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Ausgabe:

1894 Nr. 2

Spalte:

53-56

Autor/Hrsg.:

M‘Crie, Charles Greig

Titel/Untertitel:

The public worship of Presbyterian Scotland historically treated 1894

Rezensent:

Hans, Julius

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Theologifche Literaturzeitung. 1894. Nr. 2.

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Aber er erklärt doch gleich in der Einleitung, dafs er
diefe Selbftändigkeit felbftverftändlich nicht als eine ab-
folute, fondern als eine relative meine, und thatfächlich
führt er im Verlaufe feiner Arbeit mit befonderem Nachdrucke
gerade die enge, ja nothwendige Beziehung einer
voll und kräftig entwickelten Sittlichkeit zur Religion,
und zwar fpeciell zur chriftlichen Religion, aus. Je länger

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liehen Sinne des Wortes, die in vorgefchriebener Form
und genauem Wortlaut jederzeit zu halten fei, fondern
lediglich eine Richtfchnur, die den Weg zeige und ge-
wiffe Grundlinien ziehe; die Ausführung aber fei frei,
die dargebotenen Gebetsformulare hätten nur als Mufter
oder zur Auswahl zu dienen. — Die Thronbefteigung
Jabok's VI. brachte bekanntlich auch für die fchottifche
lefto mehr merkt man, dafs fein eigentliches, perfön- Kirche fchwere Kämpfe und Bedrängnifse mit fich; fie
liches Intereffe fich auf die Vertheidigung des Zu- follte vollftändig anglicanifirt werden. Der Verfaffer
fammenhanges rechter Sittlichkeit mit rechter Religion weift jedoch nach, dafs diefe Verfuche auf dem Gebiete
richtet und dafs die Aufweifung der relativen Selbftändig- des Cultus wenig Erfolg hatten und dafs derfelbe trotz
keit der Sittlichkeit gegenüber der Religion nur die Folie der königlichen Gefetze und Anordnungen wefentlich in
bilden foll für eine defto ftärkere Hervorhebung des der alten Weife gehalten wurde. Als aber die Herr-
Zufammenhanges beider, wo fie richtig entwickelt find, i fchaft der Stuarts zu wanken begann und man fich auch
Die Ausführungen, in denen diefer Zufammenhang be- I in England der Epifkopalkirche und des Common Prayergründet
und dabei doch auch betont wird, dafs es nicht Book zu entledigen fuchte, da regte fich der Wunfeh,
möglich ift, von den fittlichen Ideen aus einen zwingenden 1 für England und Schottland eine gemeinfame Gottesdienft-
Vernunftbeweis für die Wahrheit des religiöfen Glau- | Ordnung nach presbyterianifchen Grundfätzen herzuftellen,
bens zu geben, find fehr beherzigenswerth. Der Weg, J die auch unter dem Namen Tlie Westminster Directory
auf dem der Verf. hier wandelt, führt ihn ganz nahe an zuftande kam und im J. 1645 im Druck erfchien. Diefe
die Bahnen heran, in denen fich die Theologie der | Gottesdienllordnung ift im wefentlichen in Geltung ge-
Ritfchl'fchen Schule bewegt. Er felbft ift fich freilich I blieben bis auf den heutigen Tag, wenn fie auch zeit-
diefer Annäherung nicht bewufst, da auch er unter dem i weilig angefochten oder ignorirt wurde und im einzelnen
Vorurtheile fteht, dafs die Theologie der Ritfchlianer manchen Modifikationen unterlag. Ihr ift das vierte Ca-
eigentlich auf eine Eliminirung der Religion zu Gunften J pitel gewidmet, worauf der Verfaffer im fünften Capitel
der Moral hinauslaufe. Aber die Annäherung fcheint ; noch den Verlauf der Dinge von der Thronbefteigung
mir doch thatfächlich in fehr bemerkenswerther Weife Wilhelm's von Oranien bis zum Ende des 18. Jahrhun-
vorhanden zu fein und ich begrüfse fie freudig. derts und den im letzteren eingetretenen Verfall (deca-

Die Arbeit ift der theologifchen Facultät in Jena als ' dence) und im fechsten Capitel the modern renaissance
Dank für die verliehene theologifche Doctorwürde ge- ; fchildert. Hierbei berückfichtigt er natürlich auch die
widmet. Sie ift zuerft in den Jahrbüchern für pro- feparirten Kirchen presbyterianifcher Richtung, wie die
teftantifche Theologie veröffentlicht. Ihr letzter Theil Free Church, zu der er felbft gehört. Ein Appendix

bildete den Abfchlufs diefer Zeitfchrift. Es ift fchön,
dafs die Jahrbücher1 gerade diefen Abfchlufs gefunden
haben.

Jena. H. H. Wendt.

bringt noch eine Anzahl von Beigaben, die zum Theil
handfehriftlichen Quellen entnommen find und die vorhergehenden
Ausführungen näher begründen und beleuchten.

Näher auf das Detail des vorliegenden Werkes einzugehen
, mufs ich mir aus verfchiedenen Gründen ver-
fagen. Nur auf ein Doppeltes will ich noch hinweifen.
Der Verfaffer bezeichnet es fchon auf den erften Seiten
feines Buches als das grofse Princip des Presbyterianis-
mus, von dem er in Cultusfragen ftets ausgehe, ,dafs die
rechte Art der Verehrung Gottes durch ihn felbft ange-

M'Crie, Charles Greig, The public worship of Presbyterian

Scotland historically treated. The fourteenth Series
of the Cunningham Lectures. Edinburgh and London,

Blackwood and Sons, 1892. (XXI, 465 S. gr. 8.) geb. orJnet unJ durch feinen &geoffenbarten Willen fo genau
Die Cultusgefchichte der reformirten Kirche ift weit ! beftimmt ift, dafs er in keiner andern als in der durch
weniger durchforfcht und bearbeitet, als die der luther- ( die hl. Schrift vorgefchriebenen Weife verehrt werden
ifchen Kirche. Um fo dankenswerther ift das vorliegende j darf. Diefer Grundfatz beftimmt und beherrfcht denn
Werk, in dem uns eine eingehende und gründliche Dar- auch vielfach die liturgifche Entwicklung. Aus ihm geht
ftellung derKultuseinrichtungen der fchottifchen Kirche in [ das lange feftgehaltene Widerftreben hervor, irgend
ihrer gefchichtlichen Entwicklung gegeben wird. Der , welche andere Lieder im Gottesdienft zu verwenden, als
Verfaffer behandelt feinen Stoff in fechs Capiteln. Im : folche, die unmittelbar der hl. Schrift entnommen find,
erften: Celtic and Anglo-Roman worship wirft er einen | befonders die altteftamentlichen Pfalmen. The Book of
kurzen Blick auf den vorreformatorifchen Cultus, wie er Common Order enthielt nur Pfalmen. Allmählich, wenn
in Schottland ausgeübt wurde, um dann im zweiten die auch erft nach langen Verhandlungen, kamen andere
erften Verfuche einer Neubildung nach evangelifchen Schriftabfchnitte, die man metrifch bearbeitet hatte, hinzu,
und fpeciell presbyterianifchen Grundfätzen zu fchildern. , Aber erft in den letzten Jahrzehnten wird der Gebrauch
Wir werden hier nach Frankfurt a. M. geführt, wo fich von frei gedichteten Liedern (hymns) erlaubt (1851 in der
eine Flüchtlingsgemeinde gebildet hatte, in der John United Presbyterian Churck, 1861 in der Staatskirche
Knox vorübergehend wirkte. Da diefelbe das englifche j und 1872 in der Free Churcli). Auch die Begehung
Prayer-Book nicht unverändert annehmen wollte, unter- j von Fefttagen aufser dem Sonntag konnte fich nur langzog
eine zu diefem Zweck eingefetzte Commiffion, in ! fam durchfetzen. Die Feier des Weihnachtsfeftes wurde
der fich auch Knox befand, letzteres einer Umarbeitung, j in der Kirchenordnung von 1560 noch zu den verwerf-
die dann zwar nicht in Frankfurt, wohl aber in der eng- j liehen Erfindungen der Papillen gerechnet, obwohl man
lifchen Gemeinde in Genf zur Finführung kam und von : fchon damals die Forderung ausdrücklicher Anordnung
da nach Schottland herübergenommen wurde, als dort durch die hl. Schrift auf die nothwendigen und wefent-
die Reformation i. J. 1560 zum Durchbruch gelangte. liehen Beftandtheile des Cultus befchränkte und daneben
Diefes Book of Common Order, dem das dritte Capitel ein Gebiet anzuerkennen bereit war, auf dem die chrift-
gewidmet ift, bildet alfo die erfte officiellle Cultusord- ' liehe Gemeinde aus eigenem Antrieb Einrichtungen treffen
nung der fchottifchen Kirche. Der Verfaffer verwahrt j möge, die je nach Zeit und Umftänden wechseln könn-
fich dagegen dafs man diefelbe, wie es zuweilen ge- ten. Allmählich jedoch mufste man fich der Berechtigfehehe
°A«ötk Ltturgy' nenne; denn abgefehen davon, ; ung und Tragweite diefer Unterfcheidung beftimmter
dafs fie' keineswegs als eine eigene und ausfchliefsliche bewufst werden und fah fich genöthigt, nach mancher
Schöpfung Knox's betrachtet werden könne, fei ein pres- | Richtung hin die Confequenzen aus ihr zu ziehen. So
byterianifch.es tervicebook nie eine Liturgie im eigent- I hat endlich auch die Orgel Eingang in Schottland ge-