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Ausgabe:

1894

Spalte:

129-131

Autor/Hrsg.:

Cheyne, Thomas Kelly

Titel/Untertitel:

Founders of Old Testament Criticism 1894

Rezensent:

Marti, Karl

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Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von D. Ad. Harnack. Prof. zu Berlin, und D. E. Schürer, Prof. zu Kiel.

Erfcheint Preis
alle 14 Tage. Leipzig. J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung. jährlich 16 Mark.

N°- 5. 3. März 1894. 19, Jahrgang.

Cheyne, Founders of Old Testament criticism
(Marti).

Kabifch, Die Efchatologie des Paulus (Wrede).

Dalman and Laible, Jesus Christ in the
Talmud (Dalman).

Müntz, La mosaique chretienne pendant les
Premiers siecles (G. Ficker).

Holder, Die Defignation der Nachfolger durch

die Päpfte (Frantz).
Bruce, Apologetics (Härtung).

Wahrmund, Das Kirchenpatronat und feine
Entwicklung in Oefterreich, I. Abth. (Koehler).
Nippold, Die theologifche Einzelfchule, 3. u.
4. Abth. (Schürer).

Heine, Briefe über Fragen der chriftlichen Stade, Die Reorganifation der Theologifchen

Religion (Härtung). Facultät zu Giefsen (Derf.).

Holft, Der Prophet Elias (Härtung). Bibliotheca Döllingeriana (Reufch).

Berichtigung.

Cheyne, Prof. T.K., M. A., D. D., Founders of Old Testament

Criticism. Biographical, descriptive, and critical studies.
London, Methuen & Co., 1893. (XI, 372 S. gr. 8.)
7 s. 6 d.

Von den englifchen altteftamentlichen Theologen
ift neben W. Robertfon Smith und S. R. Driver den
Fachgenoffen in Ueutfchland T. K. Cheyne durch feine
werthvollen Arbeiten auf dem Gebiete des Alten Tefta-
ments am bekannteflen; es genügt, zum Erweife hierfür
an die eingehenden Befprechungen zu erinnern, welche

nifs und liebevolle Behandlung der deutfchen Wiffen-
fchaft und ihrer Begründer und Förderer er nur ftaunen
kann. Wie liebevoll, ja fafl mit welcher Begeiferung
ift Ewald als Kritiker und als Menfch nach feiner ganzen
Art und Bedeutung gefchildert, fo dafs der grofse Ein-
flufs diefes Mannes Einem recht zum Bewufstfein kommt,
und man darum den Wunfeh des Verfaffers begreift, es
möchten manche Schüler Wellhaufen's auch feinen ,un-
vergeffenen Meifer' etwas näher kennen lernen! Wie
fein ift auch Delitzfch's Eigenthümlichkeit gezeichnet,
auf den ohne Grund immer noch die Gegner der neueren

feine Batnpton Lectures über The Origin and Religions Schule fich berufen, und von dem Cheyne bei Befprech

Contents of the Psalter in den Studien und Kritiken
(1892, S. 577—589) durch E. Kautzfeh und in der Theol.
Literaturzeitung (1892, Sp. 249—255) durch K. Budde gefunden
haben. Den früheren Veröffentlichungen des
Verfaffers reiht fich die neueffe über die Founders of
Old Testament Criticism würdig an. Sie will zwar nicht
an einem einzelnen Punkte die Kenntnifs des Alten
Teflaments fördern, bietet aber jedem Lefer reichen Gewinn
einmal durch die vortreffliche Charakterifirung der
altteftamentlichen Kritiker, wobei nicht nur ihre For-
fchung, fondern ebenfo fehr auch ihre Perfönlichkeit ins
Auge gefafst wird, und dann durch die ausführliche Aus-
einanderfetzung mit Driver's Introduction to the Litera-
ture of the Old Testament {f. 248—372). Das ganze Buch
wird fo einerfeits zu der wirkungsvollsten Empfehlung
der kritifchen Behandlung des Alten Teflaments, da es
überall zeigen kann, wie das ernfte Suchen nach Wahrheit
die Kritik hervorbrachte, andererfeits aber auch zu
einer fchönen Orientirung über den gegenwärtigen Stand
der altteftamentlichen Wiffenfchaft.

Der Verf. will nicht eine vollftändige Aufzählung
und Befprechung aller altteftamentlichen Kritiker bieten.
Er beginnt mit den Vorläufern in England: Warburton,
Lowth, Geddes; dann folgen die Theologen des Feft-
landes: Eichhorn und Ilgen; De Wette und Gefenius;
Ewald (S. 66—118); Hitzig, Vatke und Bleek; Hupfeld
und Delitzfch; Riehm, Reufs, Lagarde und Kuenen. Den
Schlufs machen wieder die Theologen englifcher Zunge:
Colenfo, Kalifch, S. Davidfon, Rowland Williams, Perowne,
A. B. Davidfon (1862), Ruffell Martineau; dann Robertfon
Smith, A. B. Davidfon, Briggs, Toy, [Schräder,]
Sayce, Kirkpatrick, Ryle, Francis Brown, Moore, White-
houfe, G. A. Smith, Duff, Fripp, Addis, Montefiore und
Bevan. Sind manche unter diefen nur recht kurz behandelt
, fo find die drei grofsen letzten Abfchnitte
S. Driver und feiner Einleitung gewidmet.

So fehr es für den deutfchen Theologen von Werth
ift, die englifchen Mitarbeiter kennen zu lernen, fafl noch
mehr Intereffe gewinnt er an der Schilderung der Deutfchen
durch den Engländer, über deffen genaue Kennt-

ung feines Syftems einer biblifchen Pfychologie (S. 163)
mit Recht fagt: He attempts too much, of course, but there
is morc to be learned front Delitzsch when he is wrong
than from ten ordinary men when they arc right.

Befonderen Genufs bereitet aber die Beurtheilung
von Driver's Einleitung. Nicht nur werden dabei die
hauptfächlichflen Fragen der altteftamentlichen Einleitung
befprochen und die wichtigfen Punkte trefflich beleuchtet,
fondern es wird über den ganzen Charakter der Driver'-
fchen Darffellung ein wohl begründetes Urtheil gefällt.
Im Allgemeinen kann Cheyne feiner Freude über Driver's
Buch Ausdruck verleihen; aber in diefe Freude mifcht
fich doch oft eine recht wohl begreifliche Wehmuth, wie
fie fich aus gleichen Gründen fchon in dem Abfchnitt
über Sayce (S. 229—241) findet. Es ift die Wehmuth
darüber, dafs Driver oftmals, wo die dargelegten Gründe
und die ausgefprochene Einficht ein klares und beflimm-
tes Ergebnifs auf die Hand legen, fich zu einem little
compromise with conservatism bequemt und fo dem
Werthe feines Buches die Spitze abbricht. Solche Ver-
mittelung nennt Cheyne mit vollem Recht, wo fie in
wiffenfehaftlichen Werken geübt wird, ein Hindernifs
nicht blofs für den Fortfehritt in der Erkenntnifs der
hiftorifchen Wahrheit, fondern auch für die tiefere Er-
faffung der wahren evangelifchen Grundfätze, und eine
vollkommen freie Forfchung, die darum um nichts weniger
fromm ift, hält er für den beften Bundesgenoffen fowohl
der geiftigen Religion als auch der gefunden apologe-
tifchen Theologie. Driver aber hat nicht kräftig genug
mitgeholfen, den Bann zu brechen, der in den Augen
vieler auf der Kritik liegt, und darum auch nicht fo viel
zur Aufrechterhaltung des wahren evangelifchen Glaubens
geleiftet, als er hätte thun follen und können. Gerade
diefe glaubensmuthige und eben darum fo völlig freie
Art, welche Cheyne vertritt, mufs Einem das Buch und
feinen Verfaffer äufserft fympathifch machen.

Zum Schlufs fei es noch geftattet, zwei kleinere Berichtigungen
anzumerken. Die deutfehe Ueberfetzung
der Kuenen'fchen Einleitung in das A. T. ift nicht, wie
S. 192 erwähnt wird, in den bisher erfchienenen zwei

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