
oft zu diefem hinführt, aber oft doch nur dazu dient,
die Benutzung des Textes für den beftimmten Tag zu
begründen. Auch die Art des Verfaffers, wie er die
Predigten ausführt, ift einem Gewinn für die Schriftauslegung
nicht förderlich; er ift viel mehr darauf bedacht,
durch unmittelbare Anwendung das Schriftwort fruchtbar
zu machen, als durch klare Entwicklung der Glaubenswahrheit
diefe felbft an das Herz der Hörer zu bringen;
in manchen Predigten befteht der andere Theil nur aus
einer Fülle von Ermahnungen in allen Tonarten. Ferner
pflegt er in feine Darlegungen eine Menge von Beziehungen
aufzunehmen, die oft lofe genug an den Text
oder an den Charakter des Tages angeknüpft find, aber
nicht aus jenem herausgearbeitet find und nicht immer
in ihn hineinführen. Wohl mögen die Hörer daraus gemerkt
haben, dafs der Prediger ,das Leben und der Hörer
Bedürfnifs kennt und auch wohl die beften weltlichen
Schriften', aber wenn man diefe Fülle von Anklängen,
Hindeutungen und Citaten lieft, die im Druck meiftens
durch Anführungszeichen hervorgehoben find, fo frägt
man fich nicht nur, ob das den Hörern auch verftändlich
gewefen, fondern auch, ob es nicht zerftreuend habe

wirken müffen. Andeutungen und Anfpielungen haben
in der Predigt nur feiten und nur für wenige Hörer
Werth. Die Beifpiele, welche angeführt werden, müffen
fchon fehr bekannt fein oder geradezu aus der Bibel
Hammen, wenn fie nicht fo vollftändig erzählt werden
follen, dafs die Hörer fie wirklich verliehen, und das ift
auch ohne Breite des Ausdrucks möglich. Der Wortlaut
der Widmung: ,den „Manen" des unvergefslichen D.
Dorner' wird manchem Lefer, zumal bei einem Predigtbuch
, befremdlich fein.

Halle a/S. A. Wächtler.

Miscelle.

Gleich nach dem Erscheinen meines kleinen Auffatzes über den
Namen des reichen Mannes (Texte u. Unterf. XIII, 1 S. 75 ff.) fchrieb
mir Herr M. Rh. James (Cambridge), dafs fich, wenn man nur die
falfche Interpunktion im gedruckten Texte ändere, der Name des reichen
Mannes auch bei Priscillian, tract. 9 (/. 91 ed. Schepss) finde: ,requietio
Abrahae sinus dicitur; et Finees [als Genet. zu verliehen] inmisericordis
divitis gehennae ignis habitaculutn rcpperituP. Alfo las auch Priscillian
in feiner Bibel dielen Namen, und zwar in der Form .Finees' (nicht
Finaeus), wodurch die Identität mit 4>ivtsq {'I'sivescp Num. 25, 7 noch
deutlicher wird. Soeben macht mich aber Herr Lic. Koffmane darauf
aufmerkfam, dafs er S. 328 n. 1 der von ihm beforgten zweiten Auflage
der Herzog'fchen ,Kirchengefchichte' (1890) bereits bemerkt habe:
,P. 91 (Prisei//. Opp.) ift Finees der auch Finäus genannte reiche Mann
von Luc. 16, cf. Cyprian, ed. Härtel III p. 265'. Von der abend-
ländifch bezeugten Etymologie pectator refp. .requievif will auch Koffmane
, wie er brieflich bemerkt, abgefehen wiffen. Er meint, dafs die
Wahl des Namens vielleicht mit ttSE zufammenhänge. Mir fcheint, die
Verweifung auf Num. 25, 7 (Phinees und Lazarus) genügt vollftändig.

Der Name des reichen Mannes ift für die lateinifchen Bibeln des
3. und 4. Jahrhunderts nun durch Pfeudocyprian und Priscillian ftark
bezeugt; aber es ift doch anzunehmen, dafs fchon damals die Zahl der
Bibeln, die den Namen Luc. 16 nicht boten, gröfser gewefen ift.

Berlin, den 9. Juli 1895. A. Harnack.

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