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Ausgabe:

1894

Spalte:

165-170

Autor/Hrsg.:

Kähler, Martin

Titel/Untertitel:

Die Wissenschaft der christlichen Lehre, von dem evangelischen Grundartikel aus dem Abrisse dargestellt. 2., umgestaltete Aufl 1894

Rezensent:

Kattenbusch, Ferdinand

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auch fonft dem Hermaphroditen beigegeben werden:
Fächer, Schale, Binde (oder ift die Schlange nur aus
einem Gewandzipfel entftanden?) von dem Cardinal und

An K.'s Art, die ,chriftliche Lehrwiffenfchaft' zu ge-
ftalten, befchäftigt mich am meiften die Methode. K.
fafst die Disciplin als .Chriftenthumswiffenfchaft'. Ich

dem Zeichner Lavigerie's mifsdeutet worden find. Wie das j meine, darin ftecke ein Fehler, der mir gefchichtlich
Mofaik in eine Bafilika kommt, läfst fich nicht fchwer j wenn ich die Nachwirkungen Schleiermacher's ererklären
. Da Hermaphroditendarftellungen zum Schmuck j wäge — verftändlich genug ift, der aber doch eben ein
von Bädern verwendet wurden (vgl. Welcker in den Stu- j folcher ift. Die Dogmatik (ich rede in der Kürze nur
dien, herausgegeben von Daub und Creuzer, 4. Bd. ! von ihr) darf nicht Wiffenfchaft irgend eines Thatbeftandes
Heidelberg 1808, S. 170), fo läfst fich darauf die An- 1 des Chriftenthums fein, fondern mufs fich auf die Norm
nähme gründen, dafs die Bafilika von Scherfchel ent- desfelben beziehen. Sie mufs, meine ich, als Evangeliums-
weder auf den Trümmern eines antiken Bades errichtet oder Offenbarungswiffenfchaft bezeichnet werden. Das ift
oder dafs das antike Bad fpäter von Chriften in Befitz nicht fchlechtweg ein Gegenfatz zu K.'s Auffaffung, wohl
genommen und in eine Bafilika umgewandelt worden ift. ; aber im relativen Sinne, wobei fich immerhin viele Diffe-
So hat es auch gefchehen können, dafs man in einem | renzen entwickeln. K. unterfcheidet fich von Schleier-
Hermaphroditen das Bild einer Märtyrerin erblicken zu i macher fo, dafs er nicht einfach ein empirifch in der
können glaubte. Gegenwart aufgenommenes chriftlich-kirchliches (con-

u „ c r»An^ rri^r-pr feffionelles) .Bewufstfein' zum Ausdruck bringen will,

riane a. S. Liernaru riCKer. , „, , , Ä _ , ,. »

____________ | Aber er will den .Glauben der Apoftel', die .Predigt1,

Kahler, Prof. D. Martin, Die Wissenschaft der christlichen das ,Zeugnifs' der Apoftel zum Ausgange genommen

Lehre, von dem evangelifchen Grundartikel aus im wiffen. Das hat bei ihm einen Hintergrund. Vielleicht

Abriffe dargeftellt. 2., umgeftaltete Aufl. Leipzig, Dei- *ut,man §ut' um fifch auf ein,S^udiunl des Srof? "> K.'fchen

Werkes vorzubereiten, zuerft den Vortrag mit dem etwas

aenigmatifchen Titel ,Der fogenannte hiftorifche Jefus und

der gefchichtliche, biblifche Chriftus' 1892 zur Hand zu

chert Nachf., 1893. (XIII, 648 S. gr. 8.) M. II.

In den Jahren 1883, 84 und 87 erfchienen die drei
,Hefte', in welchen das Werk von Kähler ausgegeben 1 nehmen. Man kann hier u. A. fehen, wie anfchaulich und
wurde, in erfter Auflage. Es war zu erwarten, dafs eine packend K. zu reden weifs. Die fchwere, ftrenge Form
zweite Auflage nach nicht zu langer Zeit nothwendig ; des Buches geblattet ihm nicht, fo lebendig in das Cen

werde. K. legt das Buch feinen Vorlefungen zum Grunde.

trum feiner Gedanken einzuführen, als die leichtere, lofere

Allein das ift es doch keineswegs allein, was ihm ein Form des Vortrags. Wer den Vortrag gelefen hat, wird
grofses Abfatzgebiet verfchaffte. Vielmehr konnten fich überall merken, wie das Buch auf den hier ausgefprochenen
die Fachgenoffen alsbald beim erften Hefte überzeugen, Ideen ruht und davon regiert ift. Alfo K.'s Meinung ift
dafs hier eine neue Gefammtdarftellung der chriftlichen j kurz die, dafs wir Chriftus, der freilich für ihn auch die
Lehre unternommen worden fei, die jedem Vieles biete. , Offenbarung Gottes ift und von dem feine ganze ,chrift-
Bei hoher Kraft zufammenhängender Gedankenentwick- 1 liehe Lehrwiffenfchaft' handelt, nicht richtig erfaffen,
lung hat K. eine reiche Fülle von originalen Ideen ge- j wenn wir nicht von dem Glaubenszeugnifs über ihn,
Wonnen. Von Heft zu Heft machte das Werk ftärkeren 1 welches uns feine Apoftel hinterlaffen haben, ausgehen.
Eindruck. Ich felbft würde meinen, wenn ich überhaupt Diefes apoftolifche ,Bekenntnifs' ift für ihn die Norm

abftufen foll, dafs das dritte, die Ethik befaffende, das
bedeutfamfte, fruchtbarfte fei. Doch gilt das nur fehr
relativ. Die anderen Hefte feffeln denjenigen, der fie
ftudirt — denn blofs ,lefen' kann man fie nicht! —
auch immer wieder. Ich freue mich, auch diefe zweite
Auflage in der Th. LZ. kurz fignalifiren zu dürfen. Von
der erften habe ich ein eingehenderes Referat erftattet
in Jahrgang 1885 Col. 34—44 (Heft I: .Apologetik1 und
2: .Dogmatik'), fowie 1888, Col. 574-79 (Heft 3: .Ethik').
Ich verweife darauf, da nach K.'s eigener Angabe das
Verhältnifs der zweiten zur erften Auflage fachlich der

unferer oder der gefunden, wirklich kirchlichen Lehre.
In (liefern Bewufstfein mag er geneigt fein, meine oben
ausgefproebene Antithefe über die Aufgabe der Dogmatik
für eine folche, die ihn nicht treffe, abzuweifen. Sie trifft
ihn doch. Denn die Dogmatik ift m. E. noch nicht wirklich
die rechte Normwiffenfchaft, wenn fie irgend jemandes,
fei es auch der Apoftel .Glauben' reproducirt oder zur
Grundlage nimmt. Als Chriften find die Apoftel, fo ge-
wifs auch ich nur in einer Ehrerbietung und Dankbarkeit
von ihrer Perfon und ihrer Lehre reden will, wie man
fie fonft Niemandem widmet, doch wie Unfereiner. Sie

Art, ift, dafs ein neues Referat nicht angezeigt erfcheint. | find gläubige Menfchen, als folche irrthumsfähig, auch
Vielleicht würde ich auf einigen Punkten bei der Re- ! mit Bezug auf ihren und unferen Herrn. Wären wir in
produetion der Gedanken K.'s mich glücklicher faffen [ der Erkenntnifs Jefu fo von ihnen abhängig, wie K. meint,
können, als jenes erfte Mal. Doch fcheint es mir, dafs J wären wir wirklich hinfichtlich des gefchichtlichen Jefu

nur in der Lage, uns das Bild vorzuführen, welches der
Spiegel des Glaubens der Apoftel von ihm zeigt, fo
würde ich fagen, die Offenbarung als folche fei dahin;
möglich, dafs die Apoftel eine wahre wirkliche Offenbarung
Gottes in Jefu von Nazareth, den fie den Chrift
nennen und mit eigenthümlichem Preis feiern, gefchaut

ich keine wirklichen Mifsverfländnifse begangen habe.
So mag es genügen, dafs ich hierher fetze, was K. felbft
über feine zweite Auflage fagt. Er fchreibt: ,In dem
Vorworte zur erften Auflage habe ich mitgetheilt, dafs
diefe Schrift lediglich meinem Lehrberuf ihre Entftehung
verdankt . . . Deshalb dienen auch die Aenderungen der

Umarbeitung faft ausfchliefslich der Brauchbarkeit für hätten, möglich, dafs fie ganz richtig darüber berichteten
die Vorlefungen; das gilt namentlich von den grofs- und davon zeugten, aber controlirbar fei eben Nichts
gedruckten Paragraphen und von den Zahlen und Buch- > mehr; letztlich könnten wir nicht wiffen, ob ihr .Chriftus'
ftaben im Texte. Aufserdem habe ich überall nach ! nicht doch ein Product ihres fehnfüchtigen, heilsver-
gröfserer^Deutlichkeit des^Ausdrucks, nnehrfach nach ent- j langenden, aber eben blofs menfehlichen Herzens, ein

Wunfchwefen fei. Es führt natürlich hier zu weit, wenn
ich mich mit K.'s tiefgreifenden Reflexionen über den
Charakter der evangelifchen Ueberlieferung auseinander-

fprechender Kürze geftrebt. Diefes Bemühen hat auch
zu eingreifenderen Umftellungen und fonftigen Umge-
flaltungen geführt, feltener zu kurzen Zufätzen. Die zuvor

vertretenen Anfchauungen wird man nirgend wefentlich fetzen wollte. Mich5 dünkt, er übertreibt in feiner Schil

verändert finden'. Die mühfame, überall bemerkliche Umarbeitung
ift alfo faft blofs eine formale und ich kann
nur anerkennen, dafs K. dabei eine glückliche Hand bewährt
hat. Das Werk ift überfichtlicher geworden
und doch auch im Einzelnen oft leichter verftändlich,
als in der erften Auflage.

derung die Abhängigkeit derfelben von den perfönlichen
.Erfahrungen' der Apoftel. Ich fehe ja auch deutlich
allenthalben die Spuren der letzteren. Aber das Wunder-
fame ift doch zumal in den Synoptikern, aber felbft bei
Johannes, wie viel, dafs ich fo fage, unverarbeitetes
Geftein übrig geblieben ift. Gewifs können wir keine