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Ausgabe:

1894 Nr. 22

Spalte:

565-568

Autor/Hrsg.:

Karapet Ter-Mkrttschian, Archidiak.

Titel/Untertitel:

Die Paulikianer im byzantinischen Kaiserreiche und verwandte ketzerische Erscheinungen in Armenien 1894

Rezensent:

Gelzer, Heinrich

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Theologifche Literaturzeitung. 1894. Nr. 22.

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Sprichwörter theologifch-erbaulich zu allegorifiren. Mit
Recht fieht der Verf. hier ein dem ähnliches Beftreben,
das die merkwürdige Phyfiologos-Literatur hervorgebracht
hat. Diefe Richtung will alles, was in dem weiten
Reich der Natur oder des Geiftes gefunden wird, benutzen
, um es auf das religiös-fittliche Leben der Menfch-
heit anzuwenden. Ich finde diefe Thatfache weniger
überrafchend als der Verfaffer, wenn ich den von den
byzantinifchen Theologen ftark vertretenen Satz als
Grundlage herbeiziehe, dafs der Menfch an Allem, was
es giebt, Theil hat, fowohl an den Steinen (durch feine
Knochen), als an den Pflanzen u. f. w. bis zu Gott hinauf
(durch die Ebenbildlichkeit). Wvor/twg ftdvrtov ziuv iv
T(i> xooftq) iieitzoftsv (J°s- Bryenn. opp. III, 71). Der Menfch
macht nämlich von feinem embryonalen Wefen an bis
zum Greifenalter, fo zu fagen, in verjüngtem Mafsftabe,
eine Entwickelung durch alle Reiche der Natur durch.
Jtegynusvog n b.v&Qtanog zov viaoövza ßiov, navuov
äanso zag rfLOEig zj ra ldi(i')/.taza öiigyezca ztov -/.zia^mzioi'
[ibid. III, 72). Es ift daher nur eine Folgerung aus diefem
Satz, dafs alles, was in der Welt ift, eine Anwendung
auf die menfchlichen Verhältnifse erlaubt, namentlich auf
die religiös-fittlichen, die die höchften find, und befon-
ders auf Chriftum, der als der zweite Adam die Zufam-
menfaffung der Menfchheit ift.

Der Verfaffer giebt fodann auf Grund feines neuen
Materials eine Zufammenftellung der Sprichwörter mit
ihren theologifchen Deutungen, einer Art von Allegorien,
deren fleh Philo v. Alexandrien felbft nicht zu fchämen
hätte brauchen. Eine ausführliche Erklärung der theil-
weife fehr fonderbaren Sprüche erläutert fprachlich und
fachlich alle Schwierigkeiten. In einem letzten Abfchnitt
erhalten wir noch Nachricht über das Vorkommen des
Sprichworts in der byzantinifchen Literatur.

Das Buch ift eine glänzende Verbindung von Scharf-
finn und Gelehrfamkeit, wohl würdig, Theodor Mommfen
zum 50jährigen Doctorjubiläum von der Kgl. Bayer.
Akademie der Wiffenfchaften gewidmet zu werden.

Erichsburg. Ph. Meyer.

und huldigt mit dem Pfalmwort: gelobt fei, der da kommt
im Namen des Herrn, 2. o aller Welt Verlangen, fo
meldet fleh aus der Ferne die Sehnfucht der Griechen
in der Bitte: wir wollten gerne Jefum fehen'. Dadurch
ift zugleich die Möglichkeit gewonnen, das Gleichnifs
vom Weizenkorn für fleh zu verwerthen, wie es in der
folgenden Predigt für den erften Oftertag gefchieht.
Eine folche Verwendung der einzelnen Abfchnitte des
Evang. ift nur möglich in einer langjährigen Prediger-
thätigkeit, und die Arbeiten aus der erften Anfangszeit
haben mit folchen aus den letzten Jahren zufammen dazu
gedient, die homiletifche Bearbeitung des vierten
Ptvangeliums vollftändig zu machen. Der vorliegende
Band enthält eine Predigt über Joh. 13, 1—17, die der
25jährige Kandidat i. J. 1854, damals Religionslehrer am
Vitzthumfchen Gymnafium, in Dresden gehalten hat.
Diefe Predigt zeigt nach Anlage und Durchführung fchon
eine bedeutende Aehnlichkeit mit den fpäteren, auch in
einigen Eigenthümlichkeiten, die nicht durchaus als Vorzüge
gelten können; fle ift nicht fo beziehungsreich und
entbehrt der geiftvollen Andeutungen, von denen fpäter
die Sätze durchzogen find, aber der Text ift mit tieffter
Innerlichkeit erfafst und wird mit anhaltender andringender
Kraft dem Hörer nahe gebracht. Das Bedenken,
das wir gegen das ganze Unternehmen, als eine Auslegung
der vier Evangelien in Predigten und Homilien
ausgesprochen, ift auch durch den vorliegenden Band
nur verftärkt worden. Die verfchiedenartige Verwendung
der einzelnen Abfchnitte befriedigt bei einer Auslegung
des Johannis-Evangeliums noch weniger als bei der der anderen
. Eine Auslegung für die Gemeinde, die nicht blofs
die einzelnen Abfchnitte, fondern auch die Glieder
gröfserer zufammenhängender Stücke unter den verfchie-
denften Gefichtspunkten behandelt, kann das Schriftver-
ftändnifs fchwerlich erleichtern. So wird z. B. Joh. 17
in drei Predigten behandelt. Die erfte ift eine Homilie
in der Paffionszeit über v. 1—15, die andere über 16—23
eine Predigt bei Gelegenheit der ev. Allianz in Amfter-
dam, die dritte über 24—26 eine Predigt am Todtenfeft.
Aber um fo höher ift der Werth diefer Predigten anzu-
_ ~~ j fchlagen als eine Quelle reicher Anregung und vielfeitiger

Kögel, Oberhofpred. Schlofspfr. D. kud., Das Evangelium | Förderung für alle, die unferer Zeit das Evangelium zu
Johannis, in Predigten und Homilien ausgelegt. 2. Hälfte, predigen haben

[Die vier Evangelien in Predigten und Homilien ausgelegt
, hrsg. v. R. Kögel, IV. Bd. 2. Hälfte.] Bremen,
Müller, 1893. (X, 417 s- &• 80 M- 7- S°> geb- M-9- —
Als der 1. Band angezeigt wurde, war diefer 2. bereits
erfchienen, aber der Redaction noch nicht zugegangen
; er bringt 44 Predigten über die andere Hälfte
des Johannesevangeliums von Cap. 12 ab, unter den Predigten
find 6 als Homilien bezeichnet. Ein einziger 1 ext
ift doppelt behandelt 20, 11 —18 in zwei Ofterpredigten;
in der einen wird Maria Magdalena in den Vordergrund
geftellt, als Hüterin des Grabes, als Jüngerin des Auf-
erftandenen und als Botin der Ofterfreude — in der anderen
werden die beiden Ofterworte, die weckende Frage:
was weineft du, wen fucheft du und das verheifsungs-
volle Verbot: rühre mich nicht an etc. zum Ausgangspunkt
genommen. Was im vor. J. über die Vorzüge
von K.'s Predigten gefagt ift, könnte hier lediglich wiederholt
werden. Befonders reich fcheint uns der vorliegende
Band zu fein an Beifpielen glücklicher Textwahl für die
Zeiten des Kirchenjahres und gefchickter Heranziehung
von folchen Abfchnitten, die allein nicht leicht zu verwenden
find. So wird der Abfchnitr 12, 9 fr. als Text
für den erften Adventsfonntag genommen; die Gefchichte
des Einzugs in Jerufalem hat da nun einmal im Be-
wufstfein der Gemeinde ihren Platz. Aber es find auch
die folgenden Verfe bis zum 23. mit herangezogen, und
für den ganzen Abfchnitt wird die Dispofition aufgeftellt:
,Frucht der Lippen im Advent von nah und fern — in

Halle a. S. A. Wächtler.

Herold, Pfr. Max, Vesperale oder die Nachmittage unferer
Fefte und ihre gottesdienftliche Bereicherung.
Vorfchläge und Formularien auf altkirchlichem Grunde
für das gegenwärtige Bedürfnifs. I. u. II. 2. verb. u.
verm. Aufl. Gütersloh, Bertelsmann, 1885 u. 93. (VIII,
92 u. VIII, 230 S. gr. 8.) M. 5. 60

Die zweite Hälfte des ,Vefperale' beziehungsweife
deren zweite Auflage hat lange auf fich warten laffen;
um fo willkommener ift fie in den Kreifen, welche fich
mit der Bereicherung des gottesdienftlichen Lebens in
der evangelifchen Kirche befaffen. Denn wie man fich auch
zu der liturgifchen Frage ftellen mag, ob man, wie
Herold auf dem vorwiegend hiftorifch-confervativen
Standpunkt fleht und die zu erwünfehenden Neubildungen
in Geift und Form an die von der Kirche ge-
fchaffenen Vorbilder anknüpfen will, oder ob man mehr
den Standpunkt des Modernen einnimmt und die gottesdienftlichen
Formen aus den für diefen Standpunkt noch
nicht oder noch nicht voll zur Geltung gekommenen
Principien des evangelifchen Gottesdienftes heraus geftal-
tet fehen möchte — das Zeugnifs wird man Herold
nicht vertagen dürfen, dafs er einerfeits mit der ge-
fchichtlichen Entwickelung vertraut ift, wie wenige, und
darum in Allem, was er leiftet, die Gewähr der Zuver-
läffigkeit bietet, und dafs er andererfeits dem Bedürfnifs
dem Doppelwort 1. o meiner Seele Zier, fo fpricht Zion 1 der Gegenwart ein weitgehendes Verftändnifs entgegen-