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Ausgabe:

1894

Spalte:

588-589

Autor/Hrsg.:

Jahn, Alb.

Titel/Untertitel:

Anecdota graeca theologica cum prolegomenis 1894

Rezensent:

Meyer, Ph. L.

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Theologifche Literaturzeitung 1894.. Nr. 23.

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der Vulgata von Selmon als Berg aus, nimmt es aber
zugleich appellativ = Befchattung, Bedeckung. Zur Etymologie
von Hader, Lumpen vgl. das fchwäbifche Hedder-
lein, zerftreute Heuhäufchen. S. 83 pafst Straucheln,
Stolpern als Bedeutung von Holflern nicht in den Zu-
fammenhang. Gemeint ift die Urfache des Straucheins,
Unebenheit, Buckel. S. 92 ift pomum ambre nicht ein
bitterer Apfel, fondern eine wohlriechende Spezerei.
S. 133, 155 'ft lenden nicht = ans Ziel bringen, fondern
auf etwas hinzielen. Die ganz verunglückte Erklärung
von gotfelde = Gottes Wohnung ift nach S. 349 Anm. 1
zu verbeffern. Vgl. unfelde S. 61. S. 173 ift ehern nicht
= Aehren, fondern das zerdehnte ern, am, Ernte, vgl.
meherere = mehrere. S. 201 ift erlerung nicht Druckfehler
für erklerung, fondern = erlernung. S. 247 find
ftummende Sünden nicht ftummmachende, fondern geheime
Sünden. S. 235 ift beköret feftzuhalten, denn gemeint
ift abgekehrt, abgewandt von der Gnade Gottes,
verkehrt; vgl. das daneben flehende verhindert. S. 290
ift nicht trünlos, fondern trüelos = treulos zu lefen, vgl.
S. 308 trewlos, meineidig. Damit fällt die gefuchte Ableitung
. S. 291 ift beftigt nicht in beftetigt zu ändern,
fondern = beftickt, beladen. S. 296 ift kloppe, kluppe
nicht Zange, Zwangholz, fondern das fchwäbifche kluppete,
kluppert z.B. eine Kluppert Knöpfe, eine Kluppert Schlüffel,
eine Anzahl Knöpfe, Schlüffel, welche zufammengebunden
find. Vgl. das Regifter zur Chronik der Grafen von Zimmern
. S. 324 erwinden nicht = überwinden, fondern wie
S. 325 mangeln. Auf die Einleitungen einzugehen verbietet
hier der Raum.

Nabern bei Kirchheim u T. G. Boffert.

Reusch, Prof. Dr. Fr. Heinr., Beiträge zur Geschichte des

Jesuitenordens. München, Beck, 1894. (IV, 266 S. gr. 8.)

M. 5. —

Wenn es irgend eine Macht giebt, die geeignet ift,
die katholifche Religion und das Papftthum zu ruiniren
und um alles Vertrauen in der öffentlichen Meinung zu
bringen, fo ift es der Jefuitenorden; mögen die Jefuiten
noch fo thätig fein auf dem Katheder, in der Preffe, im
Convertitenfang und in der Miffion. Einen gefährlicheren
Feind hat der Katholicismus als Religion, hat das Papftthum
als integrirende Inftitution der kath. Religion nicht,
als feine fcheinbar eifrigften Vorkämpfer — das war
der Eindruck, mit welchem Ref. das Buch von Reufch
fchlofs, das in vier Capiteln ,Die Lehre vom Tyrannenmorde
', ,Franzöfifche Jefuiten als Gallikaner', ,Die Ver-
fammlung zu Bourgfontaine, eine Jefuitenfabel', ,Der falfche
Arnauld, eine Illuftration des Satzes: der Zweck heiligt
das Mittel', behandelt und im fünften Capitel kleinere
Beiträge zur Gefchichte des Jefuitenordens giebt und am
Schlufs die Mordanfchläge gegen Elifabeth von England
im Licht der Jefuitenlehre würdigt.

Das Buch ift unabhängig vom heutigen Streit der
Parteien für und wider die Jefuiten. Es will rein objectiv
beglaubigte Thatfachen vollftändig und genau darftellen
und vorzugsweife folche Punkte beleuchten, welche die
Jefuiten gerne vertufchen und verfchleiern. Von pro-
teftantifcher Seite verdient Reufch befonderen Dank,
denn er macht auf Punkte aufmerkfam, welche bisher
von den proteftantifchen Kirchenhiftorikern nicht genügend
beachtet wurden. Allerdings trifft das beim erften
Capitel nicht ganz zu, aber Reufch hat doch gut gethan,
die Frage vom Tyrannenmord neu zu behandeln, nachdem
ein Jefuit E. Michael die Behauptung gewagt hat,
,der ganze Mariana- und Tyrannenmordfpektakel' fei einer
der ungezählten Schandflecke unferer neueren Gefchichts-
fchreibung, ein Denkmal ihrer Kritiklofigkeit und Oberflächlichkeit
, während fein Ordensbruder Duhr Pilatus-
waffer für feinen Orden zu gewinnen fucht, indem er mit
grofser Schlauheit die Sache dahin dreht, als lege man

den Jefuiten zur Laft, fie hätten die Lehre von der Erlaubtheit
des Tyranneumordes erft aufgebracht, während
die Präge die ift, ob Jefuiten diefe Lehre mit Genehmigung
oder Duldung ihrer Obern vertheidigt haben. Reufch weift
nach, wie fchon Mariana's Schrift De rege et regis in-
stitutione libri tres ganz regelrecht von den Ordensobern
approbirt war, ebenfo dafs fie nie förmlich vom Ordensgeneral
desavouirt noch auf den Index gefetzt wurde.
Hübfeh ift das oftenfible Decret Aquaviva's vom 6. Juli

I 1610, das nach dem durch die Ermordung Heinrich's IV.
tief erregten Frankreich ging, neben dem für die übrigen
Provinzen beftimmten Decret vom 14. Auguft 1610. In
trefflicher Weife behandelt Reufch die weitere Entwicklung
der Lehre durch Keller, Sa, Franz Toledo, Heifs U.A.,
ihre Complication mit der Lehre von der päpftlichen Allgewalt
, fo dafs es möglich war, jeden vom Papft gebannten
und abgefetzten Fürften als Tyrannen und. Ufur-
pator anzufehen und ihn dem Mordftahl jedes beliebigen
Privatmannes preiszugeben. Es ift höchft lehrreich, die
Geftaltung der Lehre durch Bellarmin, Becanus, Suarez,
Santarelli, Bufenbaum, Lacroix zu verfolgen, wie ihre

' theilweife Wiederaufnahme durch die fpäteren Jefuiten,

j aber auch durch Liguori und ihre verblümte Anwendung
zu Aufgaben in Jefuitenfchulen. Im Anhang zeigt
Reufch, wie die Mordanfchläge gegen Elifabeth von England
den Betheiligten wahrfcheinlich unter dem Einflufs
der Jefuitenlehre nur als Vollftreckung eines Todesurtheils

j des Papftes erfchienen.

Das nächfte Capitel ,franzöfifche Jefuiten als Gallikaner
' wirkt auf einen Kenner der deutfehen Gefchichte
mit ihren heifsen Kämpfen zwifchen Kaifer und Papft,
insbefondere um das Regalienrecht geradezu verblüffend.

1 Franzöfifche Jefuiten geftehen dem allerchriftlichften König
nicht nur die volle Unabhängigkeit in weltlichen Dingen,
fondern auch ein fehr ausgedehntes Regalienrecht zu und

I laffen es auf einen harten Zwift mit dem Papft, ja felbft
auf ein Schisma innerhalb des Ordens ankommen. Diefe
Haltung der franzöfifchen Jefuiten erklärt fich nicht etwa
aus franzöfifchem Patriotismus, nein fie verbürgte ihnen
den gröfsten Einflufs auf den König und die Befetzung
der geiftlichen Stellen und gab ihnen die Möglichkeit,
die gehafsten Janfeniften von allen geiftlichen Aemtern
fernzuhalten. Freilich das moralifche Anfehen des Jefuitenordens
gewann dabei nicht, wenn die fünf Affiftenten
über eine Denkfchrift des Generals Gonzalez fchrieben:
veritatem plcritmqitc offendit, ubique prudentiam (S. 107),
wenn ein Zeitgenoffe von den Jefuiten fagen konnte: Sie
verachten und fchmähen die Päpfte, welche die Freiheit
der Kirche vertheidigen, als leichtgläubig oder unbefonnen
oder wenig geeignet zur Verwaltung (S. 73), wenn die
,doppelte Buchführung' der franzöfifchen jefuiten nach
der Melodie: Wefs Brot ich efs, defs Lied ich fing, Mitglieder
des Parifer Parlaments zu dem Ausruf veranlafste:
Wie, Sie haben ein Gewiffen für Paris und ein anderes
für Rom? Gott behüte uns vor folchen Beichtvätern!
(S. 61). Sehr beachtenswerth find auch die von Reufch
mitgetheilten Auszüge aus den Mcmoires von P. H.
d'Avrigny S. 108—113. Offen wird hier zugeftanden, dafs
der moderne Staat die Allgewalt des Papftes ausfchliefst.
,Die Lehre der Ultramontanen über gewiffe Artikel fcheint
uns voll Schmeichelei und Kriecherei, und fie thun uns
kaum die Ehre an, uns bezüglich diefer Artikel für katho-
lifch zu halten' (S. 110). ,Man kann orthodox fein und
fich doch gegen die Unfehlbarkeit des Papftes erklären'
(S. 112). So fchreibt nicht ein heutiger Altkatholik, fondern
ein franzöfifcher Jefuit, ein Hauptgegner des Janfenis-
mus. Die beiden folgenden Capitel bieten eine fcharfe
Beleuchtung des Satzes: der Zweck heiligt das Mittel.
Erdichtung und Betrug erfcheinen als erlaubte Strategeme,
wenn es gilt, einen Gegner wie den Janfenismus an die
Wand zu drücken. Man mufs es dem Verf. Dank wiffen,
dafs er die Jefuitenfabel von der Verfammlung in Bourg-

I fontaine und den Betrug mit den Briefen des falfchen