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Ausgabe:

1894 Nr. 20

Spalte:

505-509

Autor/Hrsg.:

Kautzsch, Emil (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Die Heilige Schrift des Alten Testaments in Verbindung mit andern übersetzt. 2. Halbbd 1894

Rezensent:

Budde, Karl

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Theologifche Literaturzeitung. 1894. Nr. 20.

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berufsmäfsiger Hetzer irre machen. Wahre Frömmigkeit
kann nicht darunter leiden, dafs man ein tieferes Ver-
ftändnifs der wunderbaren Wege Gottes mit feinen
Menfchenkindern fucht. Wer darüber noch Bedenken
hegt, der fange mit den beiden letzten Seiten der Beilagen
an, die der Herausgeber eigens den Schwachen
und Furchtfamen gewidmet hat. •—

Bei dem Dank, den das evangelifche Deutfchland
für diefes Werk fchuldet, darf neben dem Herausgeber
und feinen Mitarbeitern der Verleger nicht leer ausgehen.
Dank gebührt ihm nicht nur für die würdige Ausftattung,
fondern auch für den Preis. Das mufs umfomehr hervorgehoben
werden, weil vielfach Abnehmer, denen die
Nachzahlung von 3 M. über die anfänglichen 9 M. trotz
vorheriger Ankündigung unerwartet kam, fich zu unüberlegten
Angriffen gerade auf Grund des Preifes haben
verleiten laffen. Nachdrücklich mufs es betont werden,
dafs der bisherige Preis von 12 M. wie der um ein Geringes
erhöhte nach Abfchlufs des Werkes für Umfang
und Druckfchwierigkeit des Bandes ein ganz unerhört
niedriger ift. Möchten neue Auflagen das Unternehmen
lohnen und endlich der maffenhafte Abfatz dem Verleger
einen noch niedrigeren Preis ermöglichen! Damit wäre
Allen zugleich gedient, am meiften der guten Sache.

Strafsburg i/E. K. Budde.

Valeton, jr., Hoogleeraar Dr. J. J. P., Arnos en Hosea. Een

hoofdstuk uit de geschiedenis van Israels godsdienst.
Nijmegen, H. ten Hoet, 1894. (VIII, 219 S. 8.)

Der Verfaffer, Vertreter des altteftamentlichen Faches
an der Univerfität Utrecht, hat in den letzten Jahren in
der ZATW Unterfuchungen über Gebrauch und Bedeutung
des Wortes ni~Q im Alten Teftament in deutfcher
Sprache veröffentlicht; er ift fomit der Unfere geworden,
auch denjenigen bekannt, die feine zahlreichen und ver-
dienftlichen biblifch-theologifchen Arbeiten in der Mutter-
fprache nicht verfolgen konnten. In dem vorliegenden
Buche bietet er allen, denen das Alte Teftament am
Herzen liegt, eine eingehende Behandlung der beiden
älteften Schriftpropheten, die man nur im äufserlichften
Sinne zu den kleinen rechnen darf. In Wirklichkeit flehen
fie da wie die Entdecker neuer Welten, und es dürfte
fchwer halten, in der ganzen ferneren Gefchichte der
Religion Israels einen wefentlichen Punkt zu entdecken,
für den fich nicht bei einem diefer beiden gewaltigen
Thorhüter des Prophetismus die Keime nachweifen liefsen.
Es gehört zu den gröfsten Verdienften der Graf-Well-
haufen'fchen Schule, die grundlegende Bedeutung diefes
ungleichen Brüderpaares wieder herausgeftellt zu haben.
Voll und ganz einverftanden mit den grofsen Ergebnifsen
der Arbeit diefer Schule, legt nun Valeton diefe Bedeutung
befonders ausführlich und mit grofser Liebe dar.
Es ift nicht blofs ein wiffenfchaftliches Ziel, das er verfolgt
, wie denn das Buch keineswegs nur für Fachge-
noffen, fondern für die gebildete Gemeinde beftimmt ift.
,Diefe Weisfagungen haben ein Gotteswort wie für alle
Zeiten fo auch befonders für die unferige; vor allem gilt
es der ,,focialen Frage" unferer Tage, dem Verhaltnifs
von Religion und Sittlichkeit und dem aus religiöfen
Beweggründen geführten Kampf gegen Rom. Oft ift es
mir fchwer geworden, nicht ausdrücklich auf die Ueber-
einftimmung zwifchen dem „Damals" und dem „Heute"
hinzuweifen. Dennoch habe ich mich deffen enthalten.
Ich wollte auch in diefer Hinficht die Weisfagungen
felber für fich reden laffen. Möchten fie verftanden
werden!-

Diefes Ziel, wefentlich gleich dem in den englifchen
Men of the Biblc1 verfolgten, nur dafs das Biblifch-
Theologifche, der Ideengehalt, entfchieden in den Vordergrund
tritt, verfolgt Valeton in durchaus methodifchem,
erfchöpfendem Verfahren. Der erfte Abfchnitt (S. 1 —14)

behandelt die Zeitumftände, die fittlich-religiöfen Ver-
hältnifse, die genauere Abfaffungszeit für die Bücher
I Arnos und Hofea in fehr anfprechender und klarer
Weife und mit Ergebnifsen, die nach dem heutigen
Stande unferer Einficht unanfechtbar heifsen dürfen. Der
folgende Abfchnitt (S. 15—77), eine Ueberficht über den
Inhalt der beiden Bücher, birgt in befcheidener Form
eine äufserft langwierige und mühfame Arbeit. Denn
hier gilt es, wie jeder Kundige weifs, nicht einfach ge-
i fponnenes Garn abzuwickeln, fondern immer und immer
| wieder, fchon bei Arnos, aber in unvergleichlich höherem
Mafse bei Hofea, hoffnungslos verwirrte Knäuel zu löfen
und den gebrochenen Faden wieder anzuknüpfen. Nicht
weniger als 75 von den 102 am Schluffe angehängten,
auf den Urtext zurückgreifenden Anmerkungen gelten
diefem kurzen Abfchnitt. ,An das Selbermachen von
| Conjecturen hat fich der Verf. nicht gewagt' (S. VI),
I aber aus dem vorhandenen Schatze trifft er eine fehr
wohl durchdachte Wahl und gewinnt damit, ohne alle
j Anftöfse zu befeitigen, einen Text, der der forgfamften
Beachtung werth ift. Leider ift der hebräifche Satz in
diefen Anmerkungen durch die übliche grofse Zahl von
Druckfehlern und Unfauberkeiten entftellt, wie fie in den
meiften Druckereien kaum zu vermeiden ift. Zu wünfehen
wäre, dafs V. überall den erften Gewährsmann für die
angenommenen Verbefferungen genannt hätte. Der Text
diefes Abfchnittes bietet nun kaum weniger als eine vol -
Händige Paraphrafe der beiden Bücher, deren Text in
! allen wichtigen Abfchnitten faft vollftändig aufgenommen
und durch Curfivfchrift hervorgehoben ift. Bei der fpär-
lichen Zahl brauchbarer Commentare wird diefe Paraphrafe
auch als wiffenfchaftliches Hülfsmittel nicht zu
verfchmähen fein. Im Organismus des Buches ift fie
freilich trotz aller methodischen Berechtigung, ja Noth-
1 wendigkeit, eine Art Doppelgänger der beiden folgenden
Abfchnitte (S. 77—123. 124—187), in denen die Hauptfache
, Lebensbild, Wirkfamkeit, Anfchauungen und Predigt
der beiden Propheten, entwickelt wird. Wer die
Bücher kennt, kann recht wohl die Paraphrafe über-
I fchlagen und fogleich zu diefen Lebensbildern übergehen,
um dann je nach Bedarf rückwärts blätternd den Zu-
fammenhang der benutzten Stellen in der Paraphrafe
aufzufuchen. Jedenfalls wird, wer alle diefe Abfchnitte
hintereinander lieft, leicht den Eindruck der Weit-
fchweifigkeit gewinnen. Damit aber gefchähe dem fchönen
Buche Unrecht, fo wenig geleugnet werden foll, dafs der
I praktifche Zweck hier wie in faft allen ähnlichen Büchern
! einen etwas behaglicheren Schritt begünftigt, als er bei
■ rein wiffenfehaftlicher Arbeit am Platze ift. Auf die
i äufserft feinfinnigen Ausführungen diefer biblifch-theologifchen
Hauptabfchnitte ausführlicher einzugehen, geblattet
der Raum nicht; doch kann ich mir nicht ver-
1 fagen, aus Abfchnitt V, dem kurzen Vergleich zwifchen
beiden Propheten (S. 188 — 194), eine Art Auszug mög-
, lichft mit des Verfaffers eigenen Worten zu bieten.

Die Bedeutung der beiden Propheten für die israeli-
tifche Religion, wie für die Religion überhaupt liegt in
ihrer Gotteserkenntnifs. ,Israel das Volk Jahwe's, Jahwe
der Gott Israels', das der grundlegende Satz des Israeli-
tismus. Aber was das Volk als ein felbftverftändliches
Naturverhältnifs anfleht, kennen fie als auf einer freiwilligen
Liebesthat Gottes beruhend, und während das
Volk in diefem Verhältnifs nichts anderes fleht als eine
Quelle des Segens, eine Verpflichtung zu cultifcher Verehrung
und einen Grund ohne Sorge in die Zukunft zu
blicken, legen fie allen Nachdruck auf die geiftig-fitt-
lichen Verpflichtungen, die fleh daraus ergeben, wie auf
den Anfpruch, der dadurch an den Charakter des Volkes
geflieht wird.

I Dennoch zeigt fleh zwifchen beiden ein grofser Unter-
[ fchied, in ihrer Gotteserkenntnifs wie in ihren Forderungen.
Für Arnos ift Jahwe der Gott der Natur und der Gefchichte
; in des Hofea Gotteserkenntnifs nimmt nicht