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Ausgabe:

1895 Nr. 12

Spalte:

315-316

Autor/Hrsg.:

Wolkan, R.

Titel/Untertitel:

Die Anfänge der Reformation in Joachimsthal 1895

Rezensent:

Kawerau, Gustav

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Theologifche Literaturzeitung. 1895. Nr. 12.

316

herausgegeben werden. Eine Patrologia Syriaca miifste
eine der erften Vorarbeiten fein: wird fie unternommen?1)

Ulm. E. Neitle.

Wolkan. R., Die Anfänge der Reformation in Joachimsthal.

[Aus: ,Mittheilgn. des Vereins für Gefchichte der
Deutfchen in Böhmen'.] Prag, 1894. Czernowitz, beim
Verfaffer. (29 S. gr. 8.)

Die Anfänge der Reformation in der durch Joh. Mathe-
fius befonders berühmt gewordenen Bergftadt Joachimsthal
, über die jüngft auch G. Loefche in feinem Mathefius I
66 ff. einen guten Ueberblick gegeben hat, behandelt
Wolkan in der Weife, dafs er die Wirkfamkeit des Joh.
Sylvius Egranus in Joachimsthal zeichnet (S. 4—17) und
dann den auf- und niederfteigenden Einflufs Karlftadt's
(S. 17—29) in anfchaulicher Weife zur Darftellung bringt.
Neue Quellen find dabei nicht erfchloffen; die Unterlage
der Arbeit bilden vor allem die betr. Schriften beider
Männer felbft, die ihm aus Dresden und Wernigerode
zur Verfügung ftanden. Ich befchränke mich darauf, zu
dem erften Theil der Arbeit einige kritifche Anmerkungen
zu liefern. Wolkan hat ja völlig Recht, wenn er
beklagt, dafs auch für Egranus, jenen Mann der Mitte,
der die Mifsftände auf kirchlichem Gebiete klar fah, aber
doch von Luther fich fehr bald abwandte, um bei Erasmus
die Lofung im Kampf der Zeit zu fuchen und
daher zu den unglücklichen Leuten gehörte, die es mit
beiden Parteien verdarben, unter der Ungunft feiner
Stellung die Quellen fo fpärlich fliefsen, dafs wir feinen
Lebensweg zeitweife ganz aus den Augen verlieren. Es
ift ein unftätes Wandern, nirgends ein längeres Verweilen;
und manche Nachricht über ihn ift zudem fo gehäffig,
dafs ihre Glaubwürdigkeit recht zweifelhaft erfcheinen
mufs. Gleichwohl ift mit dem vorhandenen Material von
Nachrichten etwas weiter zu kommen, als Wolkan meint.
Zunächft mache ich darauf aufmerkfam, dafs Egranus in
Leipzig bei der Disputation Luthers gewefen und hier
mit ihm bekannt geworden fein mufs. Denn in feinem
Brief an Luther vom 7. Juni 1522 (Kolde Anal. p. 36
= Enders III 395) fleht in der Handfchrift hinter , Thomas
{Münzer) tuns, ut jactabat1 der hernach wieder getilgte
Satz ,qnem mihi commendaras Lipsie'. Wolkan läfst
ferner Egr., nachdem er Jubilate 1520 Zwickau verläfst,
im Juli 1520 in Strafsburg fein. Er beruft fich dafür
auf den Brief Cafp. Hedio's an Luther vom ,5. Juli 1320'.
Aber der Brief, den er meint — Enders II 422 —, ift
datirt ,Basileae IX. Kai. Julih, alfo vom 23. Juni 1520
und aus Bafel, wo Hedio damals noch lebte. Zudem
erfehen wir aus der Enders'fchen Note3 S. 422, dafs
Egranus erft bei Pirkheimer in Nürnberg, dann bei
Adelmann in Augsburg gewefen ift und nun den Bafeler
Erasmianerkreis auffucht. Darauf befuchte er Beatus
Rhenanus in Schlettftadt und war dann Ende Juli bei
Otto Brunfels in der Karthaufe bei Strafsburg (Hartfelder-
Horawitz, Briefw. d. Beat. Rhenanus S. 243). Dann aber
finden wir in dem kleinen Druck ,Oecolampadii der hey-
ligen fchrifft Doctor . . . vrteyl vnd maynung . . . Doctor
Martin Luther belangend' 1521 auf Bl. a. 3b den Brief
eines Leipzigers, der kurz nach Melanchthon's Hochzeit,
alfo Ende 1520, niedergefchrieben ift, gerichtet an ,Chrift-
licher leer Doctorn zu Zwicken. Magiftro Joanni Egrano

1) Nachtrag bei der Correctur: Mittlerweile ifl der erfte Band einer
Patrologia syriaca von Paris aus erfchienen (f. die Bibliographie in
Spalte 142: ftatt anntim 350 giebt die Rev. crit. 7 p. 121 im Titel:
annum 360; was ift richtig?); ob fie den zu ftellenden Anforderungen
entfpricht, kannRef. noch nicht beurtheilen; nach der Anzeige Duval's a.a.O.
fcheint fie nicht ganz praktifch eingerichtet. Ebenfowenig weifs Ref. zu
fagen, ob von dem Inhalt des hier angezeigten Bandes nicht auch fchon
einiges in einer Publication von O. F. Tullberg gedruckt ift, die dem
Ref. noch nie zu Geficht kam und den Titel hat: Libri qui inscribitur
Paradisus Patrum partes selectae e codd mss. mus. Britt. et bibl. Vati-
canae excerptae notisque illustratae. Upsalae 1851. 40. pars I—7.

feynem liebften Bruder'. War er alfo nicht Ende 1520
wieder nach Zwickau zurückgekehrt? Jedenfalls kann er
erft während Luther's Reife nach Worms nach Joachimsthal
übergefiedelt fein; fonft würde er fchwerlich, als er
Pfingften 1522 dem aus feinem Patmos nach Wittenberg
zurückgekehrten Luther feinen Glückwunfeh ausfprach,
noch haben wie eine Neuigkeit melden können: in Vallem
perveni (Kolde S. 36). Herzog in der Chronik von Zwickau
II 192 läfst ihn Ende April 1521 dorthin überfiedeln.
Uebrigens war Stephan Roth nicht, wie S. 12 angegeben
ift, feit 1519 Rector in Joachimsthal, fondern trat diefe
Stelle erft Oftern 1520 an (G.Müller in Beitr. zur fächf.
KG I 55).

Der Brief an Hausmann, in dem Egr. felber feiner
Vertreibung aus Joachimsthal gedenkt, ,dürfte in das J.
1524 fallen', Wolkan S. 11. Es läfst fich das mit aller
Beftimmtheit behaupten, da ja Luther in feinem Briefe
vom 27. Okt. 1524 einen Paffus aus diefem Briefe wörtlich
citirt (vgl. fchon Kolde S. 36 Anm. Enders V 39).
,Ueber das Leben des Egr. feit feiner Vertreibung aus
j Joachimsthal wiffen wir fo viel wie nichts' S. 15. Nun
] wir wiffen doch wenigftens, dafs er von Joachimsthal
thatfächlich zu feinem Erasmus nach Bafel gezogen war,
bei dem er im Juli weilte, und dafs er dann wieder zn
Pirkheimer nach Nürnberg ging (Enders V 40). Und wenn
er dann abermals in Zwickau auftaucht, fo mag das
wohl damit zufammenhängen, dafs er noch 1527 zwei
Altarlehen in diefer Stadt befafs (Herzog Chronik II 859).
Leider hat fich Wolkan hier verleiten laffen, eine Nachricht
Weller's (Altes aus allen Theilen der Gefch. II 782)
ungeprüft herüber zu nehmen, nach welcher Luther noch
| 1527 ihn an Hausmann mit warmen Worten empfohlen
j haben foll. Jedenfalls gab ihn Luther jetzt noch nicht
ganz für feine Sache verloren'. Wie, derfelbe Luther,
der fchon 1522 von ihm fchreibt: portenta seminat (Enders
III 351)? Weller citirt ; Walch XXV 1368'; und dazu
.Brief an St. (flatt an Nie.) Hausmann'. Diefe doppelte
j Flüchtigkeit müfste fchon ftutzig machen. Der Brief fleht
! Walch XXI 1368 = Enders VI 81. Wir fchlagen nach —
von Egranus keine Silbe! Was Weller anführt, fchreibt
Luther a. a. O. zur Empfehlung des Steph. Roth, aber
nicht zur Empfehlung des Egranus! Wie Luther über
letzteren denkt, zeigt de W. III 468: ^Erasmus, Egranus
et similes1 und noch kräftiger de W. IV 207. Als Datum
| feines Todes bietet Herzog übrigens den 11. Juni 1535.
In diefem Abfchnitt wäre alfo mancherlei Nachbefferung
möglich und erforderlich. Die bibliographifchen Angaben
des Verf.'s erweifen fich, foweit ich nachprüfen konnte,
als im Ganzen correct; die Abweichungen, die ich mir
I notirt habe, find zu unbedeutend, als dafs ich fie hier
aufführen möchte. Nur bemerke ich, dafs S. 22 Z. 10 v. u.
der mir vorliegende Druck ,orftlich', nicht ,erftlich' hat.

Breslau. G. Kawerau.

Beiträge zur Landes- u. Volkskunde von Elsass-Lothringen.

18. Hft. Strafsburg, J. H. E. Heitz, 1894. (gr. 8.) M. —. 80

Der lateinifche Dichter Johannes Fabricius Montanus (aus Bergheim
im Elfafs) 1527—1566. Seine Selbftbiographie in Profa und Verfen,
nebft einigen Gedichten v. ihm, verdeutfeht vonThdr. Vulp i n u s. (27 S.)

Theodor Vulpinus (Renaud), dem wir die Verdeutfch-
ung der Hauschronik Konrad Pellikan's (Strafsb. 1892)
verdanken, erneuert in der kleinen Schrift das Andenken
eines wenig Gekannten, des Humaniften und Theologen
Joh. Fabricius aus Bergheim (Montanus), der 1566 als
Pfarrer in Chur geftorben ift. Seine theolog. Schriften,
deren Verzeichnifs S. 3 gegeben wird, find fo gut wie
verfchollen — dafs er ein Schüler des Andr. Hyperius
gewefen ift, bekunden noch eine Methodus studiorimi
und eine kleine Schrift De formandis concionibns (S. 16).
Bekannter geblieben find feine lateinifchen/V««tfto(Zürich
1556), aus denen noch jüngft G. Ellinger in feinen ,Deut-