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Ausgabe:

1895 Nr. 15

Spalte:

396-399

Autor/Hrsg.:

Robinson, J. Armitage

Titel/Untertitel:

Texts and studies. Contributions to biblical and patristical literature. Vol. III. No. 1 1895

Rezensent:

Bousset, Wilhelm

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395

Theologifche Literaturzeitung. 1895. Nr. 15.

396

Lexikon vor in der Ausgabe von J. G. Müller. Eine
Nachprüfung des aus diefer Schrift beigebrachten Materials
ergab die Gründlichkeit der K.'fchen Unterfuchung für
diefen Punkt.

Göttingen. W. Bouffet.

Veil, Gymn.-üir. Dr. H., Justinus des Philosophen und Märtyrers
Rechtfertigung des Christentums. (Apologie I u. II)
Eingeleitet, verdeutfcht u. erläutert. Strafsburg, Heitz,
1894. (XXXII, 146 S. Lex.-8.) M. 5. 60

Das innerhalb der deutfchen proteftantifchen Forfch-
ung feit mehreren Decennien zurückgetretene Unternehmen
, gröfsere Abfchnitte aus der patriftifchen
Literatur durch gute Ueberfetzung dem allgemeinen Ver-
ftändnifs näher zu bringen, ift hier an einem glücklichen
Punkte erneuert. ,Dafs eine gute deutfche Ueberfetzung
der Apologie oder, wie man (ich auszudrücken noch gewohnt
ift, der beiden Apologien Juftin's ein Bedürfnifs
ift, dürfte dem nicht zweifelhaft erfcheinen, der ihre
grundlegende Bedeutung für die Kenntnifs des zweiten
chriftlichen Jahrhunderts und zugleich die Schwierigkeiten
bedenkt, die ihr Text in der Urfprache einem
rafchen und ficheren Verftändnifs entgegenfetzt' (S. III).
Beiden Rückfichten hat der Verfaffer in der Durchführung
feiner Arbeit denn auch nach Kräften Rechnung getragen,
indem er feiner Ueberfetzung ein reiches Material von
Anmerkungen beifügte und es darin an einer um-
faffenden, wenn auch noch nicht vollftändigen, Benutzung
der neueren (theologifchen) Literatur nicht fehlen liefs.
Wie die Anmerkungen, fo enthalten auch die einleitenden
Abfchnitte neben gut orientirenden Referaten über
bisherige Anflehten und Refultate nicht feiten Anfätze
zu felbftändiger Behandlung der einfehlägigen und angrenzenden
Fragen, unter denen die textkritifchen —
der Zuftand der Ueberlieferung des Juftintextes liegt bekanntlich
fehr im Argen — (den Zwecken der Arbeit
entfprechend) von grundlegender Wichtigkeit find, wenn
auch ihre Löfung dem Ref. nicht überall gelungen
zu fein fcheint. Alles hier nachprüfen, hiefse eine fortlaufende
Erörterung der vorhandenen Textfchwierigkeiten
zu geben verfuchen, in die wir natürlich nicht eintreten
können. Es fei aber auf einzelne Stellen verwiefen:
I 4, S. 3, Z. 12 f. zeugt die Ueberfetzung des Nachfatzes
von unrichtiger Faffung des Contextes im Verhältnifs
zum Folgenden; c. 14, S. 8, Z. 13 f. v. u. erweift fich die
Beifügung der in Klammer gefetzten Worte als unnöthig,
da eine Ergänzung im Nachfatze felbft zu vollziehen ift;
c. 23 an der Stelle (pfraotmtg xivtg kommt man m. E.
mit der Annahme einer auf einfacherem Wege zu Stande
gekommenen Textverderbnifs aus, als fie Veil (S. 76)
und feine Vorgänger in der Interpretation (f. bei Otto)
bieten: die Worte öia ioig ngosiQrifievovg xa/.ovg dai-
uovag werden als Gloffe zum Text (sei/, Ktyei Iovaxl-
voc) zu tilgen fein. Denn abgefehen von dem (doppelten)
dia ift das jcQoeiQrniivovg verdächtig, dazu nl rpaikoi
öaifioveg (ftatt /.axol oder novrjQoi ö.) bei J. die häufigere
Bezeichnung; c. 27 init. ift das de wirklich adver-
fativ zu faffen: ,Wir' im Gegenfatz zu den eben angeführten
Irrlehrern, von denen J. es unficher liefs, ob fie
die bekannten, den Chriften nachgefagten Schandthaten
verüben; II 6 init. ift unter zy cpvoei die allgemeine Natur
der Menfchen zu verftehen, wie fchon Grabe richtig fah
(f. cd. Braun.2 p. 139); c. 8 wird mit Recht in feinen ursprünglichen
(handfehriftlich bezeugten) Zufammenhang
verfetzt. Doch übt der Verf., was er hier an feinen
Vorgängern tadelt, felber in der Umftellung des am
Schluffe (des I. Theiles) flehenden Edictes des Hadrian
an Minicius Fundanus, das er mit den dasfelbe einleitenden
Sätzen in I 68 an den Schlufs des Ganzen verfetzt
und übrigens auch — trotz Mommfen (v. Sybel's
hift. Zeitfchr. N. F. XXVIII 1890, S. 420) — für unecht

erklärt. Aber die Begründung (137 ff.) erfcheint mir in
beiderlei Hinficht nicht ausreichend. Nach Keim's Vorgange
beftreitet Veil m. M. n. mit Recht, ,dafs in dem
lat. Text des Rufinus das Original vorliege, das Eufebius
ins Griechifche überfetzt haben foll' (140). Aber dafs
fich gerade in den das Edict einleitenden Sätzen I 68
Ausdrücke finden, die eine Rücklenkung Juftin's in den
Gedankengang der Anfangscapitel bedeuten und fpeciell
an c. I erinnern, hat Veil überfehen. Die Abficht des
Apologeten, in kurzer, wieder energifcher gehaltener
Peroratio zum (vorläufigen) Schluffe zu gelangen, liegt
auf der Hand; heidnifche Einwürfe, die fich in Anlafs
eines jüngften (ob nicht doch hinter der Abfaffung des
I. Theiles liegenden?) aufregenden Vorfalles (II 2) erhoben
(c. 3 f.), durchkreuzten fie und verurfachten die
Beifügung eines weiteren, gröfseren Abfchnittes (II),
hinter dem fich die von Veil transponirten Stücke dann
wunderlich genug ausnehmen. Am allerwenigften ift eine
derartige Umftellung durch kurze Hinweifung (vgl. II3U.)
auf die vom Verf. beigegebene Dispofition des Ganzen
(S. 58—64) zu belegen, in der es — bei dem fpringen-
den Charakter der Juftin'fchen Beweisführung (vgl.
Bardenhewer, Patrologie S. 93) — ohne Gewaltfamkeiten
gegen den Inhalt der Vorlage nicht abgeht, und die den
Anfpruch, ,dem Lefer als Nachfchlageregifter [zu] dienen'
(S. IV) —leider fehlt ein folches! — nicht im entfernteften
erheben kann. Zu der Anficht Veil's, dafs Juftin die
Apologie feines Vorgängers Ariftides gekannt und benutzt
habe (S. XIV A. 2), will noch erwogen fein, dafs
die Berührungen in vereinzelten Wendungen den allgemeinen
Fond der gleichzeitigen chriftlichen Literatur
nicht wefentlich überfchreiten, dafs aber an Stellen, wo
frappantere Berührungen (gröfserer Satzpartien) vorliegen
(z. B. II 4 cf. Arift. 8), gerade eine differente Behandlung
des ähnlichen Gedankens erfichtlich ift.

Irn Uebrigen möchte Ref. durch feine Ausftellungen
| die Anerkennung der Verdienftlichkeit diefer Arbeit nicht
beeinträchtigt wiffen, deren eigentliche Stärke in der
trefflich gerathenen Ueberfetzung felber beruht,
und die den Wunfeh aufkommen läfst, dafs der Verf.,
wenn auch in etwas knapperer Umrahmung durch eigene
Zuthaten, gelegentlich auf andere Stücke der altchrilt-
lichen Literatur verfallen möge, unter denen der (hier
nächftliegende) Dialog Juflin's freilich eine ausgedehntere
Berückfichtigung der gleichzeitigen jüdifchen Ueberlieferung
erfordern würde. Möge es geftattet fein, diefem
Wunfche den anderen beizufügen, dafs uns, um Unter-
fuchungen wie die vorliegende auf einer geficherteren
Bafis, als fie die bisherigen Ausgaben bieten, antreten zu
können, die feit länger in Ausficht geftellte Textausgabe
von Gebhardt's und Harnack's bald zur Hand fein möchte!

Leipzig. E. Hennecke.

Texts and studies. Contributions to biblical and patristical
literature. Edited by Prof. J. Armitage Robinson,
B. D. Vol. III. No. 1. Cambridge, at the University
Press, 1894. (gr. 8.) 5 s.

The book of rules of Tyconius. Newly edited from the mss with
an introduetion and an examination into the text of the biblical
quotations by F. C. Burkitt, M- A. (CXXII, 114 S.)

Die Aufmerkfamkeit der gelehrten Forfchung hat
fich neuerdings einem Schriftfteller der lateinifchen Kirche
zugewandt, welcher diefe im höchften Mafse verdient.
Der Donatift Tyconius (Herr Prof. Haufsleiter teilt mir
mit, dafs er Ticonius für die richtige Schreibweife hält)
fcheint zwar nicht viel gefchrieben zu haben, und noch
weniger ift von feinen Schriften erhalten. Aber bis ins
Mittelalter hinein hat fich fein literarifcher Einflufs er-
ftreckt. Vor etwa einem Jahrzehnt hat Haufsleiter
(Zeitfchr. f. K. W. u. K. L. 1887) mit ficherem Blick
die Wege zu Reconftruction des verloren gegangenen