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Ausgabe:

1894 Nr. 14

Spalte:

368

Autor/Hrsg.:

Gwatkin, Henry Melvill

Titel/Untertitel:

Selections from early writers illustrative of church history to the time of Constantine 1894

Rezensent:

Harnack, Adolf

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Theologifche Literaturzeitung. 1894. Nr. 14.

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Lettres des Benedictins de la Congregation de St.-Maur 1701—
1741, publiees d'apres les originaux conserves ä la
bibliotheque royale de Copenhague par Emile Gigas.
A. u. d. T.: Lettres inedites de divers savants de la
fin du XVIIme et du commencement du XVIIIm<: siecle.
Publication faite sous les auspices de la fondation
Carlsberg. Tome II. IIe (et derniere) Partie. Copenhague
, G. E. C. Gad, 1893. (VIII, 383 S. 8.)

Der erfte Theil diefer Sammlung ift in der Th. L.-Z.
1893, 230 angezeigt worden. Die in diefem Theile abgedruckten
Briefe, unter denen die von und an Montfaucon
die zahlreichflen find, beziehen fich, wie die des erften
Theiles, hauptfächlich auf die literarifche Thätigkeit der
Mauriner und ihrer Correfpondenten. S. 190 fteht ein
Brief von Chr. Schöttgen von 1688 über feine rabbini-
fchen Arbeiten. Intereffant ift ein Brief von Bernard Pez,
Benedictiner in Melk, an R. Maffuet. Er urtheilt fehr
fcharf über eine Streitfchrift feines Collegen Anfelm
Schräm gegen den Auguftiner Aug. Erath (Tottis sapit
tiugas scholasticas u. f. w.) und glaubt, die Oberen würden
das Buch unterdrücken (es ift doch 1715 erfchienen, aber
pfeudonym); dagegen lobt er die Widerlegung Erath's
von Corb. Khamm (über den Streit zwifchen den Bene-
dictinern und den Auguftinern (f. Index, 2, 265). Er felbft
habe eine Streitfchrift gegen ein häfsliches Buch eines
Wiener Jefuiten gefchrieben, die demnächft erfcheinen
werde. Es ift die Schrift gegen die Cura salutis des
Jefuiten Hevenefi gemeint, die 1715 erfchien (Index2,291);
der Brief ift alfo nicht von 1708, wie der Herausgeber
vermuthet, fondern von 1715. Ueber Quesnel urtheilt
Pez milde, fagt aber von den deutfchen Theologen:
Omnes Pontificem esse infallibilem clamant, et opinionibus
theologorum scholasticorum Ut oracidis Statur. Horum
nominatissimi Jesuitae sunt. . . Parum abest quin Lutheranus
audiat, qui vehementius Scripturam landet. Totius
malt et pestis origo tlieologia scholastica est, quae vel
memorata milii stomachum invertit.— In den franzöfifchen
Briefen der Sammlung ift von Quesnel und der Bulle
Unigenittis wenig die Rede, viel dagegen in den Briefen
an Dom E. B. La Tafte (S. 185 ff. 349) von den Wunder-
gefchichten, die feit dem Tode des Diakons de Paris
(1727) in den Kreifen der Appellanten fo viel von fich
reden machten (Index 2, 747). Dom Touitain fchreibt
1741: der Bifchof Soanen von Senez fei, 94 Jahre alt,
geftorben; man habe verboten, ihn in der Kirche zu
begraben, wie es heifse, damit er nicht wie M. de Paris
Wunder wirke, deren er fchon bei Lebzeiten gewirkt
haben folle (S. 314; Index 2, 746). Mit diefen Wunder-
gefchichten hängt nicht zufammen ein fehr langer wunderlicher
Bericht über eine angebliche Befeffene (S. 140—140).
Dom G. Laparre, von dem er herrührt, klagt, feine
Oberen hielten die Sache für Schwindel und hätten ihn
für feine Betheiligung daran beftraft. — In einem anderen
Briefe von Touftain finden fich S. 317 intereffante Bemerkungen
über den Streit der Jefuiten mit dem Dominicaner
Concina und mit dem Kapuziner P. Norbert. Der
dabei erwähnte Abbe Faure ift übrigens nicht der bekannte
Jefuit diefes Namens (S. 359), fondern der Schweizer
Fr. Favre, deffen Buch über die Miffionen in Cochinchina
im Index fteht (Index 2, 775. 816).

S. 245—271 fteht ein Bruchftück einer biographifchen
Notiz über Montfaucon von einem diefem naheftehenden
Pater aus demj. 1709; es enthält intereffante Mittheilungen
über deffen Begegnungen mit Muratori und Zaccagni und
mit den Jefuiten Germon, Hardouin und Tournemine und
über die Mauriner-Ausgabe des Auguftinus.

Bonn. F. H. Reufch.

Cremer, Pfr. Lic. Emft, Die stellvertretende Bedeutung der
Person Jesu Christi. Gütersloh, C. Bertelsmann, 1892.
(IV, 128 S. gr. 8.) M. 1.80.

Der erfte der fechs Abfchnitte will den Punkt feft-
ftellen, bis zu dem die theol. Arbeit bisher geführt hat;
Anfelm und Luther, Hofmann und Ritfehl werden fkizzirt.
Die Frage nach Chriftus ift immer die nach dem Heil ge-
wefen, die nach der Heilsgewifsheit doch erft für die Reformation
. So ift für Luther aus der ftellvertretenden
verdienftlichen Leiftung bei gleich ernfter, ja tieferer
Schätzung der Sünde das ftellvertretende Strafleiden als
That derPerfon geworden. Nach der theilweifen Verkümmerung
diefes Fortfehritts in der Orthodoxie haben jene
beiden Dogmatiker der jüngften Vergangenheit den
Begriff der Stellvertretung ganz aufgegeben. Hofmann's
Verdienft ift es, ausgehend von der Gefchichte ihre Deutung
zu verfuchen, aber das Verhältnifs zu Gott ift kein
wirklich perfönliches, und die Aufhebung der Schuld verkürzt
. Ritfehl bleibt hierin noch hinter Hofmann zurück,
hat aber neben dem gemeinfamen Vorzug noch den be-
fonderen, dafs er das Wirken Chrifti auf uns verftänd-
licher macht durch die energifche Betonung und Vertiefung
des Begriffs der Offenbarung (vgl. S. 59. 61). Um
nun zu erkennen, ob Luther's Gedanke vom ftellvertretenden
Strafleiden richtig ift, mufs an diefen Fort-
fchritt Hofmann's und Ritfchl's angeknüpft werden.
Man darf nicht von einem fertigen Begriff der Sünde ausgehen
und daraus die Art der Verformung ableiten, man
mufs beides aus der gefchichtlichen Wirklichkeit entnehmen
.

Daher redet nun der zweite Abfchnitt von der Heils-
abficht und Heilsverkündigung Jefu, der dritte von der
Heilsverwirklichung und fpeciell Leidensverkündigung;
der fünfte von der Leidensgefchichte und Auferftehung,
während zwifchen diefe beiden eine Erörterung über das
Opfer tritt, und der letzte Folgerungen enthält. Den leitenden
Grundfatz für die beabfichtigte Frage an die Gefchichte
formulirt der Verf. S. 28ff. Die Männer, welche
fie darftellen, fehen ihre Bedeutung darin, dafs Jefus durch
die Heilsverkündigung der Apoftel Grund rechtfertigenden
Glaubens geworden. Alfo ift die Frage, ob und wie
diefe gefchichtliche Wirklichkeit Grund rechtfertigenden
Glaubens fein kann? Hat Jefus eine ftellvertretende Bedeutung
für uns, fo mufs fie fich von Anfang an aus
feiner Gefchichte ergeben. Die Antwort lautet folgender-
mafsen S. 34fr. Jefus will Meffias fein. Vom Meffias wird
eine That erwartet, die Durchführung des Heilswillens
Gottes im Reich Gottes. Dies fteht im Gegenfatz zum
Weltreich, das zum Gottesreich nur werden kann durch
Gericht. Der Weltheiland ift Weltrichter, aber der Zweck
der Gerichtsthat ift Heilsthat. Den Weltheiland mufs der

j Gegenfatz der Welt treffen, der das Gericht nothwendig
macht. Wie das Bild des leidenden Knechts zu dem
des Weltrichters fich verhält, das war die Frage, welche

I die Gegenwart an die Zukunft ftellte. Jefus hat die Abficht
ausgefprochen, diefe Zukunft zur Gegenwart zu
machen. Er vergiebt die Sünde. Das ift das Heil des
Reichs Gottes, Vergebung. Damit beanfprucht er einzigartige
Weltftellung. Seine Gottheit ift nicht nur Werth-
urtheil. Man kann dem nicht den Werth Gottes beilegen,
der wefentlich nicht Gott ift, dem Prädicat mufs das
Subject entfprechen. Wer Weltheiland fein will, will
Herr fein, wie Gott fein. Aber eben in feinem erlöfen-
den Wirken mufs diefe Gottheit nachgewiefen werden,
darin hat Ritfehl Recht. Seine That mufs eine Heilsthat
fein, welche das Heil des Sünders im Gegenfatz zu
feiner Sünde verwirklicht. Die Erduldung des Wider-
fpruchs tritt an die Stelle gerichtlicher Beftrafung. Als

j der Widerfpruch fortfehritt, handelte es fich um die Ent-
fcheidung, ob er auch das erdulden oder gerichtlich eingreifen
follte. Die That ift alfo Leiden, die Gefchichte
Jefu Paffionsgefchichte. Eine Heilsthat hat er in Ausficht