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Ausgabe:

1894

Spalte:

601-602

Autor/Hrsg.:

Rohde, Erwin

Titel/Untertitel:

Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen 1894

Rezensent:

Duemmler, Ferdinand

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung. 1894. Nr. 24.

606

fluence vitist have playcd some part in the genesis of the
Bezan texf (VIII). Dafs diefer Gedanke fchon J. D.
Michaelis nahe lag und von Storr [Observationes super
N. T. versionibus Syr.) begründet wurde (vergl. J. D. Mich. 1
Einleitung4 S. 583), fcheint Ch. alfo damals nicht bekannt
gewefen zu fein. — In Bezug auf feine fyrifchen Kennt-
nifse gefleht er felbft ein (XI f.): ,tltat I viake no pre-
tensions to being a trained Syriac scholar. I have only
tliat working Knowledge of Syriac, whicli a Student of
the New Testament greatly needs and may very easily j
acquire'. Und wie es fcheint, denkt er fich auch unter den
Lefern, welchen er feine Unterfuchungen vorlegt, folche,
denen das Syrifche ziemlich terra incognita ift, wie die ,
etwas feltfamen fyrifch-englifchen Ueberfetzungen feiner
fyrifchen Citate (z. B. o-.?oi.^)j «■r*^-' ,obi.S^o = ,and- j
all-of-them those who-assembled there', S. 23; vergl.
S. 52. 76 h 84. 97 u. ö.) fowie manche Bemerkungen (z. B.
zu 6, bemerkt Ch.: It may be convenient to note ottee for
all that the Syriac cannot {except by the addition of ,thaf,
/hose'; sce on VI. 5) express the definite article; übrigens
eine Behauptung, die in diefer Kürze ebenfo mifsver- j
ftändlich ift, wie die an der betr. Stelle daraus gezogene
Schlufsfolgerung unficher) zeigen. Ref. mufs nun von j
vornherein geflehen, dafs ihm eine folche Frage, ob
eine fremdfprachliche Vorlage auf eine Textgeftalt Ein- I
flufs geübt habe, nur auf Grund fehr intimer Kenntnifs
der betr. Sprache und fehr feinen Gefühls für ihre Eigen-
thümhehkeit beantwortbar erfcheint. Indefs verdient die I
kühne Entfchloffenheit, welche es ohne diefe Hülfe ge- ;
wagt hat, die fchwierige Unterfuchung' mit aufserordent-
lichem Fleifse durchzuführen, jedenfalls eine forgfältige
Nachprüfung und objective Würdigung.

Ch. hat feine Unterfuchung über Cod. D an der
Apoftelgefchichte vollzogen, da er fich einen Abfchnitt j
herauswählen wollte, deffen Ausdehnung ihm garantirte,
dafs keine charakteriflifchen Züge des Textes unbemerkt
blieben, und da andere Fragen, welche ihn befchäftigten,
mit der Apoftelgefchichte zufammenhingeti. Sein Buch
gliedert fich in 2 Theile. Der erde Theil ift der Aufgabe
gewidmet, die dem Cod. D (theilweife mit E zu-
fammen) eigentümlichen (d. h. vom true text, unter
welchem Ch. den von Weftcott und Hort verlieht, abweichenden
) Lesarten auf die Frage hin zu unterluchen,
ob ihre Eigentümlichkeiten nicht daraus zu erklären
feien, dafs wir im Cod. D ,Syriacised texts' vor uns
haben, alfo Texte, welche unter dem Einfluffe einer
fyrifchen Vorlage ftanden. Und zwar befpricht Ch. von
c. 1 bis zu c. 829, alfo foweit, wie die Handfchrift ohne
Lücken vorliegt, alle, von dem Uebrigen nur ausgewählte
Lesarten des Codex. Der zweite Theil des
Buches behandelt mit Benutzung der im ernten Theile
gewonnenen Refultate und weiterer Sicherung derfelben !
die Fragen nach dem Alter, dem Entftehungsort und
dem Verwandtfchaftsverhältnis des Cod. D.

Welches find die Refultate des Verfaffers? Er meint
nachgewiefen zu haben, dafs die Befonderheiten des
Cod. D überall dem beftimmenden Einfluffe einer fyrifchen
Textgeftalt entfprungen find, welcher man den griechi-
fchen Text zu affimiliren bemüht war. Diefe fyrifche
Textgeftalt war aber nicht die Pesita, fondern eine ältere
fyrifche Ueberfetzung, nur eben aus Cod. D (und E)
andeutungsweife reconftruirbar, welche (nach gewiffen
Citaten oder Anfpielungen im Texte der Acta) auch die j
Propheten, wahrfcheinlich die Pfalmen und den Penta- [
teuch, auch die paulinifchen Briefe, wahrfcheinlich auch j
ein aufserkanonifches Erzählungenbuch umfafste. Diefer
,alte Syrer' {Old Syriac) fleht auch bei Cod. E im
Hintergrunde; hier erfcheint er, ohne den griechifchen
Text felbft fehr zu modificiren, befonders in den dem I
Texte einverleibten Gloffen. Eine Vergleichung der
unter dem Einfluffe diefes .alten Syrers' flehenden
Parallelftellen in Cod. D, Cod. E, ferner bei Tertullian
und Irenaeus, zeigt aufserdem, dafs zu der Zeit feiner |

Benutzung diefer alte Syrer fchon mancherlei Varianten
bot, alfo eine längere Gefchichte hinter fich hatte, fowie
Ch. auch conftatirt, dafs die Geftalt des alten Syrers, mit
welcher wir es in Cod. D zu thun haben, eine fpätere
ift als die in Cod. E. Ch. hält die Codices D und E für
zwei ursprünglich bilinguale, nämlich graeco - fyrifche
Manufcripte, Analogien zu den bekannten graeco-lati-
nifchen und den PYagmenten von graeco-fahidifchen; die
fyrifche Geleitfchaft habe die Umprägung der griechifchen
Geftalt bewirkt; und dies Beifpiel folcher Umgeftaltung
habe früher nicht allein geftanden, fondern repräfentire
eine grofse Familie ähnlicher Documente.

Diefe Refultate mit den Folgerungen, welche fich
daraus ergäben, wären in der That von .weitreichender
Bedeutung', wie Ch. dies für fie S. XII energifch in An-
fpruch nimmt, wenn fie zuverläffig wären. Ref. kann
ihnen dies nach gewiffenhafter Nachprüfung nicht zuerkennen
.

Die nahe Verwandtfchaft des Cod. D mit Pes. (fo-
wohl wie mit der fahidifchen Ueberfetzung) ift lange
bekannt gewefen, ohne dafs man darum auf das Syrifche
als Original der Lesarten von D gefchloffen hätte. Zu-
nächfl wird ja nur der Schlufs berechtigt fein, dafs Pes
und D Einer Textfamilie angehören. Will man aber, was
eben Ch.'s Benreben ift, nachweifen, dafs D's Eigenart
aus fyrifcher Quelle flammt, fo wird es vor allen Dingen
des Beweifes bedürfen, dafs die Befonderheiten D's fyrifchen
Sprachgeift, fyrifche Structur zeigen. Das-
felbe ift natürlich nöthig an den Stellen, wo nicht Ueber-
einftimmung mit Pes. vorliegt, wo aber Ch.'s Old Syriac
der beftimmende Factor gewefen fein foll. Dies hat Ch.
auch als wefentlichen Punkt feiner Unterfuchung empfunden
; denn die 3 Leitfätze, welche ihm (nach S. Xi zur
Orientirung gedient haben, laffen fich dahin zufammen-
faffen, dafs die Erkennbarkeit fyrifcher Spracheigenthüm-
lichkeiten in den dem Cod. D befonderen Partien der
Prüfflein fei. Aber wenn der 3. Leitfatz das charakte-
riftifch fyrifche Colorit kennen lernen will aus
der Vergleichung anderer Stellen des N. T. {,a
tvord or expression, wfiich the comparison of other pas-
sages in the Syriac N. T. proved to be characteristicallv
Syriac'), fo macht fich hier m. E. der Mangel an philo"-
logifcher Kenntnifs und Beherrfchung des Syrifchen in
verhängnifsvoller Weife geltend. Wer über charakte-
riftifch fyrifche Sprachfärbung urtheilen will, dem mufs
das fyrifche Sprachgebiet im weiteren Umfange einiger-
mafsen bekannt und vertraut fein, fodafs er nicht darauf
angewiefen ift, Lexikon und Concordanz des N. T. in
der Hand hinter dem Vorkommen einzelner Vocabeln
an diefer oder jener andern Stelle herzujagen. Wer
bürgt denn dafür, dafs gerade die Pes. N. T. den Sprachtypus
jenes dunklen .alten Syrers' zu belegen im Stande
ift? Konnte diefer ,alte Syrer' nicht in feinem Sprach-
colorit etwa auch nach der Seite des fog. Evangelia-
rium liierosolymitanum neigen?1) — Uebrigens hat Ch.
aufser den erwähnten drei Leitfätzen noch andere Momente
bei feiner Unterfuchung zur Geltung kommen
laffen, z. B. die Frage, ob eine eigenthümliche Lesart von
Cod. D fich leichter aus einer fyrifchen als aus einer
griechifchen Verfchreibung herleiten laffe.

Was Ch. durchweg beweift, ift die Möglichkeit
einer fyrifchen Vorlage der griechifchen Lesart, aber
feiten gelingt ihm auch nur der Beweis der Wahrfchein-
lichkeit, noch viel weniger der der Nothwendigkeit diefes
Verhältniffes. Ich will als Beleg von den Stellen, auf
welche Ch. im Vorworte (S. X) als auf die feiner Meinung
nach fchlagendften hinweift, durch deren Prüfung
man fich von vornherein von der Richtigkeit feiner
Thefe überzeugen folle, hier einige vorlegen..

Act. 2i7. D hat 2 Eigentümlichkeiten. Statt im
siäaav odoxa (bei Welle, und H.) hat D im näöac, oäo-

1) Vergl. dazu Marsh Anmerk. u. Zuf. z. J. D. Michaelis Einleitung
8. 273- — Adlers Verss. Synacc. find mir hier leider nicht zugänglich.