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Ausgabe:

1895

Spalte:

255

Autor/Hrsg.:

Strack, Herm. L.

Titel/Untertitel:

Einleitung in den Thalmud. 2., teilweise neubearb. Aufl 1895

Rezensent:

Schürer, Emil

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255 Theoiogifche Literaturzeitung. 1895. Nr. 10. 256

Beiden gerecht werden will: der hiftorifchen Kritik und
der rabbinifchen Tradition. Ich fürchte, dafs damit beide
Theile nicht zufrieden fein werden. Denn wie die Tradition
dabei nicht zu ihrem Rechte kommt, fo auch nicht
die Kritik. Letztere kann gegenüher den gleichzeitigen
Zeugnifsen des Jofephus und des Neuen Teftamentes den
fpätrabbinifchen Meinungen keinerlei Beweiskraft zuerkennen
. Der Verf. giebt felbft eine Haupt-Inftanz Preis,
indem er die einzige Stelle der Mifchna, an welcher
deutlich gefagt ift, dafs die Schulhäupter der Schriftge-
iehrten Vorfitzende des Synedriums gewefen feien (Cha-
giga II, 2: Von den fünf Paaren waren je der Eine Nah,
der Andere Ab-Beth-din), für eine fpätere Interpolation
erklärt, und zwar unter fehr treffender Nachweifung ihrer
Ifolirtheit in der Mifchna (S. 37—42). Was aber dann
noch übrig bleibt, um die Thefe des Verf. zu ftützen, ift
zum Stich zu fchwach. Denn all' das Material, das er
unter Aufwendung grofsen Fleifses und grofser Gelehr-
famkeit zufammenbringt, beweift immer nur, dafs die
Schulhäupter einflufsreiche, vielleicht mafsgebende ju-
riftifche Autoritäten waren, nicht aber, dafs fie an der
Spitze der oberften politifchen Behörde des jüdifchen
Volkes geftanden haben.

Göttingen. E. Schürer.

Strack, Prof. D. Herrn. L., Einleitung in den Thalmud. [Aus:
,Real-Encyklopädie f. proteftant. Theol. u. Kirche'.]
2., teilweife neubearb. Aufl. [Schriften des Institutum
judaicum in Berlin Nr. 2.] Leipzig, Hinrichs, 1894.
(VIII, 135 S. gr. 8.) M. 2. 50

Die erfte im J. 1887 erfchienene Auflage diefes Buches
war ein Separat-Abdruck des Artikels ,Thalmud' aus
Herzog's Real-Enc. 2. Aufl. Bd. XVIII. Wie fehr diefe
Sonderausgabe willkommen war, zeigt der Umftand, dafs
fie fchon feit längerer Zeit vergriffen war.

Für die neue Auflage hat Strack einige Abfchnitte
neu eingefügt (S. 56—58 über die halachifchen Midrafchim,
S. 103—icö Ueberfetzung eines Abfchnittes aus dem
Tractat Chullin als Probe der halachifchen Discuffion),
andere bedeutend erweitert (S. 67—72 über die Hand-
fchriften des Thalmud, S. 77—93 Verzeichnifs der in der
Mifchna und den beiden Thalmuden citirten Schriftgelehrten
, S. 98—103 Hermeneutik des Thalmud, bef. über
die 32 Regeln des R. Eliefer ben Jofe ha-Gelili). Durchweg
aber ift der Text revidirt und durch zahlreiche Literatur
-Nachträge ergänzt, wie überhaupt die Bibliographie
überall mit der gröfsten Sorgfalt behandelt ift.

Zur Empfehlung des Buches brauche ich für Kenner
nichts zu fagen. Strack ift feit Delitzfch's Tode unter
den chriftlichen Gelehrten eine der erften Autoritäten
auf dem Gebiete der thalmudifchen Wiffenfchaft. Diefe
,Einleitung in den Thalmud' zeichnet fleh ebenfo durch
Zuverläffigkeit wie durch Reichthum des Gebotenen aus;
und die Anordnung ift dabei fo überfichtlich, dafs das
Buch für Anfänger wie für Geförderte in gleichem Mafse
brauchbar und nützlich ift.

Göttingen. E. Schürer.

S. Optati Milevitani libri VII, recensuit et commentario
critico indieibusque instruxit Carol. Ziwsa. Accedunt
X monumenta vetera ad Donatistarum historiam per-
tinentia. [Corpus scriptorum ecclesiasticorum lati-
norum, vol. XXVI.] Wien, Tempsky, 1893. (XLVI,
332 S. gr. 8.) M. 9. 60

Nach den verfchiedenen Nieten, die die Leitung des
Wiener Corpus mit einer Anzahl der zuletzt erfchienenen
Bände gezogen hat, ift es erfreulich, diefe forgfältige
Ausgabe des Werkes des Optatus als einen Treffer bezeichnen
zu können. Man mag es immerhin bedauern,

dafs nicht andere Schriftfteller, von denen eine kritifche
Ausgabe weit mehr noth thäte, wie Hieronymus, Nova-
tian u. A., vorher zu Wort gekommen find. Denn gerade
I für Optatus war man durch die Ausgabe von Du Pin
der im Wefentlichen diefelben kritifchen Materialien zu
Grunde liegen, wie der hier anzuzeigenden, nicht übel
berathen, fo mangelhaft auch der vielfach ftatt der Ori-
| ginalausgaben benutzte Oberthür'fche Nachdruck ausgefallen
war. Allein das fchmälert nicht den Dank, den
man dem Herausgeber für feine, mit anerkennenswerther
Genauigkeit hergeftellte Ausgabe fchuldet, durch die wir
j zum erften Male in Stand gefetzt werden, die Ueber-
j lieferung der Schrift deutlich zu erkennen.

Die Collationen fcheinen, foweit fich darüber ohne
! eigene Nachvergleichung urtheilen läfst, mit grofser
Akribie angefertigt zu fein. Ueberall find die Correc-
turen der fpäteren Hände angemerkt und damit ift es
j ermöglicht, das Verwandtfchaftsverhältnifs der einzelnen
1 Hff. nachzuprüfen. Nur an wenigen Stellen ift aus dem
i Commentar nicht ganz klar erfichtlich, wie die einzelnen
I Zeugen lefen. P. 419 est in euangelio GB ftatt in qua
j lege scriptum est, oder hinter est, fo dafs zwei Lesarten
contaminirt wären? p. 422 ift undeutlich, welches quaerere
gemeint ift; p. 61 ift nicht gefagt, ob der Zufatz zweier
1 Zeugen hinter euertere Z. 17 oder Z. 20 zu fuchen ift;
p. 7118 ftatt una ecclesia oder ftatt ecclesiam? p. 1457
wie lefen CG, quod hoc sie, oder quod hoc? p. 1591-1
wohin gehört actum KB? Doch das find nur vereinzelte
1 Fälle. In der Regel giebt der Commentar präcife Auskunft
.

Die von dem Herausgeber benutzten Hff. find folgende
: Cod. Petrop. Lat. 25 Q. v. omd. I, 2. sc. V oder
VI (P; Buch I u. II); Remens. 221 sc. IX (R); Paris, lat.
1711 sc. XI (C; Buch III, 12; VI u. VII); Paris, lat. 1712
sc. XIV (B); Paris, lat. 13335 sc. XV (G). Ferner das
Fragment von B. VII im Cod. Aurelian. 169 sc. VII.
j Nicht benutzt ift der, der editio prineeps zu Grunde ge-
' legte Cod. Cusanus 30 (C. 7) sc. XV, was dem Apparate
fchwerlich zum Schaden gereicht. Verfchollen find ein
Cod. Tilianus, der fich früher im Befitze des Bifchofs
1 Jean du Tillet von Meaux befand und ein Cod. Bobbiensis,
I der mit der Hf. von Corbie, dem jetzigen Petropolitanus,
verwandt gewefen fein dürfte — vorausgefetzt, dafs man
fich auf das alte Verzeichnifs verlaffen kann (Becker,
catalogi bibl. antiqui p. 64). Das Verwandtfchaftsverhältnifs
diefer Hff. ift ziemlich einfach zu ermitteln und von
dem Herausgeber p. XXXIII sqq. richtig beftimmt worden.
! Eine eng zufammengehörige Gruppe bilden KB, die
I auch in geringfügigen Kleinigkeiten zufammenzugehen
pflegen und für deren enge Verwandtfchaft Z. p. XXX VIII sq.
eine grofse Anzahl von Belegen gefammelt hat. Elben
fo eng gehören C und G zufammen. Mit 67ftimmt vielfach
auch P überein, doch fo, dafs er fich häufig, wo G
eine finguläre Lesart hat, zur Gruppe KB hält. A, in
dem nur VII, i und ein Theil von c. 2 überliefert find
und auch dies kleine Stück nicht unbefchädigt, be-
ftätigt mit wenig Ausnahmen die Lesarten von KB.

Mit der blofsen Conftatirung des Verwandtfchafts-
' verhältnifses ift es jedoch hier nicht gethan. Vielmehr
j liegen in den verfchiedenen Handfchriftengruppen ver-
fchiedene Recenfionen der Schrift vor. Dafs folche vorhanden
waren, ift längft aus der Thatfache der Zufügung
I des VII. Buches gefchloffen worden (Harnack, RE2XI,68).
I Nun liefern die Handfchriften den Beweis, dafs die verfchiedenen
Recenfionen auch fpäterhin noch confervirt

1) Ich benutze die Gelegenheit, hier einen bibliographifchen Irrthum
richtig zu Mellen. In der Regel wird als zweite Ausgabe die Antwerpen
1702 erfchienene angeführt [cf. Schoenemann, Biblioth. historico-

] lileraria fair, latin. I [1792] p. 353—355)- Das ift nur ein Nachdruck.

I 1702 erfchien eine Ausgabe Lutetiae Parisiorwn, apud Andrcam Pralard,
Bibliopolam, via San-Jacobaeä, die auf dem erften Titel als editio tertia
bezeichnet wird. Ein Exemplar diefer Ausgabe, die Schoenemann unbe-

j kannt geblieben zu fein fcheint, befindet fich auf der Univerfitätsbibliothek
zu Giefsen.