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Ausgabe:

1895 Nr. 1

Spalte:

12-14

Autor/Hrsg.:

Hennecke, Edgar

Titel/Untertitel:

Die Apologie des Aristides. Die griechischen Apologeten: Hft. 3 1895

Rezensent:

Preuschen, Erwin

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Theologifche Literaturzeitung. 1895. Nr. 1.

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England gebracht hatte (Berger 37). Der Codex von
Lindisfarne flammt, wie fich nachweifen läfst, aus einem
Archetypus, der von Neapel nach England gebracht ift
(Berger 39). Diefem Thatbeftand entfpricht nun die in
ihrem Text fich zeigende nahe Verwandtfchaft. Die
Frage, die hier in Betracht kommt, liefse fich nun faft
fo zufpitzen: Weift die Verwandtfchaft von A und Y
auf ihre gemeinfame Heimath Italien zurück, oder haben
fie ihren gemeinfamen Typus erft in England erhalten?
D. ift von vorneherein geneigt, der Gruppe AY
einen entfchiedenen Vorzug zu geben. Er beobachtet
fchon bei der erften Zufammenftellung (67), dafs A keiner
beftimmten Gruppe zugehört, und ift geneigt, in A einen
^neutral text' zu finden. Die Beobachtung aber, dafs A
mit fämmtlichen Gruppen eine verhältnifsmäfsig hohe
Anzahl von Uebereinftimmungen aufweite, legt ebenfo-
wohl die Annahme eines Mifchtextes, wie die eines
neutral text nahe. Es kommt auf die Werthbeurtheilung
der in A enthaltenen Lesarten an. 76 f. befpricht D.
fünf Sonderlesarten von A. Hier haben mich die Ausführungen
D.'s nicht überzeugt. Möglich ift, dafs A in
quaterde)iario allein das Richtige erhalten hat. Bei drei
Lesarten (+ est; «vi domini adventus; in hoc studio) kann
nicht entfchieden werden. Jedenfalls aber ift gegen A
ex Judaea zu lefen. Von den Lesarten, über die fonft
noch D. zu Gunften von A gegenüber W. a. W. urtheilt,
hat er bei der Lesart deum (ft. dominum) wohl entfchieden
Recht, die übrigen Behauptungen fcheinen mir
zweifelhaft. S. 95 fetzt D. den Beweis fort. Hier haben
allerdings AY zweimal allein das Richtige bewahrt.
Z. 11 > caro, Z. 15 totum in primis (f. den Text 98).
Dagegen ift durchaus die Lesart Z. 6 lectionis (ft. elec-
tionis) in AYOX zu verwerfen (vgl. S. 71 denfelben
Fehler in ZY GH) und ebenfo Z. 16 die fchlecht bezeugte
Lesart explosionem (AEp').

Im Lucasargument hat A ja allerdings mit der
hibernifchen Clafle mehrere wichtige Lesarten bewahrt.
Ich glaube aber, dafs Z. 33 gegen AEp'QD demonstrare
zu ftreichen und gegen AY Ep' D prodidisse in den Text
aufzunehmen ift. Mit angelfächfifchen (!) Hndfchrn. theilt
A hier ferner die orthographifchen Varianten anthiocen-
sis AOY und bythinia AX. Eine letzte Unterfuchung
nimmt D. in ff. (zu Mtt. 23) vor. Hier ftellt fich noch
mehr die Verwandtfchaft von AY heraus, zugleich zeigt
fich, dafs AYMF eine Gruppe bilden. Mtth. 23,6, wo
MM'«KVZW. J. CBG DL gegen AYF OXI TH
RQEEp' flehen, giebt D. felbft nach vorfichtiger Unterfuchung
M den Vorzug. Ferner kommen Orthographica
in Betracht V. 5 philacteria AFOsax- X al. V. 15 circuitis
AXYOc al. V. 24 gluttieiites AYFX. V. 37 quoties AY.
V. 39b persequimini AYFOJ al. V. 18 wird gegen A
quicumque (nicht gut) gelefen. In allen diefen Fällen
giebt D. felbft den geringeren Werth von A zu. — So
fleht es alfo Alles in Allem genommen fo, dafs A Y — auch
allein — zwar einige ursprüngliche Lesarten bewahrt
haben, hingegen fich auch die Beobachtung aufdrängt,
dafs AY eine Reihe namentlich orthographifcher Eigentümlichkeiten
, dann aber auch wichtigerer Varianten
mit der angelfächfifchen Gruppe theilen. Berger
S. 38 bejaht daher wohl mit Recht die Frage, ob der
Archetypus des Amiatinus bei feiner Wanderung nach
England angelfächfifchen Charakter angenommen habe,
(f. die Zufammenftellung, die er ib. Anm. i giebt; ich
notire Mtth. 2, 2 quid (ft. quod) A Y X 3,4 suos {eins)
AYXC 4,25 decapolim AYX 5, 5 lugunt AYZ 20, 17
hierosolymis (ft. am) AYOXc 25, 41 ad (ft. a) AY.
dazu verweife ich noch aufLc. 14, 31 AY HOX adversum.)
Nach diefen Stellen wird es höchft wahrscheinlich, dafs
AY ihren auf's engfte verwandten Texttypus erft in
Nordengland erhalten haben. Es ift uns in AY
alfo keineswegs ein neutraler Text aufbewahrt. Gegen
die Annahme eines folchen neutral text wird man überhaupt
in jedem Fall ganz befonders fkeptifch fein dürfen.

Diefelbe hat auch in D.'s Unterfuchung etwas den fiche-
ren Blick getrübt und das Urtheil voreingenommen gemacht
. Wo AYF M oder AYF refp. AYM überein-
ftimmen, werden wir gut thun, nicht von einem neutralen,
fondern einem italienifchen Text zu reden.

Wir find in der letzten Zeit in der Textkritik der
Vulgata um einen ganzen Ruck vorwärts gekommen.
Und den hier bahnbrechenden Werken von Wordsworth
und White und von Samuel Berger fchliefst fich die
kleinere Schrift von Dobfchütz würdig an, reichliche
Anregung und Förderung bietend.

Ich verbeffere noch einen den Zufammenhang der
Darlegung Hörenden Druckfehler: 70 Sp. 2 Z. 17 lies in
ft. ad und in der entfptechenden Note ad flatt in (vgl.
78 Z. 10 v. u.).

Göttingen. W. Bouffet.

Hennecke, Lic. Edgar, Die Apologie des Aristides, Recen-
fion und Rekonftruktion des Textes. Die griechifchen
Apologeten: Hft. 3. [Texte u. Unterfuchgn. zur Ge-
fchichte der altchriftl. Literatur, hrsg. von O. v. Gebhardt
u. A. Harnack, IV. Bd. 3. Hft.] Leipzig, Hinrichs,
1893. (XX, 63 S. gr. 8.) M. 3. -

Die eigentümlichen Schwierigkeiten, mit denen die
Textüberlieferung der Ariftidesapologie verknüpft ift,
mögen daran Schuld fein, dafs diefe Schrift weniger zu
Bearbeitungen herausgefordert hat, als andere Funde auf
dem Gebiete der urchriftlichen Literatur. Doch haben
wir zwei Ausgaben erhalten, die fich in gewiffer Weife
ergänzen und das Bedürfnifs vorläufig befriedigen. Ueber
die Ausgabe von Seeberg (Forfchungen z. Gefch. d.
NTlichen Kanons u. d. altchr. Lit. V) hat der Herausgeber
der hier anzuzeigenden Ausgabe in diefer Zeitung
(Nr. 17) berichtet. Für die äufsere Anlage feiner Edition
waren H. die Richtlinien durch den Zweck vorgezeichnet.
Sie foll dem Hand- und Seminargebrauche dienen, darf
darum nicht umfangreich und theuer fein. Wie die bereits
erfchienenen Apologetenbände mufste fie fich auf
einen rein fprachlichen Commentar befchränken und
konnte fachliche Bemerkungen nur foweit geben, als fie
fich im Rahmen der Indices unterbringen liefsen. Dort

' find, wie von Schwartz, fo auch von H. werthvolle
Nachweife in ausreichendem Mafse gegeben, fodafs die
Indices bis zu gewiffen Grenzen einen Realcommentar
zu erfetzen vermögen.

Für die Ausgabe felbft fleckte fich H. das Ziel, die wahrscheinliche
Urgeftalt zu geben und zwar in einer Weife, dafs
die Bezeugung des urfprünglichen Textes auch äufserlich
deutlich in die Augen fpringe. Letzteres gefchieht durch
untergefetzte Striche für die Partien, in denen alle
Zeugen (Grieche [G], Armenier [A] und Syrer [S] refp.
G und S) übereinftimmen, durch untergefetzte Punkte
für die Stellen, wo zwei Zeugen gegen den dritten

| flehen. Läfst fich der urfprüngliche Wortlaut nicht mit
Sicherheit eruiren, fo werden die verfchiedenen Ueber-
lieferungen in Parallelcolumnen nebeneinander geftellt,
und zwar in c. 3—17 fo, dafs das Linksstehende die
gröfsere Wahrfcheinlichkeit der Urfprünglichkeit hat. Der
Commentar enthält in drei Horizontalcolumnen 1) die
Rücküberfetzung des von S gebotenen Textes in's Griechische
für die Stellen, die bei G fehlen, 2) die Varianten
der feither bekannten Parifer, Wiener, Oxforder,
Cambridger, Wisbecher Hff. des Barlaam und Jofaphat,
zu denen noch vier vom Herausgeber neu verglichene
Münchener kommen (eine vollständige Collation des in
Betracht kommenden Theiles diefer Hff. S. VI—XV),
3) die Varianten von G, S, A in ihrem gegenseitigen
Verhältnifs. Auf einzelnen Seiten kommt dazu noch eine
vierte Columne, die an zweiter Stelle Steht und die
biblifchen Parallelen enthält.