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Ausgabe:

1895 Nr. 1

Spalte:

19-20

Autor/Hrsg.:

Windschild, K.

Titel/Untertitel:

Gott, Erlösung, Unsterblichkeit vor dem Forum des Verstandes 1895

Rezensent:

Hartung, Bruno

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Seite 1

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19

Theologifche Literaturzeitung. 1895. Nr. 1.

20

nennen foll, es wird (ich manchmal kaum feftftellen laffen Gemeint ift die Lehre von Chrifti Perfon und Werk,
oder doch nur fubjectiv ein folcher Unterfchied zwifchen Verträgt fich das mit der Forderung Jefu an Nikodemus?

ihnen gemacht werden, finde ich nicht genügend beantwortet
.

Ferner foll die Geltung diefer fittlichen Weltordnung
befonders auf der Anerkennung der Offenbarung in
Chrifto ruhen. Gewifs. Aber was von diefer Offenbarung
gefagt wird — es ift wefentlich der Eindruck, den der
gefchichtliche Chriftus auf uns macht, gefchildert, —
genügt das wirklich, diefes ganze Gebäude zu tragen?

Auch fonft finden fich Einzelnheiten, an denen man
Anftofs nehmen mufs. S. 83 wird der wechfelfeitige Ein-
flufs von Seele und Leib damit erklärt ,es würden ja
auch Gatten, wenn fie zufammenlebten, einander ähnlich'.
Diefer naive Dualismus entfpricht weder der Schrift, noch
den Ergebnifsen der Erfahrung und der Wiffenfchaft.
S. 41 f. heifst es: ,Wie die Atome des Kochfalzes fich
in Würfelform aneinander fügen müffen', fo waltet über

Gefchichtlich fteht feft, dafs die erften Jünger, die ihn i dem Menfchen — nur in Freiheit — das Gefetz der
gefehen und gehört haben, an ihm irre geworden find, | Gottähnlichkeit'. Um folche Naturanalogien zu fuchen,
bis fie erfahren hatten, dafs, wenn ich fo fagen darf, ihr j mufs man aus dem Vollen fchöpfen, wie Fechner in
Meifter auch gegenüber der widerfprechenden Welt der j feinen trefflichen Schriften über diefe Dinge. Oder lockt
Erfcheinungen fich behauptete, fo dafs auch bei ihnen j vielleicht Drummond zur Nachahmung? Auch das ift
das theoretifche Denken fich von dem entfcheidenden ! nicht richtig, dafs Begnadigung, wie fie das Recht der

praktifchen nicht zur Ruhe bringen liefs, ohne feinen
felbftändigen Werth zu beanfpruchen.

Diefe ganzen letzten Partien hätten wir aufserdem
gern weiter ausgeführt und wenigftens etwas aus der
Gefchichte und dem vollen Menfchenleben beftätigt gefehen
. Eine Schrift über die fittliche Weltordnung, die

Könige ift, an fich eine Ungerechtigkeit ift. Das ift fie
nur als Handlung der Willkür. In rechtem Sinne geübt
bindet fie fich felbft an fittliche Vorausfetzungen und ift dann
ein Beweis dafür, dafs auch der einzelne Rechtsfall eine
Seite hat, durch die er über das blofse Rechtsverhältnifs
hinausreicht, und in diefem Sinne kann fie wohl als

kein einziges concretes Bild für ihre Gedanken bringt, 1 Analogie der göttlichen Vergebung gelten,
mag ein vortrefflicher philofophifcher Unterbau fein — j Die Apologetik hat gewifs ihre hohe Aufgabe in

und das ift vorliegende gewifs —, aber wir legen fie
nicht mit voller Befriedigung aus der Hand. Verf. kann
fich darauf berufen, dafs ja die Frage der ,Haager Ge-
fellfchaft1 in diefem Sinne gemeint gewefen zu fein
fchiene. Aber feine Ueberfchrift hat fie allgemeiner
gefafst. Und vielleicht wird er felbft einmal die Lücke,
die noch offen bleibt, ausfüllen.

Leipzig. Härtung.

Windschild, K., Gott, Erlösung, Unsterblichheit vor dem Forum
des Verstandes. Halle, Mühlmann's Verl., 1893. (85 S. 8.)

M. 1. 20

In der vorher angezeigten Schrift hiefs es einmal:
,Die Expofition des Sittengefetzes ift feine Deduction'.
Dies hat eine gewiffe Wahrheit auch für Glaubensdinge.

Wenn man es in rechter Weife klar macht, was eigent- j ein rechtes Gericht'. In fchlichter aber eindringlicher
lieh das ift, das im chriftlichen Glauben enthalten ift, j Sprache führt er zunächft den Nachweis, dafs es keine
dabei manche Hülfslinien zum Verftändnifs zieht und ! Verfündigung an Gottes Wort ift, wenn man aus und an

der Gegenwart, aber fie kann fie nur erfüllen, wenn fie
die Schranken, die nicht Willkür oder Machtiprüche
des Verftandes, fondern das Wefen des Glaubens und
feiner Gegenftände ihr fetzt, innehält. Das hat vorliegende
Schrift durchaus nicht überall beachtet.

Leipzig. Härtung.

Kinzler, theol. Lehr. Adf., Ueber Recht und Unrecht der

Bibelkritik. Zur Verftändigung mit ängfflichen Verehrern
der Bibel. Bafel, Reich, 1894. (46 S. 8.) M. —. 60

Ein Büchlein, das Ref. mit dankbarer Freude be-
grüfst hat und welchem er eine fehr weite Verbreitung
wünfehen möchte. Der Verf. wendet fich an ,die ängft-
lichen Verehrer der Bibel' mit dem johanneifchen Chriftus-
wort: ,Richtet nicht nach dem Anfehn, fondern richtet

manches Mifsverftändnifs abweift, fo ift das geeignet
manche Frage derer, die glauben möchten und die
Zweifel nicht überwinden können, zu beantworten und
auch unverftändige Angriffe abzuwehren. Es liegt doch
etwas in dem gewifs allgemein nicht richtigen Satze
,Klarheit ift der Mafsftab der Wahrheit', und nicht blofs
für oberflächliche Naturen. In diefem Sinne ift das
Schriftchen wohlgelungen. Es legt klar auseinander, was
jenes Dreifache, das die Ueberfchrift nennt, meint und
wie es zu begründen ift, dafs auch der kritifche Verftand
kein Recht hat, es als Einbildung abzuwerfen, dafs
vielmehr vieles, was er fucht und fragt, hier feine Er-

einer biblifchen Schrift felbft die Richtigkeit einer kirchlichen
Ueberlieferung prüft. Fragen, wie die nach dem
Verf. des Predigerbuchs oder der Genefis, find folche,
die die Bibel felber offen gelaffen hat. ,Wer darf binden
und Gefetze ftellen, wo Gottes Wort felbft nicht gebunden
hat? Diefen Anfpruch erhebt wohl der Papft
und die römifche Kirche; fo lange ich aber ein evange-
lifcher Chrift bin und bleibe, und ich hoffe mit Gottes
Gnade das zu bleiben bis an mein — Gott gebe —
feiiges Ende, fo lange will ich flehen bleiben in meiner
evangelifchen Freiheit, mit der Bibel in der Hand, aber
mit der aufgefchlagenen und fleifsig gelefenen und ein-

füllung und Löfung findet. dringlich ftudirten Bibel in der Hand, alte und neue

Aber das Büchlein beanfprucht mehr, es meint wirk
lieh beweifen zu können, was es behauptet. So fchon

Menfchenmeinungen über die Bibel zu prüfen und die
Bibel felbft zu mir reden zu laffen. Das walte Gott!'

im erften Theile, wo von der Gottesidee gefagt wird (S. 12). Im zweiten Capitel zeigt fodann K., wie unfer

(S. 8): ,Mit dem Beweife für das Dafein einer im Herzen
aller Menfchen und Völker wurzelnden Idee Gottes ift
aber auch der für das Dafein Gottes felbft erbracht'.
Das ift der hiftorifche Beweis in Verbindung mit dem
ontologifchen. Das ift doch gegenüber der feit Kant
mit Recht an diefem Beweis geübten Kritik nicht fo
einfach. Aehnliches ift zu fagen, wenn S. 22 der Trieb
des Menfchen nach Vollkommenheit ,ein fchwerwiegen-
der Beweis für das Dafein Gottes' genannt wird, der ihn

Chriftenglaube auf der Offenbarung Gottes in Chrifto Jefu
beruht und darum von der kritifchen Behandlung der h.
Schrift eine Beunruhigung oder Störung nicht zu fürchten
braucht. ,Was hat es auch nur mit meinem Chriftus-
glauben zu fchaffen, ob z. B. Jefaia 53 von Jefaja, dem
Sohne Amoz, alfo aus dem 8. Jahrhundert vor Chrifto, oder
von einem ungenannten Propheten des Exils, mithin aus
dem 6. Jahrhundert vor Chrifto flammt, fo lange der Ur-
fprung diefes „Evangeliums im Alten Teftament" aus dem

eingepflanzt habe und allein befriedigen könne. Ebenfo ! Geifte Gottes voll und ganz anerkannt wird'? (S. 20—21).

heifst es von der Erlöfung (S. 70): ,Der vorurtheilsfrei , Das dritte Capitel betont den menfehlichen Charakter,

Suchende und Forfchende wird nicht umhin können, [ welcher, unbefchadet ihrer Göttlichkeit, den heiligen

fich vor der Wahrheit der chriftlichen Lehre zu beugen'. | Schriften zukommt. ,Innerhalb des natürlichen wie des