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Ausgabe:

1894 Nr. 21

Spalte:

538-539

Autor/Hrsg.:

Osborn, Max

Titel/Untertitel:

Die Teufelsliteratur des XVI. Jahrhunderts 1894

Rezensent:

Reusch, Franz Heinrich

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Theologifche Literaturzeitung. 1894. Nr. 21.

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aber vielleicht noch hiftorifch-kritifche Studien zur Er-
kenntnifstheorie vorausgehen werden. Mit dem 1890
veröffentlichten Buche ,Mechanismus und Teleologie'
werden diefe Schriften dann ,in ihrer Gefammtheit den
erften Theil eines Syftemes der Philofophie bilden'.—Man
lieht, der Verf. zeigt ein gutes Zutrauen zu der Mufse
und der Geduld der betr. Lefewelt. Dasfelbe bafirt
zwar auf einer anerkennenswerthen Energie und einer
nach der formalen und logifchen Seite fichtlich hervortretenden
Schulung, wenn auch die in breiter Sicherheit
auftretende Beweisführung über Plaufibilitäten nicht eben
hinausgeht. Es wird aber diefes Vertrauen dadurch eigen-
thümlich beleuchtet, dafs die vorliegende Erkenntnistheorie
ganz wefentlich erft eine Auseinanderfetzung mit
Kant bringt, weil ,kein anderer Philofoph auch nur im
entfernteften einen folchen Einflufs auf mich ausgeübt
hat, wie Kant'. Da es dem Verf. kaum wird entgangen
fein, dafs fich dies feit Jahrzehnten bei zahllofen jungen
Philofophen fortwährend wiederholt hat, fo könnte man
fragen, ob er nicht vielleicht zu früh mit feinen Ergeb-
nifsen hervorgetreten fei. Deutet er doch felbft das Be-
dürfnifs nach weiteren hiflorifch-kritifchen Studien an und
zeigt er fich keineswegs mit der Transscendental-Philo-
fophie im Einklang. Indeffen des Verf.'s Selbftvertrauen
ifl zu grofs, als dafs er von folchen hiftorifchen Studien
eine eindringende Umbildung und Ergänzung feiner Anflehten
erwartete. Auch kümmert es ihn nur wenig, was
alles der Lefer über Kant fchon ftudirt hat und mitbringt
. Dafür fürchte ich nun freilich, es werden bei
dem grofsen Rcichthume des Büchermarktes umgekehrt
auch nicht viele fein, welche des Verf.'s befondere Ausführungen
kennen zu lernen fich getrieben fühlen, trotz
des YYerthes, welchen er felbft ihnen beilegt. Die Zeit
derer ift eben befchränkt, auf welche aufser Kant noch
andere und wohl gar die Gefammtheit der grofsen
Philofophen ihren Einflufs zu üben haben.

Behandelt wird ,in erftcr Linie die Frage nach dem
VVefen von Raum und Zeit, deren Beantwortung allein
etwas über die Hälfte vom Umfange des Buches in An-
fpruch nimmt'. Hier fleht der Verf. auf Kantifchem
Boden. — Darauf zu Caufalität und Subftantialität fich
wendend, verwirft er Kant's Kategorienlehre vollftändig.
Der Caufalitätsbegriff und ähnlich der Satz von der Beharrung
der Subftanz flammten aus der Erfahrung her,
daher fie ihre objective Anwendung auf die Dinge an
fich finden und nicht auf Erfcheinungen. — Es folgt eine
Kritik der verfchiedenen Formen des fubjektiven Realismus
, welche das Vorhandenfein einer realen Welt erweift
. — Endlich wird die Möglichkeit einer pofitiven Er-
kenntnifs vom Wefen der Dinge erörtert; zuletzt die
Grenzen der Erkenntnifs und die Möglichkeit und die
Methode der Metaphyfik.

Ich wünfehe von Herzen, dafs aus dem Zuhörerkreife
des Verf.'s recht viele Jünger der Wiffenfchaft feine Ausführungen
lefen mögen. Ueber eine erfte Orientirung
hinaus aber kann ich denfelben eine allgemeinere Bedeutung
nicht beilegen. Es ift manches recht hübfeh
gefagt, aber kaum etwas, das wirklich originell wäre.
Kiel. Guflav Glogau.

Gooszen, Dr. M. A., De Heidelbergsche Catechismus en het

boekje van de breking des broods, in het jaar 1563
—64 beftreden en verdedigd. üorkonden en dogmen-
historifch onderzoek. Nieuwe bijdrage tot de kennis
van het gereformeerd Proteftantisme. Leiden, Brill,
1893. (VIII, 424 S. gr. 8.)

Die unter obigem breiten, aber gut charakteriüren-
den Titel erfchienene und der Leidener Theolog. Fa-
cultät — als Dankesgabe für Doctorirung — gewidmete
Schrift des .kirchlichen' Profeffors d. Theol. in Leiden
fchliefst fich als eine neue, felbftändige, gleichwohl

enge an feine frühere [De Heidclb. Cot., Leiden 1890),
ebenfalls von uns (Theol. Lit.-Ztg., 1891, Nr. 8, Sp. 195
—199) befprochene an und will einen bisher noch dunklen
Theil der Gefchichte des Heidelb. Kat. und damit der
,pfälzifchen Reformation', nämlich die a. 1563/64 fo fehr
die Gemüther bewegende veränderte Abendmahlsfeier
, diefen Spiegel für Art und Wefen des reform ir-
ten Proteftantismus, in ein helleres Licht ftellen
(S. VII). Es ift dies dem Herrn Verf. auch in hohem Mafse
gelungen. Er bietet der gelehrten Welt hier eine zweite
höchft werthvolle Gabe dar, die nicht nur die dogmen-
gefchichtliche Kenntnifs des urfprünglichen reformir-
ten Proteftantismus klärt und bereichert, fondern auch
der Gefchichte des Katechismus einen reichen Beitrag
liefert.

Gooszen's Schrift zerfällt in 2 Haupttheile: 1) Urkunden
(S. 1—165) mit Anmerkungen (S. i65), 2) dpg-
menhiftorifcheUnterfuchung(S. 169—414), vonderen
Refultaten der Verf. fchön fagt: ,Sie wurden nicht ge-
fucht, fondern fie haben mich gefunden' (S. VIII), und
fie fchliefst fich ab mit einem fehr forgfältig und über-
fichtlich gearbeitetenInhaltsverzeichnifs(S. 415—424). Von
.Urkunden' bietet der Verf. nach einander: 1) Schreiben
des Pfalzgrafen Wolfgang von Zweibrücken, Herzogs
Chriftoph von Württemberg und Markgrafen Karl von
Baden an den pfälzifchen Kurfurtten Friedrich III. v.
4. Mai 1563, nebtt 2 Beilagen: a) Verzeichnifs der Mängel
des Heidelb. Kat, wahrfcheinlich von Brenz (S. 190 f.),
b) Widerlegung des durch Doedes' (in Utrecht) Verdienft
wieder entdeckten .Büchleins vom Brotbrechen' (vgl.
meine Abhandlung ,Vom Brotbrechen im heil. Abendmahl
' in ,Halte, was du halt', 1891/92, S. 101—104); 2)
Antwort des Kurfürften Friedrich an die genannten 3
Dürften (wovon eine Abfchrift an Philipp den Grofs-
müthigen!) v. 14. September 1863; 3) Erfte Anti-Kritik
der Cenfur (= ,Verzeichnis der Mängel') des H. Kat., ver-
fafst von einem Deut Ich en vermittelnder, melanchtho-
nifcher Richtung (S. 207 f.); 4) Zweite Antikritik der
Cenfur des H. Kat., zweifellos herrührend von H. Bullinger
(S. 203—2o5); 5) Dritte, 6) Vierte Antikritik
der ,Cenfur' — die beiden letzteren von entfehieden re-
formirten Pfälzern gefchrieben (S. 206f.); 7) Antwort
auf die .Widerlegung' des Büchl. v. Brotbr. im Nachtmahl
des Herrn, zweifellos vom Verfaffer des ,Büchleins'
felbft, den man nach G. in dem um die Befeftigung der
neuen kirchlichenOrdnung in derPfalz hoch verdienftvollen
Thom. Eraftus zu fuchen hat (S. 237—242), herrührend.
(Die 5 letztaufgeführten Stücke, Nr. 3—7, find abgedruckt
aus den im Dresdener Hauptftaatsarchiv vorhandenen
,Copeien etzlicher in Religionsfachen zwifchen Pfaltz-
grafen Friedrich Churf. eins- und Pfaltzgraf Wolfgang

—--anderstheils hien und wieder ergangener fchrif-

ten v. J. 1563/64'.)

Der 2. und gröfserc Haupttheil der Schrift oder
,die dogmengefchichtliche Unterfuchung' (S. 167—414)
zerlegt fich in folgende 7, den .Urkunden' mehr oder
weniger parallel laufende Capitel: 1) Mahnbrief der 3
obengenannten Fürften an Friedrich III. und Antwort
des Kurfürften darauf (S. 169—190); 2) das Verzeichnifs
der Irrthümer des Heidelb. Kat. und die Anti-Kritiken
(S. 190—217); 3) das Büchl. v. Brotbr., feine Kritik und
die Anti-Kritik (S. 217—242); 4) der Streit über die neue
Ordnung der Dinge in der Pfalz in Pamphleten und
Tractaten i. J. 1563/64 (S. 242—276); 5) das hl. Abendmahl
nach der Einfetzung des Herrn Chriftus (S. 276—
336); 6) Vertriebene reform. Niederländer in der Pfalz
und ihr Einflufs auf Auffaffung und Feier des hl. Abendmahls
u. f. w. (S. 337—398); 7) Der reformirte Proteftantismus
und das getius tertium in der proteft. Glaubenslehre
des 16. Jahrh. (S. 399—414)-

Schon aus diefer gedrängten Ueberficht über den
Inhalt des G.'fchen Buches, zumal feiner ,dogmen-
hiftor. Unterfuchung', geht fein hoher kirchen- und