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Ausgabe:

1894 Nr. 20

Spalte:

512-513

Autor/Hrsg.:

Loeb, Isidore

Titel/Untertitel:

La littérature des Pauvres dans la Bible 1894

Rezensent:

Horst, L.

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515 Theologifche Literaturzeitung. 1894. Nr. 20. 516

durch Stimmung und Sprache zufammen gehaltene
Gruppe bilden gegenüber den Capp. 2, 1—13. 7, 5—16.
Ich würde fagen: In den Zwifchenbrief, welcher durch
die Hauptmaffe des 2. Kor.-Briefes repräfentirt wird, ift
der letzte Brief des Paulus Cap. 2. 7 eingearbeitet.
Ueber Capp. 8. 9 habe ich bisher kein Urtheil.

Göttingen. J. Weifs.

Anrieh, Priv.-Doz. Lic. Guh, Das antike Mysterienwesen
in seinem Einfluss auf das Christentum. Göttingen, Van-
denhoeck & Ruprecht, 1894. (VIII, 237 S. gr. 8.) M.5.60.

Dafs das Buch ,eine Lücke ausfüllt', ift keine blofse
Redensart. Ein fchwieriges und wichtiges Problem, deffen
Bedeutung zuerft Cafaubonus erkannt hat, und das nach
ihm öfters, aber niemals umfaffend und mit ficherer Methode
aufgenommen worden ift, ift hier auf Grund ausgebreiteter
Kenntnifse mit kritifchem Blick und nüchternem
Urtheil bearbeitet. ,Hypotheses non fingo1, darf der
Verfaffer fagen. Auf einem Gebiete, für deffen Erfor-
fchung die Phantafie die fchlechtefte P uhrerin ift, bewegt
er hch mit der gröfsten Referve, und indem er einen
Faden nach dem andern aufnimmt, hütet er fich ängfl-
lich davor, he vorfchnell zu verknüpfen.

Seine Unterfuchung bedurfte als Vorausfetzung einen
zufammenhängenden Ueberblick über das Wefen, die
Entwicklung und religiöfe Bedeutung der Myfterienculte
nebft einer Darlegung ihrer Stellung und ihres Einfluffes
in der geiftigen Cultur der chriftlichen Jahrhunderte. Aber
in der philologifchen Literatur fand fich keine Darfteilung
, auf die der Verf. verweifen konnte. Defshalb hat

er im erften Theile (S. 6—73) felbft einen folchen Ueber- I fcheinungen, die allein befriedigend nur aus der directen
blick in vier Capiteln dargeboten (Ueberblick über die Einwirkung der magifchenTeleftik erklärt werden können.
Entwicklung des griechifchen Myfterienwefens — Das Auf die wichtige Frage, ob nicht im chriftlichen Gno-
Wefen des griechifchen Myfteriencults — Das Myfterien- j fticismus gewiffe theurgifche Elemente früher auftauchen
wefen der Kaiferzeit — Das Myfterienwefen in feiner als in der parallelen antiken Entwicklung (wie ja auch
Bedeutung für die Philofophie der Kaiferzeit). Wer, wie j aller Wahrfcheinlichkeit nach gewiffe religionsphilofo-
der Referent, nur Streifzüge in das Gebiet gemacht hat, j phifche Auffaffungen im jüdifch-chriftlichen Alexandrins-
ift nicht befugt, ein Urtheil über die Leiftung des Verf.'s i mus älter find als in der rein heidnifchen Evolution des

Das Hauptergebnifs ift negativ, dafs ein directer
Einflufs der Myfterien (im engen Sinn des Worts) auf
das Chriftenthum, d. h. eine bewufste Aufnahme von
Formen und Inftitutionen der Myfterienculte ,kaum ftatt-
gefunden haben kann' (auch nicht in der Form der Ac-
comodation) — pofitiv, dafs das in der Kirche in
fteigendem Mafse zu hoher Bedeutung gelangte Myfte-
rien-Element feine Wurzeln in dem geiftigen Milieu des
Hellen ismus hat, welches feine Erfcheinungsformen eben-
fofehr in der damaligen Richtung der Philofophie, der
höheren Religiofität und der Ascetik, wie in der Magie,
der neuplatonifchen Teleltik, der Kathartik und dem
eigentlichen Myfterienwefen befitzt. Dazu kommt der
Nachweis, dafs erft vom 4. Jahrhundert ab die Vorftellung
vom Chriftenthum als yvzüoig iivozrigtcov das allgemeine
kirchliche Bewufstfein beherrfcht, während im Gnofticis-
mus der langfame Entwicklungsprocefs vorweggenommen
ift. Der ganze Procefs foll zunächft als ein religiös-
pfychologifcher gedacht werden, d. h. das Erfte war
immer, dafs das religiöfe Fühlen, Empfinden und Begehren
innerhalb der Kirche ftärker von der Stimmung
der ausgehenden Antike beherrfcht wurde; dann vollzog
fich der Procefs der Entftehung paralleler religiöfer Auffaffungen
, Formeln und Inftitutionen .naturnothwendig
und unbewufst', felbftändig und ohne wiffentliche Nachbildung
der einzelnen Elemente.

Die Bedeutung diefer Ergebnifse liegt in ihrem negativen
Theile, fofern der Verf. durchweg oder faft durchweg
zeigt, dafs directe Entlehnungen und Nachbildungen
fowohl an fich unwahrfcheinlich als auch im Einzelnen unbeweisbar
find — ausgenommen zahlreiche ,gnoftifche' Erabzugeben
; aber den Eindruck darf er bezeugen, dafs
hier eine gründliche und umfichtige Darftellung geboten
ift, für die mit den Theologen auch die Philologen dem
Verf. dankbar fein werden.

Der zweite Theil (S. 74—237) bringt in acht Capiteln
(I. Der Gnofticismus in feinem Zufammenhang mit
dem Myfterienwefen — II. Vorausfetzungen und Anfätze
der Einwirkung des Myfterienwefens in cultifcher Be-

Platonismus), und ob jene nicht auf diefe eingewirkt haben,
ift der Verf. nicht eingegangen.

Was die Hauptergebnifse des Verf.'s anlangt, fo darf
ich mich freuen, dafs fie die Auffaffung beftätigen, denen
ich in den beiden erften Bänden meines Lehrbuchs der
Dogmengefchichte gefolgt bin. Indeffen hat der Verf.
die ablehnende Haltung in Bezug auf die Hypothefen
directer Abhängigkeit kirchlicher Terminologien von der

ziehung — III. Das Chriftenthum als Myfterium. Die Myfterienterminologie noch verfchärft. So lehnt er es

alexandrinifche Gnofis — IV. Myfterienterminologie und
Arcandisciplin — V. Der Gegenfatz der Eingeweihten
und Uneingeweihten. Katechumenat und Taufunterricht

— VI. Die fpeeififchen Wirkungen von Taufe und Abendmahl
und die Art ihrer Vermittelung — VII. Taufe und
Abendmahl nach ihrer cultifch-rituellen Ausgeftaltung

— VIII. Die antike Kathartik im Chriftenthum) die Unterfuchung
des Problems, welches vom 1. bis zum Anfang
des 5. Jahrhunderts verfolgt wird, d. h. bis zu der
Zeit, in welcher die flüffigen Formen des kirchlich-

S. 120 ff. I25ff. ab, die Begriffe orpgayt'g, orpgayt'Ceolrai,
rpwxtouog (für die Taufe) auf fie zurückzuführen. Was
aqpgayi'g betrifft, fo ift es gewifs, dafs das erfte Auftauchen
diefes Worts im chriftlichen Sprachgebrauch (in
Bezug auf die Taufe) von der Parallele mit der Befchnei-
dung abzuleiten ift. Allein dafs man diefe Parallele
unter dem Gefichtspunkt der ,Signation' feftgehalten und
die Signation zur geläufigften Bezeichnung der Taufe
gemacht hat (f. aufser den vom Verf. angeführten Stellen
noch Acta Theclae 25: (Joe; noi xxv ev Xgiaxv> arpgaylda),

cultifchen Lebens und des religiöfen Denkens erftarren. [ fcheint mir ohne Berückfichtigung der Myfterienculte
Die Kenntnifs des Materials und der Literatur läfst, ! nicht erklärlich. Die Behauptung des Verf.'s aber, der

fo viel ich fehe, nirgendwo etwas zu wünfehen übrig.
Die Abgrenzung des Stoffs — in diefem Fall eine be-
fondere Schwierigkeit; denn in welche Wälder kann man
fich hier verirren! — ift vortrefflich gelungen, die be-
fondere Aufmerkfamkeit auf die Taufe und das Abend-

Ausdruck fei als Beftandtheil der Myfterienterminologie
bei Profanfchriftftellern überhaupt nicht nachzuweifen,
verliert ihr Gewicht durch das Gegenzeugnifs der Kirchenväter
, die ihn für die Myfterien bezeugen. Nicht
anders fleht es mit cpioxiopaq. ,Er begegnet in der My-

mahl durch die Sache gefordert. S. 235 ff", hat der Verf. j fterienterminologie nie und nirgends1, fagt der Verf,
felbft die Ergebnifse feiner Unterfuchung in heben The- : Aber er felbft führt Clem., Protrept. 12, 120 an: iegn-
fen zufammengefafst. So willkommen diefe Zufammen- (pavxel 6 Y.vging y.ai zdv iivaxrpv ocpgciyiuxaz cpwzaycoyriiv
faffung ift, fo wenig erfchöpft he den reichen Inhalt des , /.cd TiagccxPrezoz xtii nuxgi zov nemaxtv/.öxa ceiwoi xrt-
Buchs. Ich bedaure nur, dafs ihm der Verf. kein Sach- gnviievov. Das ift doch nicht die teftamentarifche Sprache!
regifter beigegeben hat, deffen Mangel man eben um j Woher anders hat he Clemens als aus den Myfterien?
der Wichtigkeit der einzelnen Ausführungen willen fehr ; Das leugnet fchliefslich der Verf. nicht, zumal da Cle-
emphndet. I mens (Paed. I, 6, 26) fagt: cputxiaiza 6Y ov xo ayiov E/.tiva