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Ausgabe:

1894 Nr. 16

Spalte:

413-415

Autor/Hrsg.:

Kuyper, Hoogleeraar

Titel/Untertitel:

Encyclopaedie der heilige godgeleerdheid 1894

Rezensent:

Reischle, Max

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Theologifche Literaturzeitung. 1894. Nr. 16.

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die des cod. Vat. B (foweit der vorhanden) fei; das Vorwort
beftätigt, was fchon Neftle hervorgehoben hatte,
dafs darin vielmehr die editio Romana (Sixtina), und
zwar nach Tifchendorf's Abdruck, angeführt wird.
Mit Recht wird das von Neftle gerügt, zumal gerade in
den Eigennamen die Sixtina unzählig oft einen minder-
werthigen Text bietet. Die grofse Mühe, erft aus Neftle's
SuppUmentum die befferen Lesarten zufammenzufuchen,
wird Swete's Ausgabe den Verfaffern bei der 2. Auflage
erfparen; wir dürfen daher dann wohl hoffen, aus der Quelle
getränkt zu werden. Inzwifchen bietet fchon diefe erfte
Auflage des Guten fo überaus viel, dafs, wer durch ihren
Erwerb die zweite näher bringt, fleh felber am meinen
nützt.

Strafsburg i/E K. Budde.

Deutsche Reichstagsakten. Jüngere Reihe. 1. Bd.
Deutfche Reichstagsakten unter Kaifer Karl V. 1. Bd.,
bearb. von Aug. Kluckhohn. Gotha, F. A. Perthes,
1893. (IV, 938 S. Lex.-8.) M. 48. —

Jeder, der fleh mit der deutfehen Gefchichte im Zeitalter
der Reformation befchäftigt hat, weifs, wie fchlecht
es bisher um die Sammlung der wichtigften, die Reichstagsverhandlungen
betreffenden Aktenftücke beftellt war.
Die wenigen vorhandenen älteren Werke genügten bis
auf kaum nennenswerthe Ausnahmen kaum den befchei-
denften Anforderungen. Um fo freudiger mufste man
es daher begrüfsen, dafs die Hift. Commiffion der k. Akad.
der Wiffenfchaften zu München im Jahre 1886 den Ent-
fchlufs fafste, der älteren Reihe der Deutfehen Reichstagsakten
eine jüngere an die Seite zu fetzen, in der die
Reichstagsakten unter Karl V, fomit des eigentlichen
Zeitalters der Reformation, zur Veröffentlichung gelangen
follten. Mit der Herausgabe wurde Prof. Kluckhohn in
Göttingen betraut. Leider follte diefer das Erfcheinen
des erften von ihm bearbeiteten Bandes nicht mehr erleben
. Unmittelbar vor der Vollendung des Druckes
wurde er durch einen fchnellen Tod hin weggerafft. — Der
vorliegende Band enthält trotz feines gewaltigen Umfanges
nur die Aktenftücke eines halben Jahres (vom 17. Jan.—
3. Juli 1519) und darunter befindet fleh von eigentlichen
Reichstagsakten kein einziges Stück. Er ift vielmehr ganz
allein der Wahl Karls V gewidmet und fomit gewiffer-
mafsen als Einleitung zu den folgenden Reichstagen an-
zufehen. Ob eine folche Erweiterung des Begriffes der
Reichstagsakten praktifch ift, darf wohl bezweifelt werden.
Man fleht nicht recht, warum diefelbe im Anfang berechtigter
fein foll, als fpäter. Will man aber das ganze
Gebiet der Reichsgefchichte mit diefer Sammlung umfallen
, fo dürfte ihr Umfang ins Ungeheuere anwachfen
und das Ende nicht abzufehen fein. Da die Präge,
wer nach Maximilian Kaifer werden follte, fchon lange
vor deffen Tode die deutfehen Fürften und die europai-
fchen Mächte auf das lebhaftefle befchäftigte, fo hat K.
den Aktenftücken noch eine umfangreiche urkundliche
Darlegung der bis zum Tode Maximilians über diefe Angelegenheit
geführten Verhandlungen vorausgefchickt.
Diefe Darftellung zerfällt in 4 Theile. Der erfte fucht den
Nachweis zu erbringen, dafs Maximilian bis in den Sommer
1517 ernftlich den Gedanken gehegt hat, die Krone
Heinrich VIII von England zuzuwenden. Der 2. Theil verfügt
die Anflrengungen, die Franz I bis zum Augsburger
Reichstag von 1518 machte, um die deutfehen Kurfürften
auf feine Seite zu bringen. Der 3. macht uns mit den
Verhandlungen bekannt, die Maximilian feit dem Augult
1517 bis zum Augsburger Reichstag mit den Kurfürften
führte, um fle nunmehr für die Wahl feines Enkels Karl
zu gewinnen. Der vierte endlich fchildert die Verhandhangen
hierüber auf dem Reichstag und bis zum Tode
Maximilian's. Die dann folgenden Wahlakten find je nach
ihrer gröfseren oder geringeren Bedeutung theils vollfländig

theils nur im Auszug mitgetheilt. Eine ungeheure Menge
bisher ungedruckten Materials, das zur Erläuterung dient,
ift überdies in den Anmerkungen untergebracht. Im Auszug
erfcheinen auch alle bisher fchon edirten Aktenftücke
. Dies gilt namentlich von der wichtigen, durch
Le Glay aus dem Liller Archiv veröffentlichten Corre-
fpondenz, den von Brewer bearbeiteten Letters andpapers
of the reign of Henry VIII fowie den im Arclüvio storico
Italiano gedruckten Nuntiaturberichten. Bei den durch
Le Glay veröffentlichten Briefen ift durchweg eine
Nachprüfung des Textes vorgenommen worden; überdies
konnte feine Sammlung durch eine Reihe von
ihm und Mone übergangener wichtiger Stücke ergänzt
werden. Immerhin ift die Erweiterung, die unfere Kennt-
nifs hierdurch erfährt, naturgemäfs nicht allzu grofs. Ganz
anders liegen die Verhältnifsc in Bezug auf die der Parifer
Nationalbibliothek entnommenen Aktenftücke. Von diefen
wufste man bisher nur durch Mignet, der fle in feinem
Werke: Rivalite de Francois 1 et de Charles V, aber auch
nur theilweife benutzte. Durch fle erft werden wir in den
Stand gefetzt, die von Frankreich in der Wahlfache gemachten
Anflrengungen bis ins Einzelne zu verfolgen
und die Haltung, welche die deutfehen Kurfürften, Fürften,
Grafen, Städte etc. in diefer Angelegenheit beobachteten,
richtig zu beurtheilen. Aufserdem aber gewähren neben
einigen aus deutfehen Archiven entnommenen Aktenftücken
hauptfächlich jene Parifer Archivalien die Möglichkeit
, die päpftliche Politik genauer zu verfolgen. Der
von Baumgarten in den Forfchungen zur deutfehen Gefchichte
XXIII geführte Beweis, dafs die päpftliche Politik
damals durchaus im franzöfifchen Intereffe thätig war,
wird dadurch vollfländig beftätigt. Befondeis intereffant
find unter andern die S.419 u. 420 mitgetheilten, allerdings
fchon von Mignet benutzten Breven Leo'sX, durch welche
er den Erzbifchöfen von Trier und Köln den Cardinalshut
und dem Erzbifchof von Mainz die Legatenwürde
verfpricht, wenn mit ihrer Hülfe König Franz die Krone
erlangt. Vo«-.den deutfehen Archiven lind etwa 80 für
die Sammlung durchforfcht worden. Die wichtigften Auf-
fchlüffe gewährten das Berliner, Dresdener und "Weimarer
Archiv. Noch deutlicher als bisher erkennen wir, dafs
Joachim v. Brandenburg lediglich durch die Ausficht auf
grofse materielle Vortheile auf die Seite Frankreichs getrieben
wurde. Seine Habfucht liefs ihn nicht nur alle
Scham bei Seite fetzen, fondern fchliefslich auch die
nöthige Vorficht vergehen, und das Urtheil, das Zevenbergen
über ihn fällt, wenn er ihn gelegentlich le pere
de foulte avarice (vgl. S. 191) oder ung komme diabolique
pour besoigner avec luy en matiere d'argent (vgl. S. 252
Anm. 1) nennt, erfcheint nur allzu berechtigt. Im Gegen-
fatz hierzu wird die Gewiffenhaftigkeit des Kurfürften
Friedrich in das hellfte Licht geftellt. Weder die Schmeichelreden
der Franzofen, noch die in Ausficht geftellte Ehe
feines Neffen mit einer Schwefter Karl's, noch die Drohungen
und Befchwörungen des Papftes (vgl. befonders
Nr. 327), noch endlich die Bitten und das Drängen feines
im franzöfifchen Solde flehenden Schwagers, des Herzogs
Heinrich von Lüneburg, vermögen ihn auch nur einen
Augenblick zu beirren. Gegenüber dem Verhalten der anderen
Kurfürften und befondersjoachim's, der unmittelbar,
nachdem er feine Stimme an Frankreich verkauft hat, erklärt
, dafs er fleh als ,ein chriftlicher churfurft loblich und
unvorweifslich nach Eingebung des heiligen geifts' (S. 556
Anm. 3) halten werde, macht diefe Zurückhaltung Fried-
rich's einen doppelt wohlthuenden Eindruck. Ueberhaupt
bietet der Band für die Kenntnifs des Charakters Friedrichs
auch fonft fehr werthvolle Beiträge. Aber trotz der
maffenhaften, in diefem Bande veröffentlichten neuen Materials
und der wichtigen Auffchlüffe, die uns hierdurch
zu theil werden, mufs doch betont werden, dafs wir auf
ganz wefentliche FYagen keine Antwort erhalten. So
bleiben wir z. B., um nur das Wichtigfte hervorzuheben,
über die Anfang April auf dem Kurfürftentage zu Ober-