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Ausgabe:

1894 Nr. 13

Spalte:

347-349

Autor/Hrsg.:

Cannegieter, Hoogleeraar T.

Titel/Untertitel:

De godsdienst uit plichtbesef en de geloofsvoorstelling uit dichtende verbeelding geboren? 1894

Rezensent:

Thoenes, Karl

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Theologifche Literaturzeitung. 1894. Nr. 13.

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1. Faulhaber, Pfr. Herrn., Was ist es mit dem tausendjährigen
Reich? Schvv. Hall., Buchh. für Innere Miffion, 1893.
(44 S. 8.) M. — 60.

2. Faulhaber, Pfr. Herrn., Das zukünftige Reich Christi auf
Erden, feine menfchlich-gefchichtliche Denkbarkeit und
Vorftellbarkeit. 2. Aufl. Schw. Hall, Buchh. für Innere
Miffion, 1894. (187 S. 8.) geb. M. 3. —

3. Varley, Henry, Von den letzten Dingen. 1. Tl.: Was
wird aus uns nach dem Tode? 2. Tl.: Ift Chrifti
Kommen bevorftehend? Autorifirte deutfche Ueber-
fetzung von Dr. R. v. Zwingmann. Hannover, C.
Meyer, 1894. (VI, 96 S. 8.) M. 1. —

Von den beiden zuerft genannten Schriften ift die
zweite die Fortfetzung der erften. Die Verkündigung
vom taufendjährigen Reiche wird in der Form eines
Zwiegefprächs zwifchen ,Meiner' und ,Freund' gegeben.
,Freund' will zunächft nicht viel von dem taufendjährigen
Reiche wiffen. Er läfst fich aber unfchwer zu den
Ideen des ,Meifters* bekehren. Dafs dies fo glatt gelingt
, liegt daran, dafs beide diefelbe Vorftellung von
dem ,Offenbarungsglauben' haben, deffen Grundlage die
Annahme von der Infpiration der heiligen Schrift ift.
Das ,es fleht gefchrieben' wird auf die biblifchen Weis-
fagungen angewendet. Diefe find der Grund der Hoffnungen
des Verfaffers. Aber einem grob finnlichen Chi-
liasmus wird keineswegs das Wort geredet. Vielmehr
legt ,Meifter' immer und immer wieder Gewicht darauf,
dafs die von ihm erwartete Zukunft fich menfchlich-
gefchichtlich entwickeln foll. Er will auch nur die Denkbarkeit
und Vorftellbarkeit feiner Hoffnungen beweifen.
Dabei verräth der Verfaffer eine gewiffe Schätzung der
Wiffenfchaft, allerdings nicht der theologifchen. Und
feine eigene Betrachtung der biblifchen Gefchichte ift
völlig frei von wiffenfchaftlicher Methode. Auch folche
Verfuche wie den, die Figur des Antichriften als noth-
wendig zu .conftruiren' (2, S. 16 ff.), kann man heutzutage
nicht mehr als wiffenfchaftlich paffiren laffen. Bei
der Parufie wird nun dreierlei unterfchieden, das Er-
fcheinen Chrifti zum Sturz des Antichriften, fein Kommen
zum Gericht über die Völker und fein Gegenwärtigfein
zur Vollendung feines Reiches. Während deffen Beliehen
ift Chriftus in der Weife, wie in den 40 Tagen nach feiner
Auferftehung, bald dem bald jenem Menfchen fichtbar.
Weltliche Machmittel kommen in dem taufendjährigen I
Reiche nicht zur Anwendung. Die fpecififch göttlichen !
Wirkungen werden vielmehr theils als geiftige theils als
natürliche gedacht. Jene beftehen namentlich in einer
umfaffenderen Ausgiefsung des heiligen Geifles, die anderen
in einem reicheren Naturfegen, für deffen Eintreten
Möglichkeiten, welche die Aftronomie zuläfst, als Grund
in Anfpruch genommen werden. Uebrigens ift das neue
Zeitalter eine Zeit des allgemeinen Völkerfriedens.. Sünde
und Leid werden freilich nicht ganz fehlen, aufserdem
werden nicht alle Völker zum Chriftenthum bekehrt oder
wenigftens nicht völlig bekehrt werden. Damit ift die
Bedingung dafür gegeben, dafs nach Ablauf der neuen
Weltepoche der Satan noch einmal los werden wird.
Diefe ,kleine Zeit' ift jedoch nur ein vorübergehender
Durchgangspunkt, eine kurze Krifis, die das Reich Gottes
felber gar nicht berührt. Der weltgefchichtliche und
weltgerichtliche Abfchlufs der ganzen Entwicklung des
Menfchengefchlechts ift aber deshalb nothwendig, um
darzuftellen, ,dafs die Menfchheit, was fie je geworden
ift, nicht etwa nur aus fich heraus fo geworden ift, fondern
durch des allmächtigen Gottes Walten und Wirken'.
(2. S. 186). Der Verfaffer äufsert fich mehrfach recht weitherzig
über dogmatifche Streitpunkte, er will auch feine
eignen Ideen nicht als Zankapfel betrachtet wiffen, fondern
verlangt nur, dafs man ,auch unfere Weife etwas

gelten laffe und uns ankommen laffe, dafs wir uns unter
einander erbauen' (1. S. 40).

Weniger liebenswürdig ift der Chiliasmus, welcher
in der dritten der angeführten Schriften vertreten wird.
Der Verfaffer rechnet aus Exod. 14, 34; Ez. 4, 6; Dan. 4,
30—34 heraus, dafs wir uns in dem letzten Vierteljahrhundert
vor Eintritt des taufendjährigen Reiches befinden,
während deffen Dauer Israel das leitende Volk der Welt
fein, Chriftus fich aber keinen .Händigen, örtlichen Wohn-
fitz (wie z. B. zu Jerufalem) hier auf Erden auserfehen
wird' (S. 85). Darauf folljoh. 1, 51 hindeuten. Die Exe-
gefe des Verfaffers ift barock, und feine Polemik gegen
den .Rationalismus' pharifäifch. Für die Theologie ift
feine Schrift von noch geringerem Werth, als die beiden
zuerft befprochenen.

Kiel. O. Ritfchl.

1. Bahnsen, Pfr. Wilh., Evangelienpredigten für alle Sonn-
und Fefttage des Kirchenjahres vom 1. Advent bis
Exaudi. Berlin, H. Peters, 1893. (IV, 382 S. gr. 8.)
M. 5. —

2. Bitzius, Pfr. Reg. R.- Alb., Predigten. 5. Bd. Neues
Leben. (Aus dem Nachlaffe hrsg.) Bern, Schmid,
Francke Co., 1894. (VII, 392 S. 8.) M. 3.50; geb.
M. 4.50.

Zwei recht verfchiedene Predigtfammlungen, obwohl
fich die Verfaffer in ihrem theologifchen Standpunkt nahe
zu flehen Rheinen. Diefe Verfchiedenheit ift auch fehr
begreiflich. Es wäre kein gutes Zeichen, wenn Predigten,
von denen die eine in der Hauptftadt des Deutfchen
Reichesund die anderen in einem fchweizerifchen Gebirgs-
dorf gehalten wurden, fich fehr ähnlich wären. Aber
die Verfchiedenheit erklärt fich doch nicht blofs daraus,
fie hat noch andere, zum Theil tiefer liegende Gründe.
Vor allem kommt die Textwahl in Betracht. Bahnfen
predigt über die altkirchlichen Evangelien, Bitzius wählt
feine Texte frei; er wird dabei benimmt durch befondere
Zeitereignifse oder Vorfälle in feiner Gemeinde, eine
Scharlachepidemie, ein Brandunglück, einen Raufhandel
u. dgl., oder er hält Serienpredigten über die Bekehrung
, über die 10 Gebote, über das Leben des Apoftels
Paulus. Mehl find die gewählten Texte fehr kurz, ein
einzelner Gedanke wird fcharf und klar durchgeführt,
auch in den Feftpredigten wird in der Regel nur eine
Seite hervorgehoben, diefe aber hell beleuchtet. Bahnfen
dagegen ftrebt nach Vollftändigkeit, der Text ift ihm
das Gegebene, von dem er ausgeht, und er will ihn nach
allen Seiten auslegen und anwenden. Dabei geht er fo-
weit, dafs er auch eine üblich gewordene Anwendung
nicht gerne weglaffen will, felbft wenn er eine andere
vorzuziehen fcheint. In der Predigt über die Arbeiter im
Weinberg z. B. wendet er die verfchiedenen Tagesftunden
auf die verfchiedenen Wendepunkte in der Gefchichte
der Menfchheit an. Weil es aber ,üblich' ift, wie er ausdrücklich
fagt, diefe Stunden auf die verfchiedenen Lebensalter
zu beziehen, fo macht er auch diefe Anwendung
und führt fie näher aus. Ueberhaupt tritt feine Individualität
viel weniger ftark hervor, als bei Bitzius. Die
Predigten von Bahnfen könnte eventuell auch ein anderer
Prediger auf irgend einer Stadtkanzel halten. Die von
Bitzius paffen nur in feinen Mund, und paffen zum Theil
nur nach Twann. Dafs damit ein Vorzug der letzteren
bezeichnet ift, läfst fich nicht leugnen. Mit diefer Verfchiedenheit
in der Hervorkehrung der eigenen Individualität
hängt auch die Art zufammen, in der der theologifche
Standpunkt zum Ausdruck kommt. Bahnfen
fagt in der Vorrede über die Aufgabe der Predigt in
der Gegenwart: ,Sie kann und foll den perfönlichen
Standpunkt des Predigers nicht verleugnen. Aber fie
foll alle redlich Suchenden ohne Unterfchied der theo-