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Ausgabe:

1894 Nr. 18

Spalte:

457-458

Autor/Hrsg.:

Hilprecht, H. V.

Titel/Untertitel:

The Babylonian Expedition of the University of Pennsylvania. Series A: Cuneiform Texts. Vol I. Part I 1894

Rezensent:

Meyer, Eduard

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung. 1894. Nr. 18.

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punkte viel zu ficher, um fie fo zu behandeln, wie Tie es
nach der Meinung Vieler verdient. Nur wer den Verf.
nicht verfteht, kann fragen, wie es möglich fei, über fo
einfache Erzählungen einen Commentar von 424 enggedruckten
Grofsoctav-Seiten zu fchreiben. Für ihn ift
hier fo viel Anlafs, die Fülle und Geheimnifse des göttlichen
Wortes zu entfchleiern, dafs er ebenfo gut auch
noch ein viel dickeres Buch darüber hätte fchreiben
können. Und was für Probleme giebt es doch hier zu
löfen, die nur der Oberflächliche leicht nimmt? Da find
die fchwierigen Genealogien. Warum wird bei Matth,
neben dem Phares, welcher allein nothwendig war, noch
fein Zwillingsbruder Zara erwähnt? Mit grofser Nüchternheit
lehnt er alle typologifchen Phantafien ab: ,Ich kann
mit gutem Gewiffen hier kein verborgenes Geheimnifs
entdecken'. Und was follen die vier Frauen in der
Matthäus-Genealogie? Hiervon handeln beinahe vier volle
Seiten. Auch hier verfchmäht der Verf. alle Künfteleien
und fagt lediglich, Mtth. habe diefe intereffanten Notizen
feinen Lefern nicht vorenthalten wollen. Die Zählung
der dreimal vierzehn Glieder kommt fo heraus, dafs
Jechonias doppelt gezählt wird. Eine wichtige Frage ift
auch, wie Lukas darauf kommt, 1,26 den zur Maria ge-
fandten Engel als den Erzengel Gabriel zu bezeichnen,
da er doch in dem Gefpräch mit Maria fleh als folcher
nicht zu erkennen giebt. Woher weifs Lucas alfo, dafs
es Gabriel war? Das wird gründlich und gediegen auf
S. 85 unterfucht. Nicht ganz befriedigt hat mich die
Antwort auf die Frage, warum der Engel gerade nach
Nazareth gefandt werde. Ich hatte angenommen: weil
Maria, die I£rwählte, eben dort wohnt. Aber Nebe meint:
weil Nazareth in Galiläa liegt, der Landfchaft, .welche
bei den eingefleifchten Juden in Verachtung fleht'. Hierdurch
wird der Schein erweckt, als ob Maria deswegen
zur Mutter des Meffias erwählt fei, weil es auf jeden
Fall eine Galiläerin fein follte. Wie fleht es damit?
Neben fo wichtigen Problemen treten die von der Kritik
aufgeworfenen natürlich in den Schatten. Zu ihrer Löfung
genügen die einfachften harmoniftifchen Noth- und Hülfs-
annahmen. Ueber diefe Dinge läfst fleh mit dem Verf.
nicht ftreiten. Auf einen Punkt möchte ich ihn doch
hinweifen. Die Annahme, dafs Luc. r, 35 von dem Re-
dactor des Evangeliums flamme, während die juden-
chriftliche Quelle den Namen Sohn Gottes 1, 32 in einem
anderen Sinne fafst, würde er natürlich kaum einer
Widerlegung für werth halten. Aber, wenn er auf S. 106
gegen die ethifch-religiöfe F"affung jenes Namens (1, 32)
fagt: .es bleibt ganz unerklärlich, wie der Hohepriefter
eine offenbare Gottesläfterung darin finden konnte, dafs
Jefus fich frank und frei als den Sohn Gottes bekannte;
denn wie kann eine Blasphemie in dem Bekenntnifse
liegen, dafs Gott einen Menfchen liebt?' — fo verweife
ich ihn auf Joh. 5, 18: öia roüzOr uäUov e£yovv avxbv
01 'Iovöaloi änoxTÜrai, oti ov uovov tlvsv tö oaßßaxov,
dlla xca naztoa idiov ekeyev tov ireov, ioov wvxov
nouüv toj #£tp Alfo nach jüdifchem Urtheil begeht
fchon der eine Gottesläfterung, der Gott als feinen
Vater in einem fpeciellen Sinne bezeichnet.

Göttingen. J. Weifs.

Stevens, Prof. Wm. Arnold, and Prof. Ernest de Witt
Burton, A Harmony of the Gospels for historica! study.

An analytical Synopsis of the four gospels in the
Version of 1881. Boston, Silver, Burdett & Comp.,
1894. (X, 237 S. kl. 4.) $ 1. 50

Die beiden amerikanifchen Theologen geben eine
Synopfe der vier Evangelien, wollen alfo nicht blofs der
fynoptifchen Frage im engeren Sinne dienen. Der eng-
lifche Text ift der der englifchen revidirten Ueberfetzung
von 1881; alfo für wiffenfehaftliche Unterfuchungen ift das
Buch nicht geeignet. Aber lernen können wir von der

praktifchen Einrichtung. Das, was bei der Huck'fchen
Synopfe (f. Jahrg. 1893, Col. 564) vermifst werden mufste,
ift hier geleiftet. Es find zu jeder Stelle alle Parallelen
beigefetzt, die aus ihrem Zufammenhange geriffenen
entweder in Klammern oder in Fufsnoten. Die Ausftattung
ift glänzend, der Preis äufserft billig.

Göttingen. J. Weifs.

1. Röhricht, Alexander P., De demente Alexandrino,

Arnobii in irridendo gentilium cultu deorum auetore.
Hamburg, Agentur des Rauhen Haufes, 1893. (38 S.
gr. 8.) M. 1. —

2. Röhricht, Paft. Dr. Alex., Die Seelenlehre des Arnobius,
nach ihren Quellen und ihrer Entftehung unterfucht.
Ein Beitrag zum Verftändnis der fpäteren Apologetik
der alten Kirche. Hamburg, Agentur des Rauhen
Haufes, 1893. (IV, 64 S. gr. 8.) M. 1. 6b

1. Die erfte diefer Arbeiten ift eine Detailunterfuchung
über eine Frage, die zuerft G. Kettner in feinem Programm
über Cornelius Labeo T877) geftreift hat. Wie
Labeo nachweislich die Quelle ift für des Arnobius Mittheilungen
aus der römifchen Mythologie, fo der Pro-
trepticus des Clemens für die von der griechifchen
Götterlehre handelnden Abfchnitte. Noch Rei f f er fcheid
(Burfian's Jahresbericht VIII, 1880, 3. Abth. 284) und Kahl
(Philologus Suppl. V, 1889, 720) hatten die Frage offen
gelaffen, ob nicht etwa eine gemeinfame Quelle für
Clemens und Arnobius anzunehmen fei. Röhricht tritt
nach forgfältiger Prüfung des Materials diefer Annahme
mit Entfchiedenheit entgegen. Ich habe feinem Beweife
nichts hinzuzufügen und glaube, dafs man diefe Frage
für erledigt halten darf. Clemens ift ganz wefentlich
die Quelle für Arnobius, der freilich an feiner Vorlage
aus Nachläffigkeit oder Abficht gelegentlich Aenderungen
vorgenommen hat.

2. In die apologetifchen Auseinanderfetzungen der
erften Bücher des Arnobius ift ein längerer Excurs über
Entftehung, Befchaffenheit und Beftimmung der menfeh-
lichen Seele eingeftreut (Buch II, 14—62), der, in der
Oekonomie des Werkes gar nicht begründet, offenbar
einem Bedürfnifs des Autors, gerade über diefe Fragen
fich zu äufsern, entfprungen ift. Dabei wagt der Rhetor
auch eine pofitive Aufftellung, indem er die Lehre von
einer media qualitas der Seele entwickelt, wonach fie
,nach ihrer metaphyfifchen Eigenart ebenfo zur Vernichtung
wie zur Verewigung gelangen' kann. Hieran
knüpft fich die Schlufsfolgerung, dafs ,ewige Dauer der
Seele nur von den Einwirkungen des Chriftenthums zu
erwarten fei'. Das polemifche Intereffe ift dabei nach
zwei Seiten hin in Anfpruch genommen, gegen die ab-
folute Vergänglichkeit wie gegen die abfolute Unver-
gänglichkeit der Seele. Röhricht, der diefe im Allgemeinen
bekannten Dinge im dritten Abfchnitt lichtvoll
darftellt, führt nun aus, — und darin liegt der Schwerpunkt
feiner Unterfuchung — dafs es vornehmlich die
Gegnerfchaft gegen den jüngeren Piatonismus ift, durch
die Arnobius beftimmt wird, während er die Anregung
zu feiner eingehenden Erörterung des ganzen Lehrftücks
vielleicht von feiner Lucrezlectüre empfangen hat. Der
Begründung diefer Behauptung dienen die beiden erften
Abfchnitte. Zunächft galt es, das .Verhältnifs des A. zu
Lucrez und dem Epicureismus' klarzulegen. Indem
Röhricht hier die Unterfuchungen von E. Klufsmann
(Philologus XXVI, 1867, 362—366) und J.Jeffen (Progr.
Kiel 1872, S. 18) fortführt, kommt er zu dem richtigen
Refultat, dafs Lucrezens Lehrgedicht nicht nur einen
formalen, fich bei der rhetorifchen Geftaltung der Schrift
geltendmachenden Einflufs auf Arnobius geübt hat, fondern
ihm auch gewiffe Argumente an die Hand gegeben
hat, mit denen er die Lehre von der Unvergänglichkeit