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Ausgabe:

1894 Nr. 14

Spalte:

365-367

Autor/Hrsg.:

Scharfe, Ernst

Titel/Untertitel:

Die petrinische Strömung der neutestamentlichen Literatur 1894

Rezensent:

Link, Adolf

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Theologifche Literaturzeitung. 1894. Nr. 14.

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graphie' des Hippolytus. Die Notizen über das Leben
des Mannes werden neu geprüft; der literarifche Nach-
lafs im Allgemeinen nur zu diefem Zwecke herangezogen.
Nach einer Einleitung ,Die Hippolytfrage' S. 1—17 und
einer fpeciellen Orientirung ,üie bisherigen Bearbeitungen
der biographifchen Seite der Hippolytfrage' S. 18—34 behandelt
der Verfaffer die beiden Hauptfragen: ,Das Martyrium
' S. 35—64, und ,Das Bisthum' S. 65—97. Beide
Fragen werden in Confequenz der Döllinger'fchen Thefen
von 1853 gelöft, und gegen de Roffi und Lightfoot ver-
theidigt; leider nicht gegen Mommfen, deffen entgegengefetzte
Ausführungen, z. B. Chronica minora S. 85 in
erfter Linie zu berückfichtigen waren. Beim Martyrium
wird den alten, guten Notizen des Catalogus Liberianus
und der Depositio martyrmn — wonach Hippolytus «.235
nach Sardinien verbannt und am 13. Auguft [eines der
nächften Jahre] in dem Coemeterium an der via Tibur-
tina beigefetzt wurde, das feitdem feinen Namen trägt
— der Vorzug gegeben vor den fpäten, wenig vertrauens-
werthen und poetifchen Befchreibungen des Damafus und
des Prudentius; überdies dämmert bei Damafus noch die
Erinnerung an den wahren Thatbeftand, und Prudentius
putzt lediglich auf, was jener fagt. Die Frage nach dem
Epifkopat des Hippolytus wird dahin entfchieden, dafs
er fchismatifcher Bifchof in Rom, nicht Bifchof von Por-
tus war.

Ficker darf der allgemeinften Zuftimmung ficher fein.
Der römifche Epifkopat des Hippolytus wird durch
die neue Ausgabe feiner Werke noch eine Marke Stütze
erhalten: auf den Titeln faft aller echten Schriften bezeichnet
Hippolytus fich felbft als Bifchof von Rom.
Daraus erklärt fich auch die offenkundige Verlegenheit
des Eufebius h. e. VI, 20, 2: 'lnnolvxoc, htgag nov . . .
nootavoiQ sx/J.rjoiag; Eufebius fand Hippolytus zwar in
feinen Werken, aber nicht in der Bifchofslifte als rö-
mifchen Bifchof.

Nur in der Vorausfetzung diefer Arbeit ift Referent
anderer Anficht als Verf. Den Diffenfus der Gelehrten
in der Hippolytusfrage halte ich nicht für fo troftlos,
wie er S. 18 f. dargestellt wird. Die tendenziöfe Anficht,
dafs Hippolytus nicht Verfaffer der ,Philosophumenai
fei, braucht nicht mehr berücksichtigt zu werden, auch
wenn noch der eine oder andere ehrwürdige Gelehrte
am Leben ift, der fie einft vertrat; und wenn Lightfoot
der Bunfen'fchen Hypothefe in gelehrterer und vorsichtigerer
Form neues Leben gab, fo treffen doch auch ihn
dfe glänzenden Ausführungen Döllinger's und K. J. Neu-
mann's. Der Verf. hat das felbft gefühlt; er macht fich
Sorge darüber, dafs er nichts Neues biete (S. 17). Dem
gegenüber betone ich: Wenn auch die wefentlichen Re-
fultate der Schrift Ficker's feit 1853 feftftehen, fo gelingt
es F. doch bei feiner vorzüglichen Kenntnifs des Materials
, eine Reihe von Nebenpunkten in treffender Weife
klar zu stellen. Dafs Hippolytus den Nebentitel ,Pntlo-
sophumena' nur auf die ersten vier Bücher der Refutatio
bezieht (S. 4 Anm. 2), fcheint mir richtig trotz des Wi-
derfpruches der Handfchrift, des Paris, suppl. gr. 464.
die auch IX, 6 p. 440, 13 die Ueberfchrift crü.oaofpoviit-
vtov & bietet, wie ich mich kürzlich überzeugte. Die Interpretation
der Damafusinfchrift (S. 39—43 und "4) ld
treffend. Dafs am Hippolytustage. den Iden des Auguft,
feit alter Zeit in Aricia das Fest des Virbius-Hippolytus
gefeiert wurde, ift beachtenswerth, wenn der Beweis auch
leider nicht ficher zu führen ift (S. 57). Sicherer ift, dafs
die Localifirung des Hippolytus in Porto ihren Grund
hat in der Uebei tragung des alten Mythus vom Thefei-
den Hippolytus auf den christlichen Märtyrer (S. 59).
Beilage II über Bonizo's von Sutri Kunde von dem Ge-
genfatze zwifchen Hippolytus und Kallistus ift intereffant.
Und wenn das Mafs des in (liefen ,Studien' gebotenen
Neuen eine fo ausführliche Darlegung nicht rechtfertigen
Sollte, fo wird doch die äufserft vorsichtige und umsichtige
Ffxirung des bis jetzt Feftftehenden Manchem willkommen
fein, der nicht in der Lage ift, fich fein Urtheil
über Hippolytus felbft zu bilden.

Beilage I enthält einige kritifche Bemerkungen zu
Schriften des Hippolytus. Das Wichtigfte ift eine neue
Collation des Fragments gegen Noetus und der anonymen
[AnodetKTi'/.r) ngbg 'lovdainvg aus dem Vatic. gr. 1431.
Sie stimmt mit meiner Collation überein, doch ift zu lefen
Lagarde 45, 24 ivTsÄeio&ai /.101, Lag. 49, 28 dnolvei, Lag.
52, 16 Ydsv, Lag. 54, 3. 4 Miyaiag, Lag. 55, 20 xai xf)v%i)v
ti)v avlroioniav, wie mir Dr. Otto Günther auf Grund
neuer Einficht der Handfchrift bestätigt.

Göttingen. Hans Achelis.

Brandt, Dr. W., Mandäische Schriften, aus der grofsen
Sammlung heiliger Bücher gen. Genzä od. Sidrä Rabbä
überfetzt und erläutert. Göttingen, Vandenhoeck &
Ruprecht, 1893. (XX, 232 S. gr. 8.) M. 8. —

Ueber die Brandt'fche Darstellung der mandäifchen
Religion ift in diefer Zeitung (189O, Nr. 19) ausführlich
berichtet worden. Dem damals ausgefprochenenWunfche,
der Verfaffer möchte durch eine Ueberfetzung wenn nicht
die ganze, fo doch die wichtigsten Theile der mandäifchen
Literatur auch einem gröfseren Leferkreis zugänglich
machen, ift Brandt nachgekommen: er hat eine Anzahl
von Schriftstücken aus dem rechten Genzä (Schatz) überfetzt
, überwiegend Documente, die der Lichtkönigslehre
angehören, d. h. alfo derjenigen Phafe der mandäifchen
Theologie, auf die bereits perfifche Einflüffe gewirkt
haben (gute Zeit etwa 300—600, aber die Tractate in ihrer
jetzigen Geftalt gehören der Zeit nach 600 an). Doch find
auch ältereStücke dabei: fo der(elfte)Tractat von Jöhannä's
Ausgang, der eine mandäifche Reproduction chriftlich-
gnoftifcher Gedanken darstellt; der (fechste) Tractat:
Mandäifche Genefis (hiervon nur Auszüge) und der achte:
Höllenfahrten des Hibil-Ziwä, in denen beiden sichere
Spuren des Chriftenthums noch nicht nachzuweifen find.
Auf die letztgenannten Abhandlungen darf man befon-
ders hinweifen. ,Die Anfchauung von dem Schöpfungswerk
, der Offenbarung und dem Wefen des Menfchen',
fchreibt der Verfaffer S. VIII, ,welche diefen Stücken zu
Grunde liegt, hat mit dem christlichen Erlöfungs-
glauben nichts zu fchaffen. Ich kann ja irren, bis auf
Weiteres aber verharre ich bei der Ueberzeugung, dafs
uns hier eine vom Chriftenthum unabhängige Gnofis
begegnet, eine fchwerlich auch nur jüdifche, fondern
wahrfcheinlich unter Heiden entstandene Gnofis — alfo
das, was ich in meinem Buche über die mandäifche
Religion „die chaldäifche Philofophie" genannt habe, jetzt
indeffen zutreffender als „chaldäifche Speculation" bezeichnen
will'. Wer den Anfängen der Gnofis fein Intereffe
zuwendet, wird alfo gut thun, gerade auch mit dielen
Producten fich zu befaffen. Im Hinblick auf den früheren
ausführlichen Bericht unterlaffe ich es, noch einmal auf
den Inhalt einzugehen. Der Verfaffer fagt im Vorwort:
er werde vorläufig nicht mehr mit den Mandäern fich
befchäftigen können, und auch fpäter fchwerlich diefes
Studium wieder aufnehmen. So wollen wir ihm danken
für feine mühe- und entfagungsvolle Arbeit, durch die
er fich um die Religionsgefchichte, aber auch um die
Kenntnifs des Mandäifchen wirkliche Verdienste erworben
hat.

Zum Schluffe mache ich darauf aufmerkfam, dafs
Brandt in den Jahrbb. f. prot. Theol. XVIII, 1892,
405—438. 575—603 einen Auffatz über das Schickfal der
Seele nach dem Tode nach perfifchen und mandäifchen
Vorftellungen veröffentlicht hat, der viel Intereffantes
enthält.

Giefsen. G. Krüger.