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Ausgabe:

1895

Spalte:

279-281

Autor/Hrsg.:

Reinach, Théod.

Titel/Untertitel:

Textes d‘auteurs grecs et romains relatifs au Judaisme réunis, traduits et annótes 1895

Rezensent:

Schürer, Emil

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279 Theologifche Literaturzeitung;. 1895. Nr. Ii. 280

mit dem neuen Gefetzbuch zu Einem Corpus zu vereinigen
und fortan den Schriftgelehrten die Ausgleichung
der vielfach heterogenen Stoffe zu überlaffen, das ift
pfychologifch und literarkritifch durchaus verftändlich.
Dafs aber Esra in einer äufserft fchwierigen Lage anftatt
eines compendiöfen, leichtfafslichen und verhältnifsmäfsig
leicht durchführbaren Gefetzes ein fo maffiges, aus den
heterogenften Beftandtheilen zufammengefchweifstes Ge-
fchichts- und Gefetzeswerk zum Gegenftand einer eidlichen
Verpflichtung hätte machen follen, das erfcheint
uns durch die Umftände fchlechthin ausgefchloffen. Dafs
der von Nehemia vertriebene Schwiegerfohn Sanballat's
den Pentateuch zu den Samaritanern gebracht habe
(S. 148), ift eine blofse Vermuthung und fällt fomit für
die chronologifche Fixirung des endgiltigen Abfchluffes
des Pentateuchs aufser Betracht. Referent verzichtet
darauf, feine abweichende Meinung noch in einigen anderen
Punkten näher zu begründen. Ich rechne dahin
insbefondere das abfällige Urteil nicht nur über Esra,
fondern auch über Nehemia S. 133 f., fowie die Behauptung
auf S. 315, dafs fich Jefus von der [meffianifchen]
Hoffnung feines Volkes vollkommen losgefagt habe. Statt
aller Einzelheiten möge vielmehr zum Schlufs noch ein
allgemeines Defiderat ausgefprochen fein. Es heifst doch
die fchriftftellerifche Vornehmheit etwas zu weit treiben,
wenn mehrmals wichtige Belegftellen (fo S. 58 dicht
nacheinander aus Deut. 33 und Gen. 49; S. 75 aus Jef. I;
S. 98 aus Jer. 7) in Gänfefüfschen, aber ohne Angabe des
Fundorts mitgetheilt werden; auch die Herkunft der langen
Citate auf S. 306 und S. 339 dürften nur wenige Lefer
(Referent gehört nicht zu ihnen) ohne weiteres errathen.
Ein wenig mehr Entgegenkommen in diefem Punkte würde
den hohen Vorzügen der Darftellung, die wir oben bereitwillig
anerkannt haben,, keinen Eintrag thun.

Halle a. S. E. Kautzfeh.

Rein ach, Theod., Textes d' auteurs grecs et romains rela-
tifs au Judaisme reunis, traduits et annotes. Paris,
Leroux, 1895. (XXII, 376 p. gr. 8.)

Eine Sammlung der Texte griechifcher und römifcher
Schriftfteller, welche von den Juden handeln, ift fchon
vor mehr als fechzig Jahren von Carl Meier veranftaltet
worden (Iudaica seu veterum scriptorutn profanorum de
rebus Iudaicis fragmenta collegit Fr. Carolus Meier.
Jenae 1832). Sie war als erfter Verfuch anerkennenswerth
und nützlich. Wie viel aber zur Vollftändigkeit' fehlte,
zeigt jetzt die neue äufserft reichhaltige Zufammenftellung,
welche uns Theod. Reinach in dem obigen Werke
bietet. Sie ift mit fo umfaffender Sachkenntnifs gearbeitet
, dafs das Ziel der Vollftändigkeit wohl nahezu erreicht
ift. Eine Menge von Autoren, welche bei Meier
fehlen, find hier herangezogen.

Ausgefchloffen find die jüdifchen und chriftlichen
Schriftfteller; denn der Gedanke war, die Nachrichten
und Urtheile, welche bei den nicht-jüdifchen und nicht-
chriftlichen Schriftftellern des Alterthums über die Juden
fich finden, zufammenzuftellen. Aufser den Nachrichten
und Urtheilen über die Juden find aber auch die auf die
Geographie von Paläftina bezüglichen Stellen aufgenommen
. Die Texte werden im vollftändigen Wortlaute
mit franzöfifcher Ueberfetzung und kurzen Anmerkungen
mitgetheilt. Es ift eine bunte Gefellfchaft, die an unterem
Auge vorüberzieht: Hiftoriker, Geographen, Philo-
fophen und Dichter. Der Umfang der Texte ift fehr
verfchieden: zuweilen nur ein Satz oder ein paar Verfe,
zuweilen umfangreiche Abfchnitte von mehr als zehn
Seiten. Den Reigen der griechifchen Autoren eröffnet,
wie fchon bei Meier, Herodot mit feiner Nachricht, dafs
auch die 0oLvi/.£q xal Svqoi oi sv zi Ilalaiörivrj die Be-
fchneidung haben. Faft taufend Jahre fpäter lebte der
letzte der griechifchen Autoren, welchen Reinach berück-
fichtigt, der neuplatonifche Philofoph Damascius (erfte

Hälfte des fechffen Jahrh. nach Chr.). Die Reihe der
lateinifchen Schriftfteller beginnt mit Cicero und geht
bis zu dem Dichter Rutilius Namatianus (416 n. Chr.).
Eine dankenswerthe Beigabe ift die Mittheilung des Panier
Papyrus Nr. 68, welcher auf einen Juden-Aufftand
in Alexandria in der Kaiferzeit fich bezieht, p. 218—226
(s. meine Gefch. I, 53 und die eingehenden Unterfuchungen
von Wilcken, Hermes XXVII, 1892, S. 464—480, und
Rein ach, Revue des etudes juives t. XXVII, 1893, p.
70-82).

Zur Contrdje der Vollftändigkeit konnte ich ein umfangreiches
Manufcript benützen, welches Herr Dr. Wilh.
Kellner in Hungen (Grofsherzogthum Heffen) vor zwei
Jahren mir gütigft überlaffen hat (er ift der Verf. der
Doctor - Differtation De fragmentis Manethonianis quae
apud Josephum contra Apionem I, 14. et I, 26 sunt, Marburg
1859). Das Manufcript verfolgt denfelben Zweck,
wie das vorliegende Werk von Reinach. Die vom Verf.
gewünfehte Drucklegung wäre jetzt nach dem Erfcheinen
des letzteren nicht mehr zeitgemäfs. Ich erfülle aber
gerne eine Pflicht der Dankbarkeit, indem ich die fleifsige
Arbeit hier erwähne. Eine Vergleichuug derfelben mit
Reinach's Werk ergab ein für diefes fehr günftiges Re-
fultat. Abgefehen von den Stellen jüdifcher und chrift-
licher Verfaffer, welche R. mit Abficht weggelaffen hat,
j fand ich bei Kellner nur ein paar von R. überfehene
I Stellen. Bei Arrian (S. 154k) wäre aufser Epict. II, 9
auch ebendaf. I, 11 u. 22 zu benützen gewefen; und bei
1 Varro (S. 242) aufser Auguftin, Civ. Dei IV, 31 auch
Auguftin, De consensu evangelist. I, 22 {ed. Maurin. t.
' III, 2 col. Ci ed. 2.).

Im Uebrigen weifs ich auch an eigenen Nachträgen
nur wenig beizubringen. Am meiften Material würde die
1 geographifche Literatur liefern, wenn diefe vollftändig
| aufgenommen werden follte. Da Strabo, Mela und Pli-
I nius berückfichtigt find, ift es nicht confequent, dafs andere
fehlen (z. B. Skylax, Ptolemäus, das Itinerarium
' Antonini). Bei Galenus fehlt die intereffante Notiz über
den jüdifchen Kalender (opp. ed. Kühn t. XVII p. 23,
f. meine Gefch, I, 626), bei Julian die über die Abgabe
gewiffer Fleifcfiftücke beim Schlachten an die Priefter
j {Cyrill, adv. Julian, p. 306 A, 1. meine Gefch. I, 551). Bei
| Celfus hätte aufser den mitgetheilten Stellen auch deffen
ganze Polemik gegen das Alte Teftament {Origenes
contra Cels. IV, 36—51) berückfichtigt werden müffen,
denn diefe richtet fich mehr gegen die Juden als gegen
die Chriften. Aus der Scholien-Literatur hätten die in-
tereffanten Scholien zu Juvenal. IV, 117. III, 13. VI, 542
1 Berückfichtigung verdient (dazu Rönfch, Jahrbb. für claff.
Philol. 1881, S. 692fr. 1885, S. 552). Doch diefe einzelnen
Ergänzungen find verfchwindend gegenüber der Fülle des
Gebotenen.

In den erläuternden Bemerkungen hätte zu den aus
Jofephus' Schrift gegen Apion entnommenen Stücken der
reichhaltige Commentar von Gutfchmid (Kleine Schriften
Bd. IV) erwähnt werden können. Es ift dies nur bei
Apion (S. 123) gefchehen, nicht aber bei Klearchus (S. 10),
Manetho (S. 20), Berofus (S. 34), Menander (S. 44), Dius
(S. 47). — Bei Horaz (S. 246) ift mir aufgefallen, dafs
auch Reinach die bei den philologifchen Erklärern noch
herrfchende Rathlofigkeit in Betreff der tricesima sabbata
theilt. Er bemerkt zwar richtig, dafs der dreifsigfte Sab-
bath im jüdifchen Kalender keine Bedeutung hat, fährt
aber dann fort: il est possible que le poete dans son igno-
rance ait cru que le sabbat revenait tous les trente jours,
et lait confondu avec la neom'eme. Dafs Horaz gemeint
haben foll, der Sabbath werde nur alle dreifsig Tage
gefeiert, ift unmöglich. Der dreifsigfte Tag kann nur der
Neumond fein, der auch bei Commodian fo heifst {lnstr.I,
40, 3: et sabbata vestra spernit et tricesimas Altus, Carmen
apologet. 688: ac idolis servit, Herum tricesimam quaerit).
Es wird alfo zu überfetzen fein: .Heute ift Dreifsigfter,
ein Fefttag' (vgl. Stowaffer und Graubart, Zeitfchr.