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Ausgabe:

1894

Spalte:

138-139

Autor/Hrsg.:

Dalmann, Gustaf

Titel/Untertitel:

Jesus Christ in the Talmud, Midrash, Zohar, and the Liturgy of the Synagogue 1894

Rezensent:

Dalman, Gustaf

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Theologifche Literaturzeitung. 1S94. Nr. 5.

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,Eigenthümlichkeit, dafs alles in ihnen Gefchriebene nicht
mit Tinte gemalt, fondern in lebendiger Wirklich- j
keit hineingefchaffen war'. So die himmlifche Stifts-
hüttc, das himmlifche Gefetz und alle Archetypa der j
irdifchen Dinge. Alles in diefen Tafeln vermag .Lebens- [
äufserungen von fich zu geben'. Das zeigt Testam.Napht.y.
idnc yoaqm uyia äitpihj itfüv läyovocc 'Aaavoioi y.zl.()
Daher auch in der Apokal. Jph. die .merkwürdige' Vor-
ftellung, dafs der Seher durch Verfchlingen eines Buches
zu feinen apokalyptifchen Erlebnifsen gelangt. Das Buch
ift eine jener Tafeln. Durch die .Emanations- und Imma-
nationskraft geht fie in den Seher ein und nun erlebt
er alle die dort vorausgefchaffenen Dinge in greifbarer
Lebendigkeit'(ü). Der Verf. beruft fich für diefe'i'hefen —
hier hat feine Begierde nach .realiftifchen Vorftellungen'
ihm einen fchlimmen Streich gefpielt ■— auf Fabrichis,
cod. pseudepigr. I 552. Dodwell, der von K. ignorirte
Verf. der betr. Abhandlung bei Fabric, führt nun aus,
dafs nach jüdifcher Anficht wie die Archetypa anderer
Dinge fo auch die lex archetypa — das feien die 7r/ax«c
zob ovqavov (551) — präexiftirt habe. K. machte hieraus
die obige Thefe, und ihre Ungeheuerlichkeit hat ihn, fo
fcheint es, nicht ftutzig gemacht und zu nochmaligem,
verftändigerem Lefen veranlafst. Ob hier auch Flüchtigkeit
im Spiele ift, weifs ich nicht. Anderswo ift ein
Mangel an Sorgfalt unverkennbar. K. hält es nach S. 24
(cf. 87) für wichtig, bei der Durchmufterung der fünf
paulinifchen Briefe, die er befonders berückfichtigt, die
chronologifche Folge — die fich .von felbft' (?) ergebende
Folge ift nach ihm: i.Theff., 1. u. 2.Kor., Rom.,Gal.(jfr) —
zu beobachten. Bei der Ausführung feiner höchft ermüdenden
Wanderungen durch die Briefe hat er diefe
Reihenfolge nie beobachtet! Die Citate find vielfach
unzuverläfiig.

Als fchriftftellerifche Leiftung mufs ich K.'s Buch fehr
tief (teilen. Ich fchweige von der höchft mangelhaften
Ordnung der Gedanken, von den ewigen Wiederholungen,
von der oft unerträglichen Breite auch im Einzelnen, die
hier des Verf.'s Ungefchick, dort fein Eifer, feine Eile
oder feine docirende Redfeligkeit verfchuldet. Seine
Diction ift an den befleren Stellen zwar nicht ohne
Frifche, Flufs und Schwung, doch leidet fie ftark an
Schwulft und fatalem Pathos, auch ift fie häufig unbeholfen
, holperig und undeutlich. Schlimmer als dies alles
ift aber, dafs K. fich überall der gröbften ftiliftifchen und
grammatifchen Verftöfse fchuldig macht. Ein wiffen-
fchaftliches Buch mit fo fchlechtem Deutfch habe ich
kaum gelefen. Einige Beifpiele. S. 18: von ihrer Stärke,
die fromm fein wollen. 20: ein Lebensreft voll Werken
. 30: dafs die Eschatologie einen fo . . . wichtigen
Factor einnimmt. 42: in dem Entgegenwachfen dem
Gewinn der aiüirjQui. 71 (176): für angänglich halten.
150: Dinge, die zu dem Weltbild . . . eine breite .
Stellung einnehmen. 183: Dinge, die über die Befchaf-
fenheit der Welt fich drehen. 90: das Verhältnifs, das
zwifchen beiden beruht. 150: willenslos (165 willenlos).
265: etwas als zum ABC rechnen. 104: nimmerdar. IOI:
Kräfte, die eng im Phyfifchen wurzeln. 19O: eine Sub-
ftanz, die gleich dem Zerfallen des Leibes aus-
einanderfliefst. 291: wie aus der Taufe für die Toten
und anderen ... Stellen ... deutlich wurde. 163: wie (Tod
und Sünde) dazu kommen, als perfönliche Wefen fich
denken zu laffen. Wendungen wie ,im fünften Römerkapitel
', ,eschatologifche Zukunft' oft. Falfcher Modus,
falfches Tempus, falfches Genus, falfcher Numerus hin
und her. Hie und da mag blofse Flüchtigkeit walten,
die grofse Mehrzahl der Fehler weift auf einen ftarken
Mangel an Sprachgefühl und an Schärfe des Denkens.

S. 204 beklagt fich der Verf. darüber, dafs Gunkel
in der erwähnten Ree. feiner Kritik .fittliche Verunglimpfungen
' hinzugefügt habe, ,für deren Wiedergabe
freilich ein Blatt wie die Theologifche Literaturzeitung
zu vornehm fein follte'. Die meiften Lefer jener Anzeige

werden mit mir finden, dafs hier in Wahrheit Kabifch
der Verunglimpfende ift.

Für das Bemühen des Verf.'s, in vorurtheilslofer und in
ihrer Art durchaus energifcher Arbeit in den Zufammen-
hang der paulinifchen Gedanken einzudringen, hege ich
aufrichtige Achtung. Mein Urtheil über feine Leiftung
mufste ungünftig lauten, trotzdem es feine allgemeinen
wiffenfehaftlichen Vorausfetzungen nicht antaftet. Es ift
mir unverftändlich, wie von Soden ein fo unreifes, unge-
niefsbares, Paulus und feinen Gedanken fo wenig gerecht
werdendes, von groben Fehlern und Gefchmacklofigkeiten
aller Art wimmelndes Buch den Lefern der .Deutfchen
Literaturzeitung' (1893 Nr. 15) als ,eine treffliche Arbeit'
hat empfehlen können.

Breslau. W. Wrede.

Dalman. Rev. Dr. Gustaf, and Heinr. Laible. Jesus Christ
in the Talmud, Midrash, Zohar, and the Liturgy of the
Synagogue. Texts and Translations by G. D. Together
with an introduetory Essay by H. L., translated and
edited by the Rev. A. W. Streane, B.D. Cambridge,
Deighton, Bell, and Co., 1893. (VI, 47, 108 S. gr. 8.)

Die von Heinrich Laible 1891 herausgegebene Schrift
Jefus Chriftus im Talmud' (Berlin, H. Reuther), welcher
Ree. ,die talmudifchcn Texte' beigegeben hatte, tr-
fcheint hier in englifchem Gewände in erweiterter und
verbefferter Form. Der Herausgeber, A. W. Streane,
bietet feine Ueberfetzung der vom Verfaffer revidirten
Schrift Laible's mit Beigabe ergänzender oder kritifcher
Anmerkungen von ihm felbft, Prof. Strack in Berlin und
mir. Ree. fügte den aus der deutfchen Ausgabe herübergenommenen
Texten aus Talmud, Midrafch und Zohar
hinzu 1) eine Sammlung liturgifcher Stücke, deren Text
vorzugsweife den Machzor- und Selichoth-Handfchriften
der ftädtifchen und der Univerfitäts-Bibliothek zu Leipzig
entnommen ift, 2) feine englifche Ueberfetzung fämmt-
licher Texte, foweit fie nicht im Werke Laible's fchon
gegeben war. Eine Folge der damit gegebenen Zwie-
fpältigkeit des Werkes ift es, dafs Laible's Abhandlung
und meine Ueberfetzung öfters unausgeglichene ver-
fchiedene Auffaffungen vertreten. Dies wäre noch mehr
hervorgetreten, wenn Ree. zu der hiftorifch-kritifchen Behandlung
der Texte durch Laible hätte Stellung nehmen
wollen. Der Verfuch Laible's, die Ausfprüche des Tal-
, mud über Bileam, Doeg, Ahitophel, Gehafi (Laible, S.
S3_6i), über den Anonymus des Gefchlechtsverzeich-
nifses (S. 31—33), über den von Akiba für ei nen Baftard
erklärten Knaben (S. 33—39), auf Jefum, bez. feine
Jünger, zu beziehen, fcheint Ree. mifsglückt. Auch die
Weife, in der Laible fich die eigentlichen Jefus'-Legenden
des Talmud entftanden denkt, ift zu künftlich. Jene Literatur
kennt einen von Jofua ben Perachja verftofsenen Schüler
Jesu, welcher Volksverführer wird, felbft Schüler gewinnt
, gehenkt wird — und in der Hölle büfst. In feinem
Namen, der dann auch als Jesu Ben Pandera bezeichm t
wird, werden Wunder gethan. Daneben erfcheint die
Geftalt eines Zauberers Ben Stada, welcher das nämliche
Ende hat wie der Jefus der Legende und vom
Talmud felbft für diefelbe Perfon erklärt wird. Laible
nimmt an, dafs der Grundftock der Jefus'-Legende ur-
fprünglich einem anderen gegolten hat, ohne daraus die
nöthigen Confequenzen für die aus jenem Grundftock
hervorgewachfenen Schöfslinge zu ziehen. Aber auch
die ,Ben Stada'-Erzählung, aus welcher die Jefus'-Er-
zählung die Gefchichte der Hinrichtung entliehen hat,
wird urfprünglich mit Jefus nichts zu thun haben, fodafs
der Talmud eigentlich keine originalen Jefus-Legenden
enthält, fondern nur einige Erzählungen von Jüngern Jefu
(b. Ab. zara i6b 17», b. Sank. 43% b. Sabb. n6ab; p.
Sabb. I4d, p. Ab. zara 409, bei denen auch eine Mit-

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