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Ausgabe:

1894 Nr. 26

Spalte:

652

Autor/Hrsg.:

Kautzsch, Emil

Titel/Untertitel:

Die Psalmen. 1. - 4. Aufl 1894

Rezensent:

Budde, Karl

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Theologifche Literaturzeitung. 1894. Nr. 26.

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Emendation. Das Urtheil Z.'s wird auch hier bedeutend
ermäfsigt werden muffen. In folgenden Varianten ifl
Emendation zuzugeben. Rö. 15, 31 öwgnwooia eig, Gal.
2, 20 zov deov v.ui ygiozov (wohl eine dogmatifche Veränderung
, Rö. 15,11 + Xeyet. Dazu noch Rö. 3, 2 fisv )> yag-,
Rö. 14, 5 og fiev 3> yag, Rö. 4, 22 (f. o.) öin )> xai (in
diefen Stellen ift kein Grund zu fchwanken). Dagegen
ift mit BDG zu lefen Rö. 9, 19 zi + ovv" ezi, Eph. 6, 1
> ev y.vgiw, Eph. 6, 12 v/iivQ), Rö. 6, 21 zov--uev" yag,
1 Th. 5, 28 3> aiirjvQ), 2 Th. 1, 8" 7-^074 nvgog (wahr-
fcheinlich), und vor Allem ift 5, 2 xrj rciozei erfichtlich
Gloffe. Ich befpreche ausführlicher eine befonders von
Z. hervorgehobene Stelle. 1 Th. 3, 2 fei die Lesart
B's gvvsqvov ev zw evayyeltw erfichtlich Emendation.
Von der Lesart in B feien dann DG und KL abhängig.
Ich gruppire die Hndfchrn. folgendermafsen

avvsQyov tov deov Dd Ambrs
avvegyov B.

öiay.ovov tov iteov
«AP 67. 71. 73. Euth.codvg.
öiay.ovov y.ai avvegyov tov d-eov G. g
öiaxovov tov dtov v.ai avvegyov r/fitov Rel.
Dann ergiebt fich Folgendes: Der Ausdruck avvegyov ~T~"""
zov deov ift der urfprüngliche, B bezeugt ihn noch und I7° ^e
liefs aus demfelben Grunde ireov weg, aus dem «AP
avvegyov in öiay.ovov umwandelten. G und die Gruppe
der fpäteren Zeugen zeigt Mifchtext, G zeigt als Grund-
beftand den Text der abendländischen, die jüngeren
Zeugen den der alexandrinifch-cäfareenfifchen Gruppe.
Ich glaube, dafs diefe Beurtheilung überzeugender ift als
Z.'s Combinationen. Dann aber zeigt fich hier wieder
die Vorzüglichkeit der Ueberlieferung von BD. —

Nach alledem ift Z. zuzugeben, dafs BDG fchon
Spuren gemeinfamer Emendation zeigen. Es ift jedoch
Z. gegenüber ftark zu betonen, dafs auch in fehr vielen
Fällen in diefer Gruppe der urfprüngliche Text aufbewahrt
ift.

Anhangsweife befpreche ich hier noch die wichtige
Stelle Rö. 1, 32, die Z. ausführlicher hätte behandeln
dürfen. Im Archetypus der Gruppe mufs der Vers einmal
gelautet haben: omveg zo ötxaiwtia zov ireov erciyvov-
zeg ovy, eyvwaav, {evozaav ovvqy.av) (DEdeg vg. 8p* Or.in)
ort 01 za zoictvza rzgaaaovztg al-ioi davazov eioiv ov
iiovov 01 noiovvzeg avza alla xai 01 ovvevöov.ovvzeg
zoig ngaaaovaiv (d-- eg. vg.cod- Cypr. Ephr. hier auch B,
der alfo einen Mifchtext zeigt: ov uovov avza noiovvzeg
alXa xca ovvevd). Die ganze Lesart macht den Eindruck
einer fehr abfichtlichen Emandation. Ganz erhalten ift
fie fonderbarer Weife nur in der lateinifchen Ueber-
fetzung. Dies und der Umftand, dafs die griechifchen
Codices für das lateinifche intellexerunt die Synonyma
zeigen (f. o.), macht es wahrfcheinlich, dafs die BDG zu
Grunde liegende Emendation ursprünglich in lateinischer
Sprache vorgenommen wurde. Ein intereffantes Refultat,
das an Harris' Unterfuchungen erinnert.

Gegen die übrigen Aufftellungen Z.'s erheben fich
nun ftarke Bedenken. Den Beweis, dafs X mit dem
abendländifchen Text keinerlei Berührung zeige, halte
ich nicht für erbracht. Wenn Z. conftatirt, dafs PK in
15, PL in 42, KL in 98 Stellen mit einander zufammen-
gehen, fo hätte ihm diefe Beobachtung die Frage nahe
legen follen, ob P fo einfach zur Gruppe KL zu rechnen
fei. H hat Z. gar keine Aufmerkfamkeit zugewandt.
Es geht auch nicht an, A und C auf Grund von etwa
20 Debereinftimmungen (D zählt deren 34!) zum morgen-
ländifchen Text KLP zu rechnen. Und wenn X allerdings
fowohl mit DG, als mit KLP die geringften Berührungen
zeigt, fo ift deshalb st noch lange kein neutral
text, fondern gehört mit AC und B zu einer Gruppe, die
ebenfalls ihre charakteriftifchen Eigenthümlichkeiten hat.
Z. theilt hier mit Weftcott denfelben verhängnifsvollen
methodifchen Fehler. Man nimmt feinen Standpunkt
bei einem fingirten neutral text und beurtheilt von
hier aus die übrigen Gruppen als emendirt. Ein fol-
cher neutraler Text dürfte uns eben kaum für das neue

Teftament erhalten fein. Z. widmet noch den Minuskeln
einige Rückficht. Nur hätte er hier fehen follen, dafs mit
dem Material, das Ti. bietet, gar nichts anzufangen ift.
Immerhin zeigt doch ein Refultat Z.'s, wie viel fich hier
felbft mit ganz unzureichendem Material erreichen läfst.
Z. zählt als Minuskeln, die mehrere Male mit einander
zufammentreffen, 31. 37. 47. 73. 80.(109.) n5- "6- (238.)
auf, aufser den eingeklammerten diefelben Codices, die
ich der Pamphilus- (nach v. Dobfchütz cäfareenfifchen)
Gruppe zugewiefen habe.

Schlägt die Arbeit Z.'s auch keine neuen Bahnen
ein, und hätten auch die Zufammenftellungen oft metho-
difcher und überfichtlicher gemacht werden können, fo
ift doch die mit grofsem Sammelfieifs gemachte Arbeit
mit Dank aufzunehmen.

Göttingen. W. Bouffet.

Scrivener, Frederick H.A., M. A., D. C. L., L.L. D.,
Adversaria critica Sacra with a short explanatory intro-
duction. Cambridge, University Press, 1893. (CHI,

In diefem nachgelaffenen Werke hat uns der unermüdliche
Forfcher und Bahnbrecher der neuteftamentlichen
Textkritik (f 1891) noch mit neuem reichen textkritifchen
Material befchenkt. Collationen und ausführliche Be-
fprechungen von 63 Hndfchrn. liegen hier vor. Nach einer
fchweren Krankheit hat Scrivener diefe Arbeit wieder
aufnehmen dürfen, die Correctur des Werkes wurde
leider durch ein Augenleiden gehört, fo dafs wir einzelnen
Fehlern gegenüber nachfichtig fein müffen.

In der Einleitung giebt Scrivener eine Befprechung
der einzelnen Codices, dann die Collationen. Zuerft
unter den Evangelienhndfchrn. giebt Scr. eine genaue
Wiedergabe der Uncialfragmente Wd (Mrc. 7, 3—4. 6. 8.
30. 8, 16. 9, 2—3. 7—9) Einleitung XI ff; Einleitung
XVI eine Collation mit Stephanus. Die Collation ift
leider fehr ungenau. Ich zähle nicht weniger als neun
Fehler (zu Mrc. 8, 2 notirt Scr. eyovaiv, nach dem Abdruck
fcheint eyioaiv gelefen werden zu müffen, fo auch
Gregory Prolegomena III, 3. 1264); was zu Mrc. 8, 3 (es
fehlt die Versangabe) das doppelte ry.ovaiv zrxoiaiv foll,
verftehe ich nicht. Es ift alfo vor dem Gebrauch der
Collation zu warnen. Gregory's Angaben find fehlerlos.

Eine fehr dankenswerthe Collation (vgl. XVI ff. I ff)
ift die von Cod. Ev. 556 {ßurdett-Coutts III, 5). Derfelbe
gehört zu der intereffanten, wahrfcheinlich in Calabrien
entltandenen Gruppe, als deren Charakterifticum im We-
fentlichen gelten kann, dafs die Perikope von der Ehebrecherin
fich hinter Lc. 21, 38 findet, und Lc. 22, 43 f.
hinter Mtth. 26, 39. Scr. giebt nun eine vollftändige
Collation diefer Minuskel mit der Claffe 13. 69. 124. 346
(nach der Ausgabe von Ferrar-Abbot). XXI. verfucht
Scr. eine Gruppirung der fünf Codices, die mir im Ganzen
richtig zu fein fcheint. Es hätte noch deutlicher gefagt
werden können, dafs 124 fo ftark von der Gruppe abweicht
, dafs er nicht als Hauptzeuge zur Reconftruction
des Archetypus verwandt werden kann. Ich möchte
hinzufügen, dafs 13—346- 556 zu einer engeren Gruppe
zufammengehören, deren Archetypus nicht bis zum Archetypus
der Recenfion zurückreicht. Sie theilen mit einander
eine Menge von Nachläffigkeiten und Schreibfehlern
, vgl. namentlich: Lc 22, 19 vneq ruwv 22, 30.67
(rjuiv). Dann: Mrc. 2, 12 evavzioiv iöwiiev (ftatt eidafiev
eiöoiiev idouev) 4, 26 ovxog (ftatt ovzwg) 3, 14 ovoiiaaev
Lc. 24, 18 eis lXrii, 24, 30 zvloyzoev. Dazu 345 — 556
Mrc. 2, 17 zj (ftatt 01) Lc. 24, 32 eXaXrj (ftatt fit). Solche
Beobachtungen führen rafcher zum Ziel, als die müh-
fame Methode der Auszählung fammtlicher Varianten,
die Scrivener angewandt hat. Diefe wollen nicht blofs
gezählt, fondern gemeffen werden. Vorläufig beanfprucht
alfo 69 bei der Reconftruction des Archetypus etwa den
gleichen Werth, wie 13—346—556.