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Ausgabe:

1894

Spalte:

462-463

Autor/Hrsg.:

Röhricht, Alexander

Titel/Untertitel:

De Clemente Alexandrino 1894

Rezensent:

Krüger, Gustav

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Theologifche Literaturz

eitung. 1894. Nr. 18.

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gewöhnlich aus der Reformationszeit, find mehr über-
rafchend als einleuchtend.

Nach einleitender Befprechung der Literatur über
den Donatismus (§ 1 ,der Gegenftand der Unterfuchung')
läfst Verfaffer in § 2 ,die Quellen der Gefchichte des
Donatismus' Revue paffiren; in § 3 ,der Gang der Unterfuchung
' findet er, dafs man von einem nationalen Elemente
beim Donatismus nur in dreifacher Beziehung
reden könne: hinfichtlich der Abftammung, Sprache,
Glaube und Sitte des Kerns der Donatiften. Damit ift
der Weg der Unterfuchung vorgezeichnet; § 4 behandelt
,die Abftammung', § 5 ,die Sprache', § 6 ,Glaube
und Sitte'. Den Circumcellionen und ihrem Verhältnifs
zum Donatismus ift § 7 gewidmet; ,Ein zeitlicher Längs-
fchnitt' § 8 bringt in hiftorifcher Folge nach, was fich
in den drei genannten Rubriken, unter denen Thümmel
den Donatismus betrachtet, nicht unterbringen liefs.

Der Schwerpunkt der Unterfuchung ruht in § 4, 7
und 8, und es ift anzuerkennen, dafs Thümmel dergrofsen
Gefahr, welche fein Stil ebenfo wie die Dispofition feiner
Schrift ihm bot: durch rhetorifche Aufbaufchung
von Nebenfachen eine fchiefe und darum unbrauchbare
Darftellung zu liefern, im Ganzen entgangen ift. Er erkennt
an, dafs das religiöfe Moment beim Donatismus
im Vordergrunde fteht (S. 62), nur von einer volksthüm-
lichen Unterftrömung (S. 50) will er reden. Da läfst
man fich gern von einem Verfaffer, der viel natürliches
Verftändnifs für die Art volksthümlicher Bewegungen
befitzt, das einfchlägige Material vorführen. Nach Opta-
tus I 18 f. war es ja der Anlafs des Donatismus, dafs
die Wahl Caecilian's von Karthago absentibus Numidis
vollzogen wurde; die 70 numidifchen Bifchöfe wählten
Majorin als Gegenbifchof. Die Einfetzung des Donatus
von Cafae Nigrae, eines Numidiers, zum interventor
würde, falls fie vor dem Tode des Menfurius erfolgte,
möglicher Weife das Vorhandenfein einer numidifchen
Oppofition fchon vor der Wahl Caecilian's belegen (S.50ffi.).
Auguftin fagt ausdrücklich (sermp 46, epist. 58), dafs Nu-
midien der Herd des Donatismus fei; dort haben die
heftigften Verfolgungen ftattgefunden u. f. w. Dagegen
find die Circumcellionen nach Thümmel eine agrarifch-
focialiftifche Bewegung; die gleiche (numidifche) Abftammung
bildet das itarke Band zwifchen ihnen und
den Donatiften.

Im Einzelnen habe ich fehr viele Fragezeichen zu
machen, auch gerade an Punkten, auf die es Thümmel
ankommt. Absentibus Numidis Optatus I 18 kann fich
nur auf Bifchöfe aus Numidien beziehen, und dafs
diefe fämmtlich numidifcher Nation waren, wie Th.
vorauszufetzen fcheint, ift fo unwahrfcheinlich wie möglich.
Bei Donatus dem Grofsen läfst fich numidifche Abkunft
nicht beweifen; überhaupt fällt die Unterfuchung des
Nationale der donatiftifchen Parteihäupter S. 58—62
nicht eben zu Gunften der Thefe Thümmel's aus. Die
in § 5 erörterte Frage: .Sprachen die Katholiker überwiegend
lateinifch, während fich die Donatiften überwiegend
des Punifchen bedienten' (S. 68), läfst fich in diefer
Allgemeinheit nicht beantworten; das punifche Sprachgebiet
wird fich vielleicht ungefähr umfehreiben laffen,
da es das Gebiet der alten phönieifchen Cultur ift; aber
ob die Ausbreitung des Donatismus in Afrika fich geo-
graphifch begrenzen läfst, ift bis jetzt m. W. nicht feft-
geftellt. Was Th. S. 70 über Gottesdienfte in punifcher
Sprache muthmafst, beruht vollends auf anfechtbaren
Schlüffen. Noch weniger trägt § 6 aus. Es ilt doch nur
in fehr allgemeiner Form richtig, dafs die ehemalige
Volksreligion die chriftlich gewordenen Numidier zum
Donatismus prädisponirt hat. Wenn $ 5 und 6 fehlten,
würde das Ganze gewonnen haben. Ueberhaupt: Je weiter
man in dem Buche kommt, um fo lebhafter wird der Wunfeh
des Lefers: Etwas weniger Allgemeinheiten! etwas mehr
concrete Unterfuchung! S. 62 f. mufste wenigftens der
Verfuch gemacht werden, aus den Bifchofsliften der

Collatio CartJiaginiensis a. 411 mit Hülfe der Itinerarien
und des reichen infehriftlichen Materials ein Bild von
der Ausbreitung des Donatismus zu zeichnen. Der Bericht
über die Quellen zur Gefchichte des Donatismus
§ 2 würde durch gröfsere Ausführlichkeit lieh Dank verdient
haben, da eine gründliche Neuunterfuchung der
Quellen ein Bedürfnifs ift. Haufsleiter hat auf den
wichtigen Apokalypfen-Commentar des Donatilten Ticho-
nius aufmerkfam gemacht (Zeitfchr. f. kirchl. Wiffenfch.
u. kirchl. Leben VII 239fr.), Duchesne hat die Acten-
fammlung des Manufcripts von Cormery (Paris, tat. 1711;
f. den Anhang der neuen Optatus-Ausgabe von C. Ziwfa:
Corp. Script, eccles. tat. XXVI) auf die Gesta purgationis
Caeciliani et Felicis, die zwifchen 330 und 347 zufammen-
geftellt wurden, zurückgeführt, und will von der Unechtheit
mancher Urkunden gegen Völter und Seeck nichts mehr
wiffen (Melanges d''archeologie et d'histoire X 589—650).

Der Druck ift fehr fchlecht. Die Auguftin-Citate habe
ich verglichen, und fchon hier eine folche Fülle von
Ungenauigkeiten aller Art gefunden, dafs ich darauf
verzichten mufs, auch nur die wichtigften anzuführen.
Ich verbeffere einige Namen. S. 30 Z. 5 v. u. lies Duncker,
S. 38 Z. 3 v. u. Basel, S. 38 Z. 6 v. u. Pammachiu's,
S. 50 Z. 7 v. o. Cclestius, S. 91 Z. 1 v. u. Cresconium,
,S. 92 Z. 19 v. o. Fafir, S. 92 Z. 5 v. u. Oncken, S. 100
Z. 11 v. u. Garbe, S. 101 Z 2 v. u. Siricius.

Göttingen. Hans Achelis.

Burckhardt-Biedermann, Th., Bonifacius Amerbach und
die Reformation. Bafel, R. Reich, 1893. (VIII, 407 S.
mit Bildnis, gr. 8.) M. 6. 40

Auf Grundlage eines reichlichen Briefwechfels fchil-
dert der Verfaffer das Verhältnifs des berühmten Juriften
Bonifacius Amerbach in Bafel (geb. 11. October 1495;
geft. 24. April 1562) zur Reformation, während er für
fein übriges Leben die Arbeiten Fechter's in den
Basler Beiträgen zur vaterl. Gefch. Bd. II, 167—229 und
Bd. III, 147—179, fowie Thommen's Gefch. der Univerf.
Bafel (1889) als bekannt vorausfetzt. — Der in der Gefchichte
des deutfehen Humanismus nicht unrühmlich
bekannten Basler Buchdruckerfamilie entflammend, war
er von Haufe aus ebenfalls eifriger Humanift, Freund
und Verehrer des Erasmus, fowie des Freiburger Juriften
Zafius. Gleich allen Humaniften begrüfste er das erfte
Auftreten Luther's mit grofser Begeisterung, aber wie fo
viele derfelben machte auch ihn das Fortfehreiten der
Reformation, die Angriffe auf fo manche Dogmen der
alten Kirche bedenklich, ohne dafs er jedoch dadurch,
wie fo manche feiner Freunde, wie insbefondere Zafius,
zum Papftthum zurückgetrieben worden wäre. Er fuchte
fich eine freie Stellung, einen Mittelweg zwifchen beiden
Parteien zu bewahren, aber es geht ihm nach dem, von
ihm oft erwähnten Worte Cicero's ad Att. VIII, 7, 2:
quem fugiam habeo, quem sequar non habeo. Mehr noch
als Luther's Lehre de servo arbitrio, worüber er bekanntlich
mit Erasmus, dem fpeciellen Freunde Amerbach's,
in Streit gerieth, in welchem diefer entfehieden auf feines
Freundes Seite fteht, macht üecolampad's Lehre vom
heiligen Abendmahl als einer blofs finnbildlichen Handlung
einen Rifs zwifchen ihm und der Reformation.
Letztere Lehre führt einen perfönlichen Gewiffensconflict
für ihn herbei und die Darfteilung desfelben ift wohl der
intereffantefte Theil des Buches. Nach ftaatlicher Einführung
der Reformation in Bafel hält er, der Univer-
fitätsprofeffor, fich nämlich fern von dem neuen Gottes-
dienft und erklärt fich gegen feine Freunde rundweg als
Unbetheiligten (profanus), rechnet fich zu der Claffe, in
welcher anderwärts die Juden find, nämlich als einen,
der fremd ift gegen die neulichen Einrichtungen. Dies
aber rief den Conflict hervor, indem Gewiffensbedenken
ihm verboten, den feitens der Obrigkeit von der ge-
fammten Bürgerfchaft geforderten Eid auf die neue

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