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Ausgabe:

1894 Nr. 16

Spalte:

417-420

Titel/Untertitel:

Deutsche Reichstagsakten. Jüngere Reihe. 1. Bd 1894

Rezensent:

Virck, H.

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Theologifche Literaturzeitung. 1894. Nr. 16.

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Fremde sectariorum vitiatus. P. fagt S. 78: ,Es kann nicht
geleugnet werden, dafs mehrere Schriften Wild's mit
vollem Rechte cenfurirt worden find; doch wäre es nicht
nöthig gewefen, deffen fämmtliche Schriften zu verbieten
'. Dafs Sixtus V. diefes gethan, ift bei ihm nicht auffallend
; aber dafs keiner der folgenden Päpfte das Verbot
modificirt hat und dafs es noch heute im Index fteht,
wie in dem Sixtus' V., ift nicht zu entfchuldigen.

Bonn. F. H. Reufch.

Sembrzycki, Johs., Die polnischen Reformirten und Unitarier
in Preussen. Nach gedruckten und ungedruckten
Quellen. [Aus: ,Altpreufsifche Monatsfchrift'.] Königsberg
, Beyer, 1893. (100 S. gr. 8.) M. 2. —

Der Verfaffer vorliegenden Beitrages zur Gefchichte
des Proteftantismus in Polen und Preufsen hat vor Vielen,
die fich mit den Schickfalen desfelben befchäftigen, den
Vorzug der Kenntnifs polnifcher Sprache und Literatur
voraus. In Folge davon bieten feine mit grofsem Fleifse
angeftellten, in der obigen Zeitfchrift veröffentlichten
Beiträge monographifchen Inhalts, auch der gegenwärtige,
fchätzenswerthe und belehrende Darlegungen, an denen
kein Hiftoriker von Fach vorübergehen darf. Dagegen
läfst die Art feiner Darfteilung, wie anderswo — z. B. in
der ,Reife Vergerio's nach Polen' [1890] — fo auch hier
nicht nur manches vermiffen, was wir bei dem gefchulten
Hiftoriker zu finden gewohnt find, was auch erft die Monographie
in den allgemeinen Zufammenhang einrückt,
fondern es fehlen ihm vor allem die theologifchen Kennt-
nifse von den dogmatifchen und hiftorifchen Unter-
fchieden innerhalb des Proteftantismus — Kenntnifse,
ohne die man in folchen Fragen natürlich weder fich
felbft noch den Lefer mit Sicherheit zu orientiren vermag
. Diefes Manco hat nun gerade bei dem gegenwärtigen
Beitrage die üble Folge, dafs der Verf. den
Begriff ,Reformirte' einerfeits und ,Unitarier' andererfeits
gar nicht fcharf fafst und insbefondere unter die letztere
Bezeichnung ganze Reihen von Leuten bringt, die damit
nicht richtig benannt werden.

Der Inhalt des S.'fchen Beitrages ift der folgende.
Cap. I: Die litauifch-polnifchen Reformirten bis
zum Vertrage von Weh lau 1657. Man findet hier einige
Andeutungen über die Gefchicke des Proteftantismus
(der Verf. fpricht immer nur von ,Reformirten', meint
aber mehrfach Evangelifche überhaupt), insbefondere die
Reaction unter dem ftrengkatholifchen Könige Sigismund
III. (1587—1632). Die von deffen Nachfolger
Ladislaus IV. (1633 —1648) befchworene .freie Rehgions-
übung' fchlofs freilich nicht aus, dafs auf Störung
katholifchen Gottesdienftes hin (1640) zwei an der Sache
unfchuldige Wilnaer Prediger und der Rector Hartheb
zum Tode verurtheilt wurden. Hier fehen wir den Kur-
fürften von Brandenburg, in deffen preufsifches Gebiet
jene drei flüchteten, zum erften Mal für feine litauifchen
Glaubensgenoffen eintreten. Fürft Chriltoph Radziwill
hatte fie ihm empfohlen. Der Sohn des einen diefer
Flüchtlinge, Paul Andreas Jurski, wurde 1658 bei der
reformirten Schule zu Königsberg Lehrer, fpäter Prediger
in Memel. In viel bedeutfamerer Weife erwies der Greise
Kurfürft fich nach dem Tode Ladislaus'IV. feinen Con-
feffionsgenoffen hülfreich, nachdem durch feine Unter-
ftützung Johann Kafimir zum Könige gewählt worden.
Boguslav Radziwill wurde Statthalter von Preufsen 1657.
Einen Brief desfelben an feinen Beamten Heinrich Eftko
theilt S. mit. Cap. 2: Die Unitarier in Oftpreufsen.
Das Jahr 1658 brachte den polnifchen Unitariem ein
königliches Verbannungsedict — Boguslav liefs fie in
Mafuren ein, an ihrer Spitze Morsztyn (von Mornftein),
dem der Kurfürft 1663 bei Rhein (Rudowken) 20 Hufen
überwies und den er zu feinem ,Rath' ernannte. Diefer
auch als Dichter angefehene Mann ftarb 1698 — über

feine Nachkommen ftellt S. in der Vorausfetzung, dafs
auch fie der unitarifchen Richtung angehört, Einiges
zufammen. Ueber andere Unitarier, wie fie zum Theil
fchon Bock [Hist. Soc.) aufzählt, bringt S. noch einiges
bei. Zu irgend welcher Bedeutung konnte diefe Bewegung
doch nicht im Lande gelangen, da fchon 1670 ein kur-
fürftliches Edict die Unitarier verwies und nur nach-
fichtige Auslegung desfelben fie hier und da vereinzelt
duldete. Als ihnen dann 1776 die Erlaubnifs durch
Friedrich IL gegeben wurde, eine Kirche zu bauen, waren
fie bis auf ein ganz kleines Häuflein zufammen ge-
fchmolzen, fo dafs es über ein befcheidenes Bethaus
nicht hinauskam. Cap. 3 wendet fich wieder den Reformirten
zu und verfolgt ihre Schickfale bis zur Gründung
der Königsberger Gemeinde, auch die Spuren
p olnifch-reformirten Cultus in den fonftigen kurfürftlich-
brandenburgifchen Ländern. Cap. 4 endlich berichtet
über die unter Friedrich I. erfolgte Stiftung der pol-
nifch-reformirten Gemeinde (1701), der in der Burg-
kirche bezw. ihrem Betfaale ein Local angewiefen wurde,
und die Schickfale der Gemeinde, unter deren Predigern
Einer, D. D. E.Jablonski als Hofprediger des Königs und
langjähriger Präfident der Berliner Akademie der Wiffen-
fchaften fehr bekannt wurde (f 1741). Ueber den erften
Prediger, Georg Rekuc", bringt S. Eingehenderes bezüglich
feiner literarifchen Thätigkeit (S. 83—85), über die Nachfolger
desfelben, Claudius Canot, Karkettel, Behr, Benjamin
Canot, Blanicki und insbefondere Wannowski, was
noch zu finden war, bis zum Aufhören polnifch-reformirten
Gottesdienftes in Königsberg 1806. Der Darftellung S.'s
ift noch ein ,Anhang' beigefügt über ,die aus dem polnifchen
Litauen flammenden Studenten der Univerfität
Frankfurt'. Das ift es, was S. bietet. Es lieft fich nicht
leicht, weil es vollgeftopft ift von Einzelausführungen,
welche manchmal weit ab aus der Richtung führen; ab
und zu läfst der Verf. fich es auch nicht entgehen, der
proteftantifchen Kirche, welche nicht die feinige ift, etwas
am Zeuge zu,.flicken. Aber inftruetiv und dankenswerth
bleiben immerhin feine Unterfuchungen, und man kann
nur wünfehen, dafs er feine Mufse weiterhin nach diefer
Seite fruchtbar machen möge.

Königsberg. Benrath.

Chapuis, Paul, La transformation du dogtne christologique
au sein de la theologie moderne. Essai de critique histo-
rique suivi d'une etude sur les recentes discussions
au sujet de la preexistence du Christ. Lausanne,
Georges Bridel & O, 1893. (IV, 125 p. 8.)

Seit der Veröffentlichung der Studie über die ,Prä-
exiftenz des Sohnes Gottes', die Ref. 1883 in franzöfifcher
Sprache herausgab, ift die bereits einige Jahre früher von
Prof. Aftie wieder auf die Tagesordnung der franzöfifchen
Theologie gebrachte chriftologifche Frage (Le Probleme
christologique, in der Revue de Laufanne 1874) Gegen-
ftand lebhafter Discuffionen geworden. Längere oder
kürzere Brofchüren und Zeitungsartikel, Thefen und Re-
folutionen von Pfarrconferenzen und theologifchen Vereinen
brachten nicht nur das Problem in vollen Flufs,
fondern beleuchteten dasfelbe von verfchiedenen Seiten.
Unter den Gegnern, die damals gegen Ref. auftraten,
zeichnete fich der Verf. oben genannter Schrift fowohl
durch die Klarheit feiner Darfteilung und die Vielfeitig-
keit feiner theologifchen Bildung als durch den würdigen
Ton feiner Polemik aus. In dem von ihm herausgegebenen
und erfolgreich geleiteten Blatt fcevangile et Liberte
unterwarf er die chriftologifche Studie des Ref. einer eingehenden
und umfaffenden Kritik (Jahrgang 1884. Num.
5. 7. 8. 9. 10). Indeffen traten bereits in diefer kritifchen
Auseinanderfetzung einige Symptome hervor, welche ver-
muthen liefsen, dafs die Pofition des Verf.'s die Ref.