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Ausgabe:

1894 Nr. 24

Spalte:

609-610

Autor/Hrsg.:

Swete, H.B.

Titel/Untertitel:

The Apostles‘ Creed 1894

Rezensent:

Kattenbusch, Ferdinand

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Theologifche Literaturzeitung. 1894. Nr. 24.

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hielten, waren am 20. Jan. fchon erfchienen, am 16. März
lagen die tabulae über Taufe, Beichte und Abendmahl
gedruckt vor. In Buchform zufammengefafst wurden
diefe zuerft in Hamburg, wo fie in einer niederdeutfchen
Ueberfetzung erfchienen, die aufser den fog. fünf Haupt-
ftücken nur noch das Benedicite und Gratias enthielt
(weshalb wohl nicht die Beichte?): das war der von
Mönckeberg 1851 (2. A. 1868) neu herausgegebene ,Cate-
chismus effte vnderricht" (Hamburg, Ag. d. Rauh. Haufes)
Anfang April wurde dann auch der ,Katechismus' —
d. h. der grofse — vollendet und war am 23. April
gedruckt. Am 16. Mai wird zum erften Male ein kleiner
Kat. erwähnt, mit Bewufstfein von einem gröfseren unter-
fchieden, den wir in den Erfurter-Marburger Nachdrucken
noch befitzen. Am 13. Juni hatte der kleine Kat. —
d. h. jedenf. in Buchform — fchon zum 3. Male die
Preffe verlaffen, in ista postrema editione adauctus: diefe
,gemehrte und gebefferte' Ausgabe haben wir noch in
einem freilich defecten Original.

Das irt in der Kürze das jetzt vorliegende Refultat.
Der Beweis, den Buchwald für dafselbe führt, ift ebenfo
intereffant, wie zwingend. Der einzige Punkt, wo feine
Argumentation nicht ohne Weiteres einleuchten will, ift
feine Erklärung, weshalb die dritte Abendmahlsfrage
in allen uns bekannten, von einander unabhängigen Abdrucken
der erften Buchausgabe fehlt, während die
tabidae fie fchon gehabt haben müffen, weil die Hamburger
niederdeutfche Ueberfetzung fie hat (vgl. S.XIIIb).
Diefe fchwierige Frage damit zu löfen, dafs das Fehlen
in der erften Buchausgabe aus einem Verfehen des
Druckers erklärt wird, ift ein Nothbehelf. Ich kann mir
zunächft nicht denken, dafs in einer unter Luther's Augen
erfchienenen Original - Ausgabe ein fo fchwerwiegender
Druckfehler follte ftehen geblieben fein. Freilich find
wir vorläufig lediglich auf Vermuthungen angewiefen.
Aber ich möchte dann doch noch lieber annehmen, dafs
Luther die betreffende Frage in der erften Buchausgabe
abfichtlich fortgelaffen hat; und Einiges läfst fich für
diefe Annahme immerhin anführen. Die PYagen über
das Abendmahl für die tabulae hatte Luther auf Grundlage
der Katechismus-Predigten jedenfalls fchon Anfang
März, vielleicht fchon Ende Februar zufammengeftellt,
jedenfalls wohl früher, als er den Abfchnitt über das
Abendmahl für den grofsen Katechismus ausarbeitete.
Wären beide Ausarbeitungen gleichzeitig entftanden, hätte
er da wohl im Anfang des Abfchnitts über das Abendmahl
im grofsen Katechismus als Dispofition aufgeftellt:
,wir müffen vom anderen Sakrament auch reden die drei
Stücke, was es fei, was es nütze und wer es empfahen
foll', während er gleichzeitig für die tabulae die vier
bekannten Fragen feftftellte? — Vielleicht hat fich Luther
bei Ausarbeitung des Abfchnittes für den grofsen Katechismus
die Anlicht aufgedrängt, dafs der kleine Katechismus
hier infofern könnte kürzer gefafst werden, als
die dritte Frage, die doch nichts Wefenthches zu der
Lehre über das Abendmahl hinzufügt, ganz fehlen dürfe.
Er hat fie dann in der erften Buchausgabe des kleinen
Katechismus, die mit der erften Ausgabe des grofsen
etwa zu derfelben Zeit erfchien, wirklich fehlen laffen.
Sei es nun, dafs er nachher bereut hat, feinem eigenen,
in der Vorrede zum kleinen Katechismus ausgefprochenen
Princip entgegen geändert zu haben, fei es, dafs ihm

Vgl. auch Moufang, Die Mainzer Katechismen. Mainz 1877. S. 12 f.
Intereffant als Beweis dafür, wie gebräuchlich folche Wandtafeln ge-
wefen fein müffen, ift ein Vers des fchon in dem fog. Nürnberger Gefangbuch
von 1524 fich findenden Liedes : In Jefus Namen heben wir
an ... . Weil mir ein hochdeutfeher Druck des Liedes nicht zur Hand
ift, gebe ich den Vers nach einem niederdeutfchen Druck (in: Wiechmann-
Kadow, Joach. Slüters ält. Roftocker Gefangbuch. Schwerin 1858 auf

BL Miyb.): u . , ._ ,

Nu hoert gy man vnd jungen knapen,

Got fchoele wy ftedes vor ogen hebben,

Syn gebott wol an den wenden,

Vnd fchoelen se leren vnse kinder,

Ock dragen jnn den henden.

von anderer Seite der Wunfeh geäufsert ift, die Frage
wieder einzufügen, hat er fie in der ,gemehrten und ge-
befferten' Buchausgabe wieder mit drucken laffen. —

Bemerkenswerth ift nun, wie in dem jetzt feftge-
ftellten Refultat der Gefchichte der Lutherfchen Katechismen
z. Th. die alte Tradition fich bewahrheitet, die
bis auf Schneider, der fie in feinem Buche D. Martin
Luthers kleiner Katechismus, Berlin 1853 vorläufig endgültig
widerlegte, immer wieder Vertreter gefunden hat,
nämlich die Anficht, dafs der kleine Katechismus vor
dem grofsen erfchienen fei. Die alte Tradition, wie fie

j z. B. bei Carpzow (Isagoge in libros ecel. Luth. symb.
Lipsiae 1675 p. 944) fich findet, gab als Termin für das
Erfcheinen des kleinen Katechismus den Januar 1529,
für das Erfcheinen des grofsen Katechismus den Oktober
1529 an. Wie letztere Angabe mag entftanden fein,
vermag ich nicht zu errathen, aber in erfterem Termin
hat fich lange Jahre eine richtige Angabe erhalten. Die
Tradition geht zum Theil offenbar auf die auch von
Buchwald S. XIVb. Anm. 4 angeführte Stelle bei Auri-
faber, Gefchichtsmeldung für 1529 zurück. Von ihm
entlehnt fie nachweislich Conradus Porta in ,Des heil.
Catechismi oder Layen Bibel Nutz und Hoheit 1578'
(cf. Mönckeberg S. 110), und dann hat fie, Falfches und
Wahres verbindend, das ganze 17. Jahrhundert unbe-
ftritten dargeftanden. Seckendorf in feinem Commen-

j tarius bist, et apol. de Lutheranismo. ed. II. Lips. 1694.
p. 145b. § §1. 4 hat fie von dem ihm vorliegenden Material
aus in richtiger Weife wohl zuerft kritifirt: die tabulae
waren vergeffen, ebenfo, dafs die Vorrede des kleinen
Katechismus erft fpäter für die erfte Buchausgabe ver-
fafst fei; fo mufste es denn für ihn ein Beweis für die
Priorität des grofsen Katechismus fein, dafs in der Vorrede
des kleinen fchon auf jenen verwiefen würde. Trotz
feiner Einrede findet fich die Tradition aber u. a. wieder
bei Fabricius {Centifoliutn Lutheranum. Hamburg 1728

p. 283) und bei Rechenberg {Appendix tripartita /sag.

I ad übt. ecel. Luth. symb. Lips. 1740 p. 25 § 7), daneben
freilich nun auch die entgegengefetzte Meinung, der
grofse fei vor dem kleinen entftanden. Walch hält
fchon in feiner Vorrede zum X. Bande von Luther's
Schriften, Halle 1744 S. 6 die Priorität des grofsen Katechismus
mindeftens für fehr wahrfcheinlich, fpricht dabei
freilich die Möglichkeit aus, dafs die Vorrede nicht gleich
der erften Ausgabe des kleinen Katechismus beigegeben
fei, neigt fich dann aber in feinen fpäteren Aeufserungen
über diefe Frage immer mehr der Anficht Seckendorfs zu.
Aber Förtfch (Kurzer Entw. d. katechet. Theol. Gött.
l7i>% P- 77 f)> geftützt auf Conr. Porta, polemifirt gegen
diefelbe noch einmal mit befonderem Erfolg und fucht
die Tradition zu halten. Köllner zuerft führt in feiner
Symbolik d. luth. Kirche (Hamburg 1837 S. 490 ff.) den
Beweis für die Priorität des grofsen Katechismus aus
inneren Gründen, und man begreift eigentlich nicht, dafs
nach ihm doch die Richtigkeit feiner Behauptungen noch
wieder angezweifelt ift. Aber z. B. noch Mönckeberg
wagt den Streitpunkt nicht zu entfeheiden, bis dann
Schneider (a. a. O. S. XXVII ff.) in diefer Frage zunächft
das letzte Wort gefprochen hat: feine auch heute
tnutatis mutandis noch richtige Anficht ift, der kleine
Katechismus fei gleichfam als Blüthe oder Frucht aus

I dem grofsen hervorgewachfen. Dafs der kleine dennoch
vor dem grofsen erfchienen fei, konnte er noch nicht
ahnen. Unterdeffen hatte aber die Auffindung des oben
mehrfach erwähnten Hamburger niederdeutfchen kleinen
Katechismus eine andere Frage aufs neue angeregt, die
mit der Frage nach der Priorität freilich eng verwandt
war, nämlich die Frage nach der Urgeftalt des kleinen
Katechismus. Der Herausgeber Mönckeberg hatte fofort
eben in der von ihm aufgefundenen Ueberfetzung die
erfte Geftalt des kleinen Katechismus begrüfst, Uhlhorn
in feiner Recenfion in d. Vierteljahrsfchr. f. Theol. u. K.
1852 S. 295 ff. ftimmte ihm zu, auch Schneider (a. a.