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Ausgabe:

1894

Spalte:

80-83

Autor/Hrsg.:

Lehfeldt, Paul

Titel/Untertitel:

Luthers Verhältnis zu Kunst und Künstlern 1894

Rezensent:

Kawerau, Gustav

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Theologifche Literaturzeitung. 1894. Nr. 3.

So

Bei allen Bedenken, die ich geäufsert, bin ich dem Verf.
aufrichtig dankbar auch für diefe Arbeit. Nur eine formelle
Bemerkung möge noch geftattet fein. Das Deutfch ift vielfach
eine Zumuthung an den Lefer. Befonderheiten im Ausdruck
wie ,befchlagen' ftatt ,betreffen' (S. 30), ,befinnen'
ftatt ,Anftand nehmen' (S. 56), ,Nachfahrer' ftatt durchfahren
' (S. 52. 56) find leichter erträglich als die ftellen-
weife fchier unglaubliche Syntax, z. B. S. 32 A. 77: ein
Umftand, der auch das Intereffe der Frage, die aus Gründen
, die fich etc. S. 29: In den zunächft nur den fozu-
fagen leeren Synchronismus der in Betracht gezogenen
Volksgefchichten darfteilenden Zahlencolumnen werden |
in der Spärlichkeit der Auswahl und in der lapidaren
Kürze der Form, welche — im übrigen in Verhältnifsen
etc. Gegen den Schlufsfatz aber, der die Hälfte der letzten
Grofsquartfeite füllt, ift der berühmte Anfangsfatz des
befprochenen Eufeb. Werks ein Kinderfpiel. 5 Genitive
aneinanderzufchliefsen hatte der Grieche doch den Muth
nicht, hier aber: ,durch eingehendere Erklärung der dabei
angenommenen Langfamkeit des Aufkommens durchgeführter
hiftorifcher Erfafiung der Gefammterfcheinung der
Kirche'. Das letzte Wort (teilt uns erwünfchte Ergänzungen
in Ausficht. Möchten fie nicht zu lange ausbleiben, aber
möchten fie auch — ich bin gewifs, im Namen Vieler,
auch unter den Studierenden, zu fprechen — in der
durch Goethe und Leffing geklärten Sprache des ip.Jahrh.
vorgeführt werden.

Kiel. H. v. Schubert.

Grützmacher, Privatdoc. Lic. Dr., Die Bedeutung Benedikts j
von Nursia und seiner Regel in der Geschichte des Mönch-
tums. Berlin, Mayer & Müller, 1892. (III, 72 S. gr. 8.)
M. 1.80.

Neue Auffchlüffe über das bezeichnete Thema enthält
die vorftehende Schrift nicht, wohl aber eine dan-
kenswerthe, kritifch gerichtete Zufammenftellung der
wichtigften Daten betreffs des Urfprungs und der
früheften Verbreitung der Benediktinerregel. In der
erften Hälfte (§§ 1—6) erörtert der Verf. die Quellen
für das Leben Benedikts (es bleibt bekanntlich fehr
wenig Zuverläffiges übrig), die Zeit des Lebens (Geburt,
Stiftung des Klofters, Tod laffen fich nicht beftimmt
angeben), das Leben (die beiden einzigen Quellen, die
Regel felbft und der Panegyricus Gregors enthalten
fehr wenig), die Echtheit der Regel (unfer Text kann
bis zum Anfang des 7.Jahrhunderts hinanfgeführt werden; j
dafs er einfchneidende Veränderungen im 6. Jahrh. erfahren
hat, läfst fich nicht erweifen), den Inhalt der I
Regel und ihre Bedeutung im Vergleiche mit den Regeln
des Bafilius, Caffian, Cäfarius und Columban's. In den
letzten beiden Abfchnitten liegt der Schwerpunkt der
Unterfuchung. Der Verf. befchliefst fie mit den Worten:
,Die Regel Benedikt's ift alfo keineswegs in befonderer
Weife epochemachend in der Gefchichte des Mönchthums
zu nennen; fie ift vielmehr nur eine gefchickte und
präcife Fixirung der Entwicklung, die das Mönchthum
im Abendlande zu feiner Zeit erreicht hatte, während
die Regel Columban's eine Repriftination der alten Ge-
ftaltung des Klofterlebens ift. Das ift das einzige Ver-
dienft B.'s, ein Verdienft, dem allerdings eine grofse Zahl
von gefchichtlich wichtigen Perfönlichkeiten ihren Ruhm
bei der Nachwelt verdankt. Ebenfo wie B. käme aber
auch feinen Zeitgenoffen Cäfarius v. Arles, der keinen
Namen in den Annalen der Mönchsgefchichte erhalten
hat, diefes Verdienft zu. Aus inneren Gründen allein
oder vornehmlich läfst fich mithin die gewaltige Bedeutung
, die die Regel B.'s erlangt hat, nicht erklären'.
Was der Verf. hier ausgefprochen hat, ift richtig; aber
mir fcheint doch, dafs er in feinen Darlegungen den
Unterfchied der älteren Regeln und der B.'s noch nicht
klar genug herausgearbeitet hat. In den älteren Regeln

ift das gemeinfame Leben noch ganz dem Hauptzweck
untergeordnet, dafs der Einzelne fich innerlich
vervollkommne; daher — bei den Griechen — die
langathmigen, auf Gewiffenserforfchung gerichteten ethi-
fchen Ausführungen und Regeln, daher die ftrenge, oft
graufame Zuchtübung, daher die verhältnifsmäfsig geringe
Organifation des gemeinfamen Lebens. Dagegen
ift bei Benedikt der Gedanke der Inftitution, der Ge-
meinfamkeit, des Klofters, zu einem felbftändigen Werth
geworden neben der individuellen Vervollkommnung und
greift daher auch in diefe hinein: in dem Mafse, als
der einzelne Mönch die gemeinfame Regel der Inftitution
namentlich die stabilitas loci, refpectirt, wird die Regel
feiner individuellen Lebensführung minder hart, leichter
und freier. Das ift die grofse Wendung, welche die
Regel B.'s markirt. Sie ift ihr freilich nicht eigentümlich
, fondern entfpricht den Erfahrungen, die man mit
dem Mönchthum gemacht hat und der Noth und dem
Zwang der Verhältnifse. Dafs die Bedeutung, welche
gerade B.'s Regel erlangt hat, nicht nur aus ihrem innern
Gehalt, fondern auch aus äufseren günftigen Bedingungen
zu erklären ift, darin hat der Verf. gewifs Recht. Aber
das ift nichts Auffallendes; auch das Befte — und gerade
diefes — bedarf eines günftigen ,Zufalls' oder vielmehr
einer Kette von folchen, um eine Macht in der
Welt zu werden. In dem zweiten Theil feiner Arbeit
hat der Verf. (§$ 7—11) dies an der Gefchichte der
Regel bis zur Karolingerzeit nachgewiefen und die Bedeutung
erörtert, die Gregor der Grofse, Gregor IL u. III.
und Bonifacius für die Einbürgerung der Regel gehabt
haben.

Nicht richtig ift die Bemerkung S. 36 n. f, dafs
Cyprian das Wort ,sacerdosl faft ausfchliefslich im Sinne
von Bifchof gebrauche.

Berlin. A. Harnack.

Lehfeldt, Paul, Luthers Verhältniss zu Kunst und Künstlern.

Berlin, Beffer'fche Buchh. 1892. (130S. gr. 8.) M. 2. —

Die Lutherforfchung mufs es mit Dank begrüfsen
wenn auf einem Gebiete, auf dem der Theologe Dilettant
bleibt, ihr durch einen kundigen Vertreter der
Kunftgefchichte Handreichung erwiefen wird. Von der
Frage ausgehend, welchen Einflufs die Reformation auf
die Kunft Deutfchlands ausgeübt habe, hat L. fich hier
das engere Thema geftellt, ,aus den eigenen Aeufserungen
und Anfchauungen Luther's ein unbefangenes Urtheil
darüber zu gewinnen, wie diefer fich zur Kunft verhielt
'. Freilich haftet das Intereffe des Verfaffers nur
an den bildenden Künften; Mufik und Poefie werden,
weil Luther's Verhältnifs zu ihnen fchon hinreichend bekannt
fei, nur flüchtig geftreift. Der Titel der Schrift
ift fomit etwas zu weit, und es bleibt zu bedenken, dafs
unter diefen Umftänden gerade die Künfte allein zur
Sprache kommen, für die Luther nur ein geringeres
Verftändnifs hatte. Lehfeldt prüft zunächft das Verhältnifs
Luther's zum Kunftgewerbe mit dem Ergebnifs, dafs
er zwar durch vielfache Gefchenke Befitzer eines an-
fehnlichen Vorraths von Erzeugnifsendes deutfchen Kunft-
fleifses gewefen ift, dafs fich aber keine Aeufserung bei
ihm findet, die für feinen Gefchmack oder fein Urtheil
auf diefem Gebiete Anhalt böte. Er wendet fich dann
zu Luther's eigener Bauthätigkeit am Auguftinerklofter,
aber auch hier zeigt fich nur der praktifche Mann, nicht
eine befondere Spur von künftlerifchcm Intereffe. Lehfeldt
muftert ferner Luther's Alterthumskenntnifse und
was fich bei ihm an Eindrücken von Kunftwerken, die
er auf Reifen gefehen, widerfpiegelt. Auch hier überwiegen
durchaus die Reflexionen praktifcher Art; es
zeigt fich weder eine Spur der humaniftifchen Schwärmerei
für die Werke der Alten, noch bei allen Eindrücken
, die ihm etwa feine Romreife gebracht hat,