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Ausgabe:

1894 Nr. 3

Spalte:

83-84

Autor/Hrsg.:

Pellikans von Rufach, Konrad

Titel/Untertitel:

Hauschronik. Ein Lebensbild aus der Reformationszeit 1894

Rezensent:

Kawerau, Gustav

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»3

Theologifche Literaturzeitung. 1894. Nr. 3.

84

mich verpflichtet halte, iollen den Dank für die in vieler
Beziehung fo anregende Gabe, die wir hier dem Kunft-
hiftoriker verdanken, nicht herunter drücken, fondern nur
ihm Winke bieten für eine Fortfetzung feiner Studien, die
er ja felbft in feiner Schrift uns erfreulicher Weife in Ausficht
ftellt.

Kiel. G. Kawerau.

Pellikans von Rufach, Konr., Hauschronik. Ein Lebensbild
aus der Reformationszeit. Deutfch von Thdr. Vul-
pinus. Strafsburg i.E., Heitz, 1892. (VIII, 168 S. gr. 8.)
M. 3- 50.

B. Riggenbach veröffentlichte im Jahre 1877 das
Chronikon des Konrad Pellikanus und machte damit eine
Quelle zugänglich, die nicht allein als Autobiographie
für die Kenntnifs der Bafeler und Züricher Humaniften
und Theologen von gröfstem Werthe ift, fondern auch
für die Zeitgefchichte manchen lehrreichen Beitrag bietet:
zur Gefchichte des Franziskanerordens in den Jahren der i
reformatorifchen Volksbewegung; über das Verhältnifs i
der fchweizerifchen Evangelifchen zu Erasmus; über die
Verbreitung Luther'fcher Schriften in der Schweiz; über
viele Perfonalien, befonders im Kreife der Schweizer
Reformatoren; über die italienifchen Flüchtlinge, die vor
der Inquifition nach der Schweiz entwichen u. dgl. m.
Da das Chronikon lateinifch gefchrieben ift, fo hat uns
Vulpinus jetzt eine deutfche Ueberfetzung geliefert in
der Hoffnung, weiteren Kreifen hier eine lehrreiche Antwort
bieten zu können auf die Frage: ,Wie war die grofse
Umwälzung der Reformation, die religiöfe Spaltung
unferes Volkes möglich'? Er wendet fleh zugleich fpeciell
an die Elfäffer, die für die Gefchichte ihrer Heimath hier
mancherlei finden können. Ich fürchte, der Ueberfetzer
überfchätzt doch den Werth des Chronikon für die Kreife,
denen er damit eine anziehende Leetüre zu befchaffen
gedenkt, wie auch feine Hoffnung auf die Theilnahme
»billig urtheilender Katholiken' an einem fo leidenfchafts-
lofen, fo wenig Schärfen zeigenden Bericht über die
Ereignifse der Reformation mir fehr optimiftifch erfcheint.
Er überfieht den zufälligen Charakter der Aufzeichnungen,
die bald perfönliche Erlebnifse plaudernd der Familie
erzählen, bald über Wichtigftes, das allgemeine Intereffe
Beanfpruchendes mit einer dürftigen Notiz hinweggleiten;
die über das eine Jahr reichlichere Mittheilungen geben,
bei einem anderen nur einige wenige kurze Nachrichten
bieten. Welche Bedeutung hatte z. B. das Marburger Ge-
fpräch für die Schweizer Reformation! In diefer Hauschronik
genügt es, zu erzählen: ,Zwingli reifte auf Einladung
des Landgrafen nach Marburg zum Gefpräch mit
den Wittenbergern. Um die Zeit der Weinlefe kehrte er
zurück. Es wurde ein aufserordentlich faurer Wein ge-
herbftet' (p. m). Um weiterem Leferkreife die Angaben
des Buches verftändlich zu machen, hat Vulpinus viel
Mühe darauf verwendet, es mit erläuternden Anmerkungen
auszuftatten. Mit diefen gedenkt er wohl auch zugleich
einem wiffenfehaftlichen Intereffe zu dienen, da er ftets
gewiffenhaft die ihm zugängliche Literatur verzeichnet.
So viel Fleifs hier angewendet und fo viel Richtiges
daher auch dabei zufammengetragen ift, fo merkt man
doch zugleich, dafs Vulpinus hier auf einem ihm nur
fporadifch bekannten Gebiete arbeitet. Seine Literaturangaben
zeigen dem Kundigen, mit wie unzulänglicher
Ueberficht über die vorhandene Literatur er fleh hier
abgemüht hat. Die in Pellikan's Leben eine bedeutende
Rolle fpielende Perfönlichkeit des Franziskaners Satzger
läfst er z. B. ohne jede Anmerkung, offenbar weil ihm
die Abhandlung v. Druffel's in den Sitzungsberichten
der bayerifchen Akademie unbekannt ift. Bei Summenhart
fuchen wir vergeblich den Hinweis auf Linfenmann; bei
Staupitz den auf Kolde (nur die Indices libromm prohi-
bitorum werden citirt!). Ebenfo fehlt bei Pirkheimer,

Lasco, Vergerius, Petrus Martyr u. a. der Hinweis auf
die Monographien, bei denen man fleh feine befte Kenntnifs
über diefe Männer fonft zu holen pflegt. Selbft bei
Erasmus vermag er nur auf das Buch von Stichart (1870)
zu verweifen und wird dies kaum felber kennen, da er
es für eine Lebensbefchreibung des Erasmus hält. In
was für zufällige Studien läfst es hineinfehauen, wenn
jemand für das Wormfer Religionsgefpräch uns auf
Plbrard's Handbuch der Dogmen- und Kirchengefchichte,
Joh. Janfsen (den er confequent Janfen fchreibt) und auf
das ,Hausbuch' Joach. von Wedel's verweift. So wichtige
Publicationen wie der Briefwechfel des Beatus Rhenanus
von Horawitz und Hartfelder und Kolde's Analccta, die
für Pellikan und feinen Freundeskreis werthvolle Nachrichten
bieten, oder wie Fechter's Auffatz über Joh. Froben
als Drucker lutherifcher Schriften in Beiträge zur vaterl.
Gefch. IX. Bafel 1870 find ihm unbekannt geblieben. So
trägt der redliche Fleifs, der an die Commentirung der
Hauschronik gefetzt ift, nicht die Frucht, die man ihm
wünfehen möchte. Zu S. 157 bemerke ich, dafs die dort
aufgeführte Secte der ,Logiften' doch wohl von den
niederländifchen ,Lo'fften' zu erklären fein wird, über
welche Jul. Frederichs in feiner Schrift: ,De Secte der
Loisten of Antwerpsche Libertijnen'. Gent 1891 uns nähere
Kunde gebracht hat. Ueber die Treue der Ueberfetzung
vermag ich kein Urtheil abzugeben, da mir die lateinifche
Ausgabe zur Zeit nicht zur Verfügung fleht, doch find
mir auch Zweifel an ihrer Zuverläffigkeit nicht aufge-
ftiegen.

Kiel. G. Kawerau.

Braunsberger, Otto, S. J., Entstehung und erste Entwicklung
der Katechismen des seligen Petrus Canisius aus der Ge-

fellfchaft Jefu. Gefchichtlich dargelegt. Freiburg i/B.,
Herder, 1893. (XII, 187 S. gr. 8.) M. 2. 50.

Die Katechismen des Canifius haben für die Kirche
der Gegenreformation fleher eine ebenfo grofse Bedeutung
, wie die Luther's für die Kirche der Reformation.
So viel Lobfprüche nun aber erfteren fchon längft und
oft von katholifchen Autoren gefpendet worden find, fo
ftand es doch um fichere Kunde über ihre Entftehung
noch recht übel. Weder war ficher ermittelt, wie viele
verfchiedene Bearbeitungen des Katechismustoffes auf
Canifius felbft zurückzuführen find, noch ftand das Jahr
ihres Erfcheinens feft, noch war Klarheit über das ge-
nealogifche Verhältnifs der Katechismen zu einander
gewonnen. Konnte es doch Chr. Moufang in feinen
,Katholifche Katechismen des 16. Jahrhunderts' (Mainz
1888) begegnen, dafs er p. 466 den Originaldruck de*
deutfehen Ausgabe des kleinften Katechismus des Canifius
befchrieb, ohne den Verfaffer zu erkennen und das
Büchlein zu recognosciren, und dann p. 613 fr. denfelben
Katechismus nach einem fpäten Druck von 1599 publi-
cirte. Ein Ordensgenoffe des Canifius, der uns auch
(vgl. p. 172) ein Briefbuch des Canifius in Ausficht ftellt,
hat in dankenswerther Weife, geftützt auf umfängliche
bibliothekarifche Forfchungen und unter Benutzung hand-
fchriftlichen Briefmateriales, an diefem Punkte Klarheit
gefchaffen. Das Ergebnifs feiner forgfamen Ermittelungen
ift in Kürze dies, dafs drei verfchiedene Bearbeitungen
von des Canifius Hand gefchaffen find, deren
jede zuerft in lateinifcher Sprache ausging, dann in
mannigfachen Ueberfetzungen in Landesfprachen erfchie-
nen ift. Es ift ein grofser, ein kleinfter und ein kleiner
Katechismus zu unterfcheiden, und dies ift zugleich die
Reihenfolge, in der die drei erfchienen find. Der grofse
unter dem Titel: ,Summa Doctrinac Christia?iaei erfchien
nicht, wie fäft allgemein angenommen wird, 1554, von
welchem Jahre König Ferdinand's Einführungsdecret
datirt ift, fondern erft zu Oftern 1555 zu Wien, den Stoff
in 211 Fragen behandelnd. Darauf folgte fchon im näch-