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Ausgabe:

1895 Nr. 1

Spalte:

24-25

Autor/Hrsg.:

Teutsch, Georg Daniel

Titel/Untertitel:

Predigten und Reden 1895

Rezensent:

Achelis, Ernst Christian

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Theologifche Literaturzeitung. 1895. Nr. 1.

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Richtung ausgetreten, und namentlich der dritte (Hart-
hoorn) hatte eine fcharfe Kritik geübt über die herr-
fchende Miffionsmethode und feine Mitarbeiter (S. 583).
Sein Ziel fcheint eine blofse Culturarbeit gewefen zu fein.
Die Art und Weife, wie er in der Oeffentlichkeit auftrat
und den Feinden der Miffion Waffen zum Angriff lieferte,
ärgerte die Freunde. Die Leiter der Gefellfchaft zögerten
mit feiner Entlaffung wegen feiner Sprachkenntnifse.
Es verbreitete fich das Gerücht, nicht die Hälfte der
jungen Leute, welche in das Miffionshaus zu Rotterdam
aufgenommen worden feien, glauben die Gottheit Chrifti.
Der durch feine Werke der inneren Miffion auch in
Deutfchland bekannte Pfarrer Hei dring wünfchte darüber
(1859) Dei den Comitemitgliedern Auskunft, bekam
aber zur Antwort, die Comitemitglieder fühlen fich nicht
berufen, Gerüchte zu widerlegen (S. 479). Das Mifstrauen
flieg, Mitglieder von orthodoxer Richtung traten aus und
gründeten die Utrechtsche Zendings Vereeniging und die
Nederlandsche Gereformeerde Zend. Ver. Im J. 1864
follte Dr. Zaalberg, der für die moderne Richtung
öffentlich Partei genommen hatte, nach der Gefchäfts-
ordnung die Feftrede bei der Hauptverfammlung halten.
Mehrere Zweigvereine erfuchten das Comite, mit Rückficht
darauf, dafs die Gefellfchaft das apoftolifche Glau-
bensbekenntnifs in ihren Statuten als das ihrige erkenne,
diefe Rede nicht durch Dr. Zaalberg halten zu laffen.
Allein diefe Anträge wurden mit 12 gegen 3 Stimmen
verworfen (S. 486). Doch legte Zaalberg auf perfönliche
Bitten hin fein Mandat als Redner nieder. Die Pofitiven
wünfchten nun, dafs die Jahresverfammlung fich darüber
ausfpreche, ob die Art. 2 und 6 der Statuten noch gelten,
dafs ,die Gefellfchaft fich hält an das A. und N. T. als
den Grund, woraus die Erkenntnifs der Wahrheit mufs
geholt werden, als die einige Regel von Glauben und
Wandel und an die 12 Artikel des chrifllichen Glaubens',
und die Miffionare ,fich halten müffen an die Lehre Jefu
und feiner Apoftel, übereinftimmend mit demA.und N.T.
als der einzigen Regel für Glauben und Wandel und an
die 12 Artikel des allgemeinen chrifllichen Glaubens'.
Die Modernen unter den Comitemitgliedern fagten: ,wir
betrachten die Artikel 2 und 6 der Statuten nicht als
uns bindend; fie haben für uns blofs hiftorifchen Werth;
wir laffen fie flehen aus Pietät gegen unfere Väter, die
in diefen Worten ihren Glauben ausdrückten; aber lebten
fie in unferer Zeit, fie würden denken wie wir' (S. 492),
und das Comite behauptete, eine Erklärung über diefe
Artikel wäre nicht nur unnöthig, fondern gefährlich; es
müffe dem Gewiffen eines Jeden überlaffen bleiben, wie
er fich mit den Grundartikeln zurechtfinden könne (S. 493).
Auch in der Hauptverfammlung fprachen fich 63 gegen
35 Stimmen in diefem Sinne aus. Nun traten Chantepie
de la Sauffaye und eine Anzahl weiterer Mitglieder aus
dem Directorium aus. Zaalberg wurde wieder in dasfelbe
gewählt, nahm aber keine Wahl mehr an. Kruijf betont
es, dafs manche der Pofitiven nur mit fchwerem Herzen
ausgetreten feien aus der alten Gefellfchaft mit ihrer
breiten, guten Grundlage und ihrer reichen Gefchichte,
aber die Charakterlofigkeit, dafs man einerfeits die Statuten
unverändert liefs und andererfeits zuliefs, was offenbar
dagegen flritt, konnten fie nicht länger ertragen
(S. 498).

Eine Frage, welche fich jedem deutfchen Lefer aufdrängen
wird, findet in Kruijf's Buch keine directe Beantwortung
: Wie ift es denn gekommen, dafs die
moderne Richtung einen fo grofsen Einflufs auf die
Leitung der Niederländifchen Miffionsgefellfchaft bekommen
hat? Bei den deutfchen Miffionsgefellfchaften
finden wir ja kein ähnliches Beifpiel. Hier müffen wir
auf die Verfchiedenheit der V erfaffu n g hinweifen. Die
Niederländifche Miffionsgefellfchaft knüpfte von Anfang
an Beziehungen mit der fynodal verfafsten officiellen
Kirche an und hatte auch in den Colonien häufige Berührungen
mit derfelben. Sie bewegte fich ganz auf

niederländifchem Gebiet. Was einerfeits ein Vorzug war,
das gereichte andererfeits infofern zum Nachtheil, als die
Miffion mehr in die kirchlichen und theologifchen Kämpfe
hineingezogen wurde als in Deutfchland. Die Verfaffung
der Niederl. M.-G. war ferner mehr demokratifch, dem
niederländifchen Wefen entfprechend. Die leitenden
Perfönlichkeiten mufsten regelmäfsig abwechfeln; es
durfte keine Monarchie aufkommen. Aber es kamen
dann offenbar nicht immer die Männer in die Direction,
welche die meine Einficht und Aufopferung für das Werk
hatten. Man bekommt durch Kruijf's Buch in der orthodoxen
Zeit ebenfo wenig Sympathie für die leitenden
Perfönlichkeiten wie in der liberalen. Es ift ein kleinliches
Markten und Berechnen, nirgends ein Glaubens-
muth, der auch etwas wagt. Der treffliche Pfarrer
van Rhijn machte 1847 im Auftrag der Gefellfchaft eine
Infpectionsreife auf den Miffionsftationen. Man follte
denken, nach der Rückkehr werde ein fo tüchtiger Mann,
der nun die Verhältnifse draufsen aus eigener Anfchau-
ung kannte, mit der Leitung des Werkes betraut werden.
Aber nein! Man liefs ihn wieder auf eine Pfarrei gehen,
wahrfcheinlich weil keiner in der Direction eine hervorragende
Stellung einnehmen follte. Wir möchten wün-
fchen, was dem Verfaffer gewifs auch vorfchwebt, dafs
das Jubiläumsjahr ein frifcheres Leben in diefe alte Gefellfchaft
bringen, und dafs die niederländifchen Chriften
fich wieder mehr vereinigen möchten zu einem kräftigeren
Betrieb des Miffionswerkes. — Was die äufsere Anordnung
des Stoffes betrifft, fo wird die Miffion auf Celebes
erft im zweiten Zeitraum behandelt, der von 1848 bis
auf die Gegenwart reichen foll, während fie fchon 1827
begonnen hat. Es ift gewifs zweckmäfsig, dafs jedes
Miffionsfeld in fortlaufender Gefchichte bis zur Gegenwart
behandelt wird. Aber dann gilt die Eintheilung in
zwei Zeiträume nur für die Bewegungen in der Heimath,
und es wäre entfprechender gewefen, wenn Hauptftück
XXII des erften Zeitraumes und Hauptft. I und XV—XVII
des zweiten erft vor dem Schlufs käme.

Echterdingen. P. Wurm.

Teutsch, Bifchof Georg Daniel, Predigten und Reden. Hrsg.
von Frdr. Teutfch. Leipzig, Breitkopf & Härtel, 1894.
(VIII, 304 S. gr. 8.) M. 6.—

Am 2. Juli 1893 flarb der Bifchof der evangelifchen
Kirche A. B. in Siebenbürgen, D. G. D. Teutfch, der Verfaffer
vorliegenden Werkes. Der Entfchlafene ift mit der
Gefchichte des Proteftantismus in Oefterreich auf das
innigfle verwachfen; in langer arbeitsreicher Pflichterfüllung
ift er der Anwalt feines Volkes und feiner
Kirche, der unermüdliche Vorkämpfer für deutfche Bildung
und Sitte, der eifrige Beförderer proteftantifchen Chriften-
thums gewefen. Aus feinem Nachlaffe hat der Sohn des
Verftorbenen das Werk zufammengeftellt; es find 34 Predigten
und 3 Reden: zur fünfzigjährigen Jubelfeier des
Bifchofs D. Binder, zum hundertjährigen Geburtstag
Schiller's und zur dritten Säcularfeier des Todes Melan-
thon's. Wir hören einen hochgebildeten Mann in gewählter
, fchwungvoller, ob auch fcheinbar nicht volks-
thümlicher Sprache zu uns reden; fein durch gefchichtliche
Bildung reicher und weiter Gefichtskreis, fein ernftes
Bemühen, edle Gefittung und fromme Gefinnung zu
pflanzen und zu nähren, thun fich überall in feinen Predigten
und Reden kund. Als Zeugnifs deffen, was
Teutfch war und erftrebte, als Abbild feines geiftigen
Wefens will das Buch gewürdigt fein; es foll ein Denkmal
fein, das uns ihn felbft vor das Auge ftellt. Wir
zweifeln nicht, dafs alle, welche dem Bifchof Teutfch
näher ftanden, dafs infonderheit die evangelifchen Landsleute
feiner Heimath dem Sohne danken werden, dafs er
das Andenken feines Vaters auch durch die Herausgabe
feines Nachlaffes geehrt hat.