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Ausgabe:

1895 Nr. 1

Spalte:

14-16

Autor/Hrsg.:

Berthier, R. P.

Titel/Untertitel:

L‘étude de la Somme théologique de Saint Thomas d‘Aquin 1895

Rezensent:

Nitzsch, Friedrich August Berthold

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Theologifche Literaturzeitung. 1895. Nr. 1.

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Die Benutzung der Ausgabe ift durch diefe Einrichtung
einigermafsen erfchwert. Das Auge mufs beftändig von
dem oben flehenden Text zu den unteren Columnen
abfchweifen, wenn man in jedem Falle über die Ueber-
lieferung fich Klarheit verfchaffen will. Aber fleckt man
fich die Ziele einmal fo, wie es der Herausg. gethan hat,
fo wird fich die Sache wohl kaum vereinfachen laffen.
Der Druck ift dadurch freilich recht complicirt geworden
und die Sorgfalt, mit der die fchwierige Correctur durchgeführt
ift, verdient volle Anerkennung. Dafs fich eine
kleine Anzahl von Verfehen findet, kommt dem gegenüber
nicht in Betracht. S. 14, 6 lies iipoüfitvov ft. iipov-
/.tevov; unter den Varr. fehlt hipofuvov, wie Boiffonade
und Robinfon lefen. S. 16, 15 war die Conjectur xvov-
fisi'ov in der erften Notencolumne anzuführen; S. 20, 4
wäre entweder ulket v.ai oder gar nichts zu unterstreichen
gewefen; S hat Ll=u1. S. 24, 14 ift naqeiaäyovai unterstrichen
; aber S hat ^j^l; in der Note wäre anzuführen
gewefen, dafs S hier, wie fo oft, ein ,fürwahr' (>a^) zu
louS.1 fetzt; S. 25, 3 fehlt in den Noten: ,in die — Schlangen
S. om. G'; S. 26, 7 ift der Strich unter der Endung bei
t"/.aq>ov und xanoöv falfch; S lieft den S. 27, 2, erste
Notencolumne, z. 1. v.ivip/ov XCti fiotxov; in der zweiten
Notencolumne lehlt Z. 5 die Variante ,ßiaioD-ävuToq M'
cf. Robinfon; S. 28, 15, zweite Notencolumne: ,fürwahr
(>a^) eine Göttin'; S. 29, 4 zweite Notencolumne war
.Helfender' zu unterstreichen; denn G hat awr^giog; die
Variante von S zu ovrs Tvgxov ilt unverständlich. S. 30,12
war htgwv nicht zu unterstreichen; S. las wohl (trotz
Seeberg) halgcot: S. 35, 1 f. war ,Gott einer' zu unterstreichen
, wie es richtig auch bei G unterstrichen ift.
Die Bemerkung Z. 19 f. ift nicht genau; bereits Zahn
conjicirte bü_ statt uxo, (Gefch. d. NTlich. Kanons II,
823); übrigens gehörte die Bemerkung, wie die ähnliche
S. 7, 22, 8, 1—3 in die Noten. S. 40, 10—12 find Worte
unterstrichen, ohne dafs der entfprechende griechifche
Text angegeben ift. Vergleicht man diefe geringfügigen
Ausstellungen mit der von H. geleisteten mühfamen Arbeit
, fo wird man ihm feine Anerkennung nicht verfagen
können.

Auch in anderer Hinficht hat der Herausgeber feine
Aufgabe ernft genommen. Die Ueberfetzung von S, die
Raabe in den Texten und Unterff. IX, ib veröffentlicht
hat, ift im Allgemeinen zu Grunde gelegt; aber fie ifl
überall mit Unterstützung von Alfred Rahlfs (S. 16, zu
Z. 3) revidirt und vielfach genauer. Für A hat Dr. Karapet
Mkrttchian eine ganz neue Ueberfetzung angefertigt.
Die Indices find forgfältig (bei oly.nvof.iia ift die Stelle
[10, 1] vergeffen) und bergen eine Fülle exegetifchen
Materials.

Bei allen diefen Vorzügen leidet die Ausgabe doch an
einem Mangel. Der Herausg. hält eine Reconftruction für
möglich, imputirt daher dem Benutzer feine Anficht von
der urfprünglichen Geftalt der Apologie. In einem ausführlichen
Auffatz hat er die Frage nach der urfprünglichen
Textgeftalt eingehend erörtert (Zeitfchr. f. wiffenfeh.
Theol. XXXVI-, 1, 42 fr.). Danach hat er zwifchen den
beiden Extremen, dem der unbedingten Bevorzugung
von S oder der unbedingten Bevorzugung von G, eine
vermittelnde Stellung gewählt, indem er von Fall zu
Fall zu entfeheiden fucht, und ift dabei vorwiegend auf
Seite von G getreten. Ueberall da, wo nach feiner Anficht
G den urfprünglichen Text bewahrt hat, ift diefer
oben als Text gedruckt. Die oft recht umfangreichen
Varianten von S mufs man dann unten in den Noten
zufammenfuchen. Ich kann hier meine abweichende Anficht
nicht ausführlicher begründen. Aber ich meine,
fchon eine rein aprioriftifche Erwägung fpricht viel mehr
für die Urfprünglichkeit von S. Man hat bei G nicht
zu fragen, welche Stellen mufste G weglaffen, weil fie
ihm dogmatifch anftöfsig erfchienen, fondern welche Ablichten
verfolgte er, indem er die Apologie in feinen
Roman einarbeitete. Ihn leiteten vor allem literarifche
Intereffen, die ihm zahlreiche Kürzungen nahe legten.
Denn ihm kam es gewifs nicht darauf an, der Nachwelt
ein Schriftstück aus der Vergangenheit zu überliefern,
fondern nur darauf, feinem Roman einen Aufputz zu
verleihen. Bei S fallen derartige Intereffen völlig weg.
Der Ueberfetzer wollte ein Erbe der Vergangenheit auch
feinen Landsleuten zugänglich machen. Und das that er,
fo gut er es vermochte. Was Wright von der fyrifchen
Ueberfetzungsliteratur im Allgemeinen fagt, dafs die
Ueberfetzungen ,/airly good1 feien (Encycl. Brit?'XXII,
824 ,Syriac Literaturc') und was fich an zahlreichen
Ueberfetzungen erproben läfst (vgl. Gildemeifter, Rhein.
Muf. 1872, Ryffel, ib. 1893, desfelben Programme der
Leipz. Nicolaifchule 1880, 1881, feinen Gregorius Thauma-
turgus u. A.), das dürfte auch von S gelten, womit
natürlich nicht getagt fein foll, dafs nicht auch S fich
einzelne Eigenmächtigkeiten erlaubt hat. Freilich mochte
es nur einem Meifter gelingen, die Feinheiten eines
griechifchen Originales in feinem heimatlichen, fo gänzlich
verfchiedenen Idiome genau auszudrücken. Eben deshalb
mufs ich auch eine Rücküberfetzung in's Griechifche,
wie fie H. verfucht hat, für bedenklich halten. So gewandt
diefe Rücküberfetzung auch ift, den Lefer verläfst
nie der Eindruck: es ift möglich, dafs Ariftides fo fchrieb;
aber ebenfo leicht möglich, dafs er ganz anders fchrieb.
Wie fchwierig eine folche Rücküberfetzung ift, kann
man fich leicht klar machen, wenn man etwa die fyrifche
Ueberfetzung der unter dem Namen des Gregorius
Thaumaturgus flehenden Schrift über die Leidensunfähigkeit
Gottes in's Griechifche zurücküberfetzt und die
Rücküberfetzung mit dem erhaltenen griechifchen Originale
vergleicht.

Eine Ausgabe des Ariftides, die allen Anforderungen
gerecht wird und dem Urtheile des Lefers nicht vorgreift
, müfste G und S in Parallelcolumnen enthalten ■—
A ift lediglich Paraphraft und darum könnte er viel eher
in die Noten verwiefen werden —, unter denen die Varianten
u. f. w. Platz zu finden hätten. Ich glaube nicht,
dafs eine fo eingerichtete Ausgabe fehr viel mehr Raum
beanfpruchen würde, als die vorliegende.

Neben Seeberg's Ausgabe beanfprucht diejenige H.'s
mit Ehren ihren Platz. Erfetzen kann und foll fie jene
nicht; aber beide ergänzen fich vortrefflich, und letztere
empfiehlt fich durch ihre textkritifche Akribie, ihre gute
Ausftattung und ihren billigen Preis, der fich bei Partiebezug
für Seminarübungen noch dazu ermäfsigt.

Eberftadt bei Lieh (Heffen). Erwin Preufchen.

Berthier, R.P., L'etude de la Somme theologique de Saint
Thomas d'Aquin. Freiburg (Schweiz), Univertitätsbuchh.,
1893. (XXIII, 333 S. gr. 8.) Fr. 7. 50

Ein fo umfangreiches Buch — könnte man fragen
— nicht etwa über Thomas von Aquino überhaupt,
auch nicht über deffen Summa theol. überhaupt, fondern
allein über das Studium diefes Werkes? Nein! Ganz
fo weit geht Verf. in der That nicht. Vielmehr füllt den
gröfsten Theil feines Buches eine mit Raifonnements
und rhetorifchen Lobpreifungen ausgeftattete Analyfe
des Inhaltes der Summa des Thomas (in acht von den
elf Capiteln des Buches). Darauf folgen zuletzt noch
drei Appendices unter den Titeln 1 I. Un mot sur la politique
de saint Thomas et de Leon XIII; II. Üopinion de saint
Thomas sur PImmaculee Conception; III. Spiritisme et
hypnotisme d'apres samt Thomas. Von dem Studium der
Summa handeln nur die drei erften Capitel, und zwar
erörtert das erfte die Frage: Weshalb mufs man die
j Lehre des h. Thomas ftudiren?, das zweite die Frage:
j Weshalb mufs man in Sonderheit deffen Summa ftudiren?
Im 3. Capitel handelt es fich endlich um die Frage: Wie