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Ausgabe:

1895 Nr. 13

Spalte:

332-333

Autor/Hrsg.:

Grau, R. F.

Titel/Untertitel:

Gottes Volk und sein Gesetz. Bruchstücke einer biblischen Theologie Alten Testaments. Nebst einem Vortrag ‚Ueber das Buch Hiob‘ als Anhang 1895

Rezensent:

Siegfried, Carl

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Theologifche Literaturzeitung. 1895. Nr. 13.

332

fchrift wie DUR-RA - BI-GIM AB-SAR IGI-GAN ftatt
Klma labiri-su iatirlgnä) bari Klma labirisu essu satir
bari und eine andere Unterfchrift ftatt Kima labiri-su
satir-ma ba-rim Kima labirisu satirma essu bari lieft
(Sl 12 A. 1), oder dafs er Unterfchriften wie INIM-INIM-
MA UH(?)BUR-RU-DA NU NI-LU-KAN (Tafel II, 18)
ftatt ,Befchwörung zur Löfung von Zauberftoff mit einem
Bild aus Talg' überfetzt ,Sage die Befchwörung mit
flüfternder ftimme her! Ein Bild von Wachs (?) (Talg)
fei dabei'. Im Ganzen giebt die Ueberfetzung aber ein
gutes Bild von dem Inhalt der Texte.

Nichtaffyriologen werden in Tallqvift's Commentar
zu feinen Ueberfetzungen mit befonderem Intereffe feine
Ausführungen über die Functionen der meiften wichtigeren
affyrifch-babylonifchen Dämonen lefen (S. 126 ff.).
In verfchiedenen Hauptpunkten kann ich ihm nicht
beiftimmen. Die meift zufammengenannten Dämonennamen
Labartu (oder Lamas(s)tu), Labäsu und Ahhazu
deutet er als ,Bedrängerin', ,Spuk' und ,Vampyr'. Aber
was die Etymologie anbetrifft, fo ift fie nur für den letztgenannten
fo gut wie ficher. Ahhazu heifst fchwerlich
etwas Anderes als ,der Packer'. Was aber die Bedeutung
anbetrifft, fo läfst fich mit Sicherheit fagen, dafs (t)Labäsu
urfprünglich entweder ,Fieber' oder ,Schüttelfroft' wenn
nicht ,Kaltes Fieber' bedeutet, wahrfcheinlich Letzteres,
{l)Labartu (Lamas(s)tu) etwas Aehnliches und (a)Ahhazu
entweder urfprünglich einen Fieberdämon oder zunächft
eine Fieberkrankheit irgend welcher Art, wahrfcheinlich
(wegen feines Ideogramms) eine, die mit üblen Gerüchen
verbunden war. Labäsu ift uns als ein Synonym von
ummu (DP) und li'bu (anb) bezeugt (IV R2 8 Col. III, 2; f. die
Additions) und an einer Stelle bezieht fich dafselbe Ver-
bum l--b auf (L)labartu und li'bu (III R 60,39), ■"->as
Zeichen A (fonft u. A. auch = Waffer) in dem Ideogramm
von (l)Labäsu weift auf ,Kälte' hin. Die Befchwörungs-
formeln, die gegen die (L)labartu gerichtet find, ftellen
es durch ihren Inhalt ganz aufser Frage, dafs damit eine
Fieberkrankheit und deren Dämon gemeint ift. Die drei
befprochenen Namen bezeichnen alfo in ähnlicher Weife
fowohl fpecielle Krankheiten als auch Dämonen, welche
fie bringen, wie (N)namtäru und {A)asakku Krankheit
und Siechthum überhaupt und deren dämonifche Urheber,
wie die Getreidenamen zugleich an den Göttern haften,
welche das Getreide wachten laffen.

Nach dem Vorgange Anderer deutet Tallqvift die
Dämonennamen lila und llhtu (— hebr. n^b) unter der
Annahme, dafs fie mit b*b und affyr. lilati (= Abend!)
zufammenhängen, als ,Nachtmännchen' und ,Nachtweib-
chen.' Unmöglich ift diefe Deutung nun allerdings nicht.
Wir müfsten dann annehmen, dafs das entfprechende
fumerifche Wort lil(-l)a ein affyrifches Lehnwort oder
fpäter künftlich fabricirt ift. Nun heifst aber li(l-l)a im
Sumerifchen ,Wind'_ ,Lufthauch' (säru, zakiku) und von
einem Liln-mädchen (== ardat lili) heifst es (Add. zu
R35 No. 4), dafs fie durch das Fenfter (den Erker =
affyr. aptu) auf einen Menfchen zu hufcht (affyr. saräru,
auch vom gleitenden Waffer und von gleitenden Sternfehnuppen
gefagt). Es fcheint daher z. M. ebenfo naheliegend
, in lllu lllitu und ardat Uli Perfonificationen des
Lufthauchs, des dahinhufchenden Windes zu erkennen.
Die TfhA'i müfste dann, fo gut wie die Ü"H© von den
Babyloniern, den Hebräern von den Affyrern oder Baby-
loniern zugeführt fein. Dafs die ftib^b als ein ,Nachtge-
fpenft' gedacht wurde, geht aus Jefi 34,14 nicht hervor,
fo wenig wie die affyrifch-babylonifchen Texte dies für
lila, lllitu und ardat lili erweifen oder auch nur nahelegen
.

Sehr verdienftlich ift in der Einleitung des Buchs
eine Zufammenfaffung deffen, was fich aus den neuen
Texten und bereits bekannten an Auffchlüffen über die
Zauberer, Zauberinnen und deren Kunft ergiebt. Tallqvift
ift fo befcheiden, dafs er Lenormant's berüchtigtes
Werk über die Magie und Wahrfagekunft der Chaldäer

nur ,in einigen Sachen irreleitend oder veraltet' nennt.
Wir unfererfeits möchten behaupten, dafs die kurzen
Bemerkungen Tallqvift's über diefen Gegenftand, obwohl
fie in vielen Punkten zu berichtigen find, mehr Richtiges
enthalten, als das ganze Buch Lenormant's.

Dem Feuergotte Bilgi, der in der Maklu—d.i. ,Ver-
brennungs'(?)-ferie eine hervorragende Rolle fpielt, widmet
Tallqvift ein befonderes Capitel, in dem er durch die dort
angeführten Stellen die Richtigkeit der bisher kaum
bewiefenen Annahme, dafs mit ihm Nusku, der Götterbote
urfprünglich identifch ift, fraglos macht. Alfo das Feuer
Götterbote! Doch wohl das Feuer des zur Erde fahrenden
Blitzes. Vgl. Pfalm 103, 4. Manchen der in diefem Capitel
niedergelegten Anflehten mufs man widerfprechen, fo der,
dafs der herkömmlich Ea genannte Gott, den die affyrifch-
babylonifchen Texte zunächft als den allweifen Beherrfcher
des Waffers kennen, der ,Gott des kosmifchen fchaffen-
den Feuers' fein foll (S. 24). Die Auctorität Tieles kann
gegen die Texte nicht aufkommen. Man hat wohl fchon
früher auch aus Gilgamis, dem Helden des ohne gewichtige
Gründe Nimrodepos genannten Nationalepos
der Babylonier einen Wieland-Wölund machen wollen
und ihn für urfpr. identifch mit Gibil erklärt. Tallqvift
hält diefe Annahme für wahrfcheinlich. Allein die beiden

j find grundverfchieden. Gilgamis fährt nach der I2ten
Tafel des ,Nimrodepos' (!) über einen Flufs zur Unterwelt
hinab, um dort der Richter der Anunnaki zu werden,
wird alfo allerdings zum Gott. Allein, wie fchon fein
Name zeigt, ift er menfehlichen Urfprungs. Denn diefer
ift ein Compofitum, zufammengefetzt aus dem Gvottes-
namen Gil (ideographifch gefchrieben DINGIR. GIS. TU
(=== gif) und DINGIR. GIS. BIL (=gil) und dem Partici-
pium gamis (ideographifch gefchrieben BAR). Auch
wüfste ich keine Berührungspunkte fonftiger Art zwifchen
Bilgi und Gilgamis. Letzterer wird, wie viele andere
Götter, auch in der Maklü-Serie einmal erwähnt. Das
macht ihn aber nicht zum Feuergott.

Trotz vielerlei anderer Ausftellungen, die zu machen

I wären, ift Tallqvift's Werk eine fehr fchätzenswerthe
Leiftung, durch die er nicht nur uns Affyriologen, fondern
Jedem, den die Geheimwiffenfchaften des alten
Orients intereffiren, einen wichtigen Dienft gethan und
fich Anfpruch auf unferen Dank erworben hat.

Marburg. Jenfen.

Grau, f Prof- D. R. F., Gottes Volk und sein Gesetz. Bruch-
ftücke einer biblifchen Theologie Alten Teftaments.
Nebft einem Vortrag ,Ueber das Buch Hiob' als Anhang
. Aus dem Nachlafs. Gütersloh, Bertelsmann, 1894.
(IV, 164 S. gr. 8.) M. 2. —

Die vorliegende Sammlung, welche D. Zöckler in
Greifswald veranftaltet hat, enthält weniger wie der Titel
fagt, ,Bruchftücke einer bibl. Theol. A.T.'s', als Materialien
zu einer folchen, wie fie der zwar einen fehr pofi-
tiven theologifchen Standpunkt einnehmende, aber keineswegs
gegen andersartige wiffenfehaftliche Forfchungen
fich verfchloffen haltende Verf. aufzuhäufen und in feinen
Büchern dann in feiner Art zu verarbeiten liebte. Ein
grofser Theil des hier vorgetragenen Stoffs beruht auf
Excerpten, die fich der fleifsige Verf. aus den Arbeiten
zur femitifchen Religionsgefchichte von Baethgen, Wellhaufen
, Neftle u. a. angelegt hatte. Es würde wenig
nützen, fich hier mit dem Standpunkte des Verf.'s in
weitere Auseinanderfetzungen einzulaffen. Wir begnügen
uns daher, eine kurze Ueberficht über die hier vorliegende
Behandlung des Gegenftandes zu geben. Die erfte Studie:
,Sem, Ham und Japhet' (S. 1—16) macht den Verfuch,
diefe Namen als Chiffern der angeblich 3 Völkerclaffen
der alten Welt nach ihren religiöfen Grundverfchieden-
1 heiten in geiftreich finniger, bisweilen etwas fpielender
I Weife zu deuten. Bemerkenswerth ift, dafs dem Verf.