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Ausgabe:

1894 Nr. 17

Spalte:

437-439

Autor/Hrsg.:

Tischendorf, Const. (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Novum Testamentum graece 1894

Rezensent:

Gebhardt, Oscar

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Theologifche Literaturzeitung. 1894. Nr. 17.

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99—109). Das Material, welches der Verf. hier zur Begründung
der von ihm bevorzugten Lesart Ld7toXivc<Qiog
gefammelt hat, gewährt einen intereffanten Einblick in
die Entftehung diefer Namensform, deren principlofe
Schreibung beim Vorhandenfein zweier Kirchenlehrer
diefes Namens (2. Jhdt, 4. Jhdt.) gerade von theologifcher
Seite empfunden werden konnte. Denn es geht mir
daraus hervor, dafs in den Infchriften die dem Sinne
ihrer Ableitung (Apollo, -inis — Apollinaris — Zahn
100; cf. noch den Schlufsfatz der Anm. 1 auf S. 106)
entfprechende Form A710XXiväqiog genügend bezeugt
ift (103. IOI A. 2. 102 A. 2), während fie in den (fpäteren)
Hff. und Editionen allerdings ftark, wenn nicht völlig,
zurücktritt (104 f.). Wenn nun die ältere griechifche
Schreibung jener Zeit häufig die Endung -is in -10g
(107) und umgekehrt -ins in -ig (icö f. A. 4. cf. das Aoc-
y.ig auf dem Epitaph der fog. Papftgruft, und dazu de Roffi,
Koma sotterranea II 66 ff.) umbildete, fo liegt in dem
griechifchen L^. ein unkenntlich gemachtes Derivat latei-
nifcher Abkunft vor. Man braucht daher die Erklärung
Zahn's in der S. 107 (unten) gegebenen Form nicht zu
theilen, um einzufehen, dafs den fpäteren griechifchen
Abfchreibern überhaupt das Bewufst fein von dem Sinne
der urfprünglichen Ableitung verloren gehen konnte, die,
ohne nähere Reflexion, in dem Namen ein Compofitum
(cf. Zahn ico) erblicken mochten,— m.a.W. die Richtigkeit
der Schreibung Id/ioXXivagiog (oder Apollinaris) dürfte
ftftzuhalten fein.

4) Ueber einige armenifche Verzeichnifse
kanonifcher und apokrypher Bücher (S. 109—157).
Drei folcher Verzeichnifse werden (in fremder Ueber-
fetzung) aufgeführt:

a) ein häretifches, auf den Gebrauch fyrifcher
Neftorianer d. J. 591 zurückgehendes Verzeichnifs (von
iOapokryphenSchriften; S. 110), welches Samuel von Ani
ca. 1179 in feiner Chronik überliefert hat;

b) ein zweites, wichtigeres von 24, meift apokryphen,
Büchern, das fich in dreitheiliger (zweitheiliger) Form bei
Mechithar von Airavank (ca. 1290) ,im erften Theil
feiner Chronik unter anderen Liften' erhalten hat (S. 115 ff.).
Zahn reconftruirt nach eingehender Vergleichung der
Lifte mit dem nächft verwandten Verzeichnifse
der 60 Bücher fowie der fog. Stichometrie des
Nicephorus und der Synopfis (Pf.) Ath. eine Urlifte
(136 b) und regiftrirt diefe mit jenen zufammen in die
Claffe derjenigen Liften ein, die bereits ,der unmittelbare
Ausdruck kritifcher Befchäftigung mit dem Kanon einer
oder mehrerer Kirchen und den verfchiedenen Anflehten
über denfelben' find (137), wobei er Merkmale für die
zeitliche Fixirung der Liften zu gewinnen fucht. Die von
competenter Hand gefertigte Unterfuchung enthält auch
im Einzelnen treffende und lehrreiche Bemerkungen;

c) ,ein echt armenifches Verzeichnifs der ka-
nonifchen Bücher', das von dem sub b) gen. Chroniften
im 3. Theile feines Werkes zum Jahre 1085 (Beginn
einer neuen Kalenderrechnung des Joh. von Haghbat,
gen. Sarcavag, auf den diefes Verzeichnifs zurückgeht)
erwähnt wird. Es führt drei Corintherbriefe des Paulus
auf und enthält auch liturgifche Schriften der armenifchen
Kirche, Schriften Philo's und griechifcher Kirchenväter.
Zahn fetzt feine Abfaffung in die erfte Hälfte des 6. Jhdts.

Eine kurze .Beigabe' (S. 158) behandelt das Ver-
hältnifs eines Henochcitates bei Pfeudocyprian zu dem
wiederaufgefundenen griechifchen Original (refp. zu ep.
Judae 14 f.). —

Den gröfseren Theil des Bandes (S. 159—414) nimmt
eine fehr umfaffende Unterfuchung der Apologie des
Ariftides von Prof. Seeberg ein. Es handelt fich um
die Beurtheilung des Textverhältnifses der verfchiedenen
Verfionen, um Aufdeckung der literarifchen Beziehungen
des kleinen Werkes und feiner Gefchichte und um ,Wieder-
herftellung des Textes der Apologie nach der fyrifchen
Ueberfetzung und den griechifchen und armenifchen

Fragmenten'. Die Reihenfolge der Werthfehätzung der
einzelnen Verfionen durch den Verf. ift mit diefem Satze
fchon bezeichnet. Der fo wieder hergeftellte Text zeichnet
fich durch Darbietung einer neuen deutfehen, fehr wörtlich
gehaltenen Ueberfetzung des Syrers aus, an der
man höchftens die Verwerfung guter, durch die Vergleichung
mit dem Griechen geficherter Textconjecturen,
die fchon Harris u. A. bieten (f. zu 333,. 34222. 35 Lr
360.,; umgekehrt erweifen fich die Aenderungen 3763 f.
406, nicht als nothwendigj, beanftanden wird. Der Text
findet fich auf S. 317—408 (hier ift 324, L yofloiai, 3S2|2
cf 198, D-grjvoviitvovg, 405r> ngoaQ^'joaovzai zu verbeffern;
fonft bietet die Arbeit — aufser in dem beigegebenen
Regifter 409 ff., bei deffen Herftellung der Verf. unter-
ftützt wurde — nur vereinzelte Druckfehler oder Unebenheiten
: 163 Anm. 173,9. 194 A. 2 Z. 2. 198.. 222.,. 234
Z. 6 v. u. 33018 v. u. 360 A. Z. 3); in die darunter gefetzten
Anmerkungen ift, wie jene Seitenzahl bei dem
geringen Umfange der Apologie zeigen kann, vieles aufgenommen
, was über das Material und die Beurtheilung
der Textzeugen felbft hinausgeht und der genaueren
Auslegung einiger Stellen dient. Auch die einleitenden
Unterfuchungen enthalten ein reiches Material zur Erhebung
des urfprünglichen Textbeftandes und zur Stützung
vereinzelter Wendungen. Hier kann man fich jedoch
des Eindruckes fchwer erwehren, dafs grofse Partien der
Ausführung fich zu Gunften einer zufammenhängenden
Leetüre knapper hätten zufammenziehen laffen (f. bef.
Cap. III). Meinen Zweifel gegenüber der Pofition des
Verf.'s in der Hauptfrage (Werthung der verfch. Textzeugen
) äufserte ich bereits in meiner Textausgabe
(Texte und Unterfuchungen IV, 3, S. 63; vgl. Zeitfchr.
f. wiff. Theol. XXXVI2 S. 83 etc.), ohne nunmehr die
Pflicht zu fühlen, eine Nachprüfung der Einzelaufftellungen
in der Textfrage leiften zu müffen. Man wird auf alle
Fälle bei dem gegenwärtigen Stande der Ueberlieferung
gut thun, fich auf das Zugeftändnifs zu befchränken,
dafs gewiffe Einzelfragen vor der Hand offen bleiben
werden, und auf der Hut fein müffen, aus diefer Be-
fchränkung dadurch herauszutreten, dafs man einer der
vorhandenen Verfionen wefentlich den Vorzug der Authen-
tie zuerkennt. Darin ift bereits im erften Stadium der
Unterfuchungen über die Textfrage der Apol. mehrfach
gefehlt. So ,ganz vereinzelt' (200 cf. 202) find übrigens
auch nach Seeberg die Fälle nicht, wo der Syrer Aenderungen
vorgenommen hat. Man blicke nur auf S. (171.)
196 f. oder nehme fich gar die Mühe, im Seeberg'fchen
Texte der Apol. die ziemlich zahlreichen Stellen genau
anzuftreichen, wo dem Griechen trotz des Syrers (mit
Recht) der urfprüngliche Wortlaut vindicirt wird!

Eine nähere Datirung der Apol. (erfte Jahre der
Regierung des Antoninus Pius: ca. 140) wird mit Glück
verfucht (268 ff.; das 274-276 angeführte Argument
kommt freilich in Wegfall; vielleicht fällt aber für den
archaiftifchen Charakter der Apol. die 233 [Mitte] aus-
gefprochene Beobachtung noch in's Gewicht). Weniger
ausfichtsvoll ift der Verfuch des Verf.'s, das Alter des
fyrifchen Ueberfetzers (die Hf. entflammt der zweiten
Hälfte des 6. Jhdts.) näher zu fixiren (204 f.; f. eher Raabe,
die Apol. des Arift. 96 f.). Die fubtile Beftimmung, ,dafs
wir in ihm nicht einen Zeitgenoffen Ephräms, fondern
Aphraats zu erblicken haben' (alfo ca. 330—340) fcheitert
an der augenfeheinlichen Thatfache, dafs ihn bei feiner
Ueberfetzung ein eigentlich dogmatifches Intereffe,
wie den Armenier, überhaupt nicht geleitet hat (allenfalls
liefse fich die Stelle 329.0 dafür anführen), fondern
höchftens das Intereffe, an Stellen, wo es ihm pafste
oder wo er den Sinn nicht gleich verftand, aus feiner
Phantafie einiges näher ausmalend hinzuzuthun. Wiffen
wir doch überhaupt nicht, in welcher Umgebung die
Ueberfetzung verfafst wurde! Den Schlufs aus der Form
der Bibelcitate hält der Verf. felbft nicht für zwingend.
,Arift. bietet kein einziges directes Bibelcitat, aber in