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Ausgabe: | 1894 Nr. 20 |
Spalte: | 509-511 |
Autor/Hrsg.: | Valeton, J. J. P. |
Titel/Untertitel: | Amos en Hosea 1894 |
Rezensent: | Budde, Karl |
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513 Theologifche Literaturzeitung. 1894. Nr. 20. 5 14
fprüche; Deut. 32; 1 Sam. 2; 2 Koen. XIX, 15—19 und
Jef. 37, 15—20; Jef. 38, 9—20; Jona 2).
Diefe fämmtlichen literarifchen Erzeugnifse werden
als folche dargeftellt, die, aus denfelben Kreifen hervorgegangen
, den Kreifen der Armen, Gerechten, Heiligen,
Frommen, Demüthigen, wie fie fich nannten, und welche
zufammen eine Art Confrerie bildeten, derfelben Periode
des zweiten Tempels angehörend, einen und denfelben
Gegenftand behandelnd, den Kampf des Armen gegen
den Sünder und den endlichen Sieg des erfteren, eine eigen-
thümliche Gattung in der Literatur des A.T.'s ausmachen,
,die Literatur der Armen'.
Indeffen giebt die Zufammenfaffung der genannten
Schriften und Stücke in eine und diefelbe Klaffe zu
fchweren Bedenken Anlafs. Wie heterogen find doch
die in der dritten Abhandlung zufammengeftellten Stücke!
Welches Wagnifs zu behaupten, dafs Jef. 40—66 fammt
und fonders der Zeit des zweiten Tempels, einiges der
Zeit bald nach der Rückkehr, einiges fpäter, angehört,
dafs Cyrus ,eine Art heidnifchen Meffias' darfteilt, dafs die
Gefangenen, die heimkehren follen, nicht die aus der baby-
lonifchen Gefangenfchaft find, fondern ausfchliefslich
die in der ganzen Welt zerftreuten Glieder Ifraels! Welch'
ein Mifsverftändnifs zu behaupten, dafs den Pfalmen durchweg
jede Actualität abgeht, und fie nichts weiter find
als Variationen über das bekannte, zur Zeit des zweiten
Tempels allbeliebte Thema vom Armen und vom Sünder
! Und zugleich welch' ein innerer Widerfpruch in
diefer Theorie felbft; denn diefer Zuftand der Jüdifchen
Seele, diefe Betrachtungen müffen doch durch beftimmte
Verhältnifse hervorgerufen worden fein. Daher in diefem
fonderbaren Buch ein merkwürdiges Schwanken von
dem Fefthalten an der Theorie zu einer gleichfam abgezwungenen
mehr gefchichtlichen Betrachtungsweife;
daher vielleicht auch die exegetifchen Wagnifse. Und
was die ,Armen' felbft betrifft, fo ift es wohl zuweit gegangen
, wenn man fie als eine wirkliche Confrerie darstellt
, wozu Loeb einestheils hinzuneigen fcheint, während
er anderfeits — auch dies ein Beifpiel des eben hervorgehobenen
Schwankens — die Gelinnung als das einzig
zu Tage gefördert. Aber die Mehrzahl der Kritiker ift
darin einig, dafs Capp. 1—7 (8. 9) ebenfo ficher eine Einheit
bilden, wie Capp. 10 — 13 von ihnen zu trennen
find. Hinfichtlich diefer Abtrennung ftimmt unfer Verf.
zu. Aber die erftere Annahme greift er an, indem er
den Abfchnitt 2, 14—6, 10 als einen eigenen Viercapitelbrief
(diefe Adoption des Hausrath'fchen terminus
ift recht gefchmacklos und verwirrend) zu erweifen fucht.
Ich kann nicht umhin, in diefer Erkenntnifs des Ver-
faffers einen wirklichen Fortfehritt zuzugeftehen. Seit
Jahren habe ich diefelbe Meinung vertreten und freue
mich diefer Uebereinftimmung. Freilich ift des Verf.'s
Hypothefe mit einigen Mängeln behaftet, durch welche
der erzielte Gewinn wieder in Frage geftellt wird. Die
entfeheidende Thatfache für unfere gemeinfame Annahme,
dafs nämlich die Erzählung 2, 12. 13 genau an dem
Punkte, wo fie abgebrochen ift, im 5. v. des 7. Cap.'s
wieder aufgenommen wird, dafs alfo hier die Bruchftelle
noch heute deutlich zu erkennen ift, wird von H. ver-
fchleiert, indem er feinen Viercapitelbrief fchon 6, 10
enden läfst und 6, 11—13. 7, 2—4 eng mit 7, 5 verbindet
. Infolge deffen hat er von der überrafchenden
Thatfache keinen Gebrauch gemacht, dafs das fchwierige
xal yÜQ (7, 5) von den meiften Exegeten gar nicht erklärt
wird. Freilich ift das auch im überlieferten Zufammenhange
nicht möglich. Aber dies xal ift eben noch eine Spur
davon, dafs 7, 5 urfprünglich fich eng an 2, 13 anfchlofs.
Einen weiteren Fehler, den H. mit den meiften Erklärern
theilt, begeht er in der Deutung des d-Qiaußsvovxi rjfmq
in 2, 14. Man pflegt darin die vorläufige verhüllte Angabe
zu finden, dafs jene Spannung des Wartens auf
Titus (2, 12 f.) fich durch Gottes Gnade gelöft habe und
überfetzt: ,Gott läfst uns triumphiren'. Diefe fprach-
widrige und gänzlich unbelegbare Wiedergabe macht
unfer Verf. mit, obwohl er bei der Trennung von 2, 13
und 14 keine Veranlafiung dazu hätte. Und dem fo ge-
fafsten Worte entnimmt er eine Direction für die Auf-
faffung des ganzen folgenden Abfchnittes. Es fei eine
triumphirende Betrachtung über den gegen feine Gegner
errungenen Sieg! Dem gemäfs ftellt diefer fog. Vierca-
fie verbindende Element gelten läfst. Merkwürdiger pitelbrief die letzte Stufe der paulinifchen Correfpondenz
Weife läfst er die ,Armen' befonders zahlreich gewefen | dar: Brief A = i, 1—2, 13. 6,11—13. 7, 2 —16. Brief B =
fein zur Zeit der fyrifchen Herrfchaft und will von mak-
kabäifchen Pfalmen kaum etwas wiffen, um der Theorie
willen, dafs kein einziger Pfalm zeitgefchichtlichen Ereig-
nifsen gewidmet fei. Daher müffen auch die Königs-
pfalmen meffianifch gedeutet werden.
Trotz allem ift es ein Verdienft Loeb's, die Auf-
merkfamkeit auf diefe intereffanten Kreife, die es gewifs
verdienen, näher in's Auge gefafst zu werden, von neuem
gelenkt zu haben in einer Reihe von Abhandlungen, die
ebenfofehr von Fleifs ftrotzen, bis zur Schwerfälligkeit,
als fie von der w iffenfehaftlichen Unabhängigkeit des Ver-
faffers — freilich ift er dabei, wie wir glauben, auf manchen
Irrweg gerathen — ein glänzendes Zeugnifs ablegen.
Strafsburg i. E. L. Horft.
Cap. 10—13. Brief C = 2, 14 — 6, 10. Jene Mifsdeut-
ung des {rniaftßevovxi hat ihn aber nun verführt, die
Stimmung des fraglichen Abfchnittes gründlich mifszu-
verftehen. Angeblich fei er gefchrieben aus dem Bewufst-
fein des vollen Befitzes feiner Gemeinde heraus. Gar
nichts beweift hierfür die Stelle 3, 2 ff., nach welcher
die korinth. Gemeinde als fein Empfehlungsbrief aller
Welt gegenüber gelten kann. Denn damit ift über fein
Verhältnifs zu ihr nichts ausrzefagt. Und 5. Ii: Ü.mqm
de xal BV xalq övvtiör'ioeoiv vumv jceyartcnäoirai heilst
doch wohl, dafs P. durch die vorangegangenen Darlegungen
fich definitiv den Korinthern erklärt hat und nun
hofft, dafs alle Mifsverftändnifse befeitigt fein werden.
Welch' anderer Ton, als in Cap. 7! 2, 17 foll eine An-
fpielung auf den Vorwurf der Unlauterkeit in der Col-
lectenfache fein, und hierin zeige fich Paulus in diefem
Halmel. Anton, Der Viercapitelbrief im zweiten Korinther- j Briefe als Sieger. Aber wer Sieger ift, betheuert nicht
brief des Apostels Paulus. Ein Beitrag zur Gefchichte J in der Weife, wie es 2, 17. 4,2 gefchieht, feine Unfchuld
des Urchriftentums. Effen, Baedeker, 1894. (VI,
23 S. gr. 8.) M. -.75
Ein dringendes Intereffe haftet an der Frage nach
der Einheit des 2. Korintherbriefes. Wenigftens für
Jeden, dem diefes hochperfönliche, wahrhaft menfehliche,
pfychologifch-intereffante und religiös-tiefe Schreiben fo
Die beftändigen Seitenblicke auf die Gegner, die ganze
Vertheidigung des apoftolifchen Amtes und der Amtsführung
des Paulus ift nur verftändlich, wenn das Verhältnifs
zur Gemeinde noch kein gutes wieder ift. Dies
völlige Vergreifen in der Auffaffung des Abfchnittes,
welches ich mir nur durch ein reichlich oberflächliches
Studium desfelben erklären kann, fällt um fo mehr aut,
an's Herz gewachfen ift, dafs er keine Ruhe hat, bis er ; als der Verf. viel gethan hat, um die fprachliche und
es einigermafsen verlieht. Ein wirkliches Verftändnifs i fachliche Verwandtfchaft der Capp. 2, 14—6, 10 (ich
aber der Einzelnheiten aus der Compofition, vor allem | würde fagen — 7, 3 [4]) mit Capp. 10—13 nachzuweifen.
der Stimmung des Ganzen ift bei der nachgerade kühn Hätte er dies weiter verfolgt, fo würde er unfere Fra^e
erfcheinenden Hypothefe der Einheitlichkeit nicht mög- I erheblicher haben fördern können. Denn das ift mir
lieh. Freilich hat die Kritik wenig Uebereinftimmung 1 wenigftens gewifs, dafs 2, 14—7, 3 [4] und 10—13 eine