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Ausgabe: | 1894 Nr. 13 |
Spalte: | 344-345 |
Autor/Hrsg.: | Dalton, Hermann |
Titel/Untertitel: | Zur Geschichte der evangelischen Kirche in Russland 1894 |
Rezensent: | Eck, Samuel |
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Theologifche Literaturzeitung. 1894. Nr. 13.
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Cannegieter, Hoogleeraar Dr. T., De godsdienst uit plicht- !
besef en de geloofsvoorstelling uit dichtende verbeel- j
ding geboren? Bedenkingen tegen Dr. L. W. E. Rau-
wenhoff's ,Wijsbegeerte van den Godsdienst'. Leiden,
Brill, 1890. (III, 284 S. 8.) f. 2.25.
Die Rauwenhoff'fche Religionsphilofophie, die von
Dr. Cannegieter befprochen wird, ift in Nummer 15 des
16. Jahrgangs der Theologifchen Literaturzeitung von mir
angezeigt worden. Ich bemerkte damals, dafs es wohl
den Metaphyfikern unter den Theologen auf der rechten
Seite zum Anftofs gereichen werde, Rauwenhoff die
Glaubensvorftellungen als Erzeugnifs der dichtenden
Phantafie behandeln zu fehen, und denen auf der linken
Seite, nachgewiefen zu finden, wie wenig die Metaphyfik
zur wirklichen Gotteserkenntnifs beizutragen vermöge.
Dr. Cannegieter bekämpft die Aufftellungen Rauwenhoff's
fowohl hinfichtlich feiner Beurtheilung der Glaubensvorftellungen
wie feines Urtheils über die Metaphyfik.
Seine Schrift zerfällt in eine Einleitung, ein 1. Haupt-
ftück, in welchem über die Grundlage, das Wefen und
das Recht der Religion gehandelt wird (S. 17—106), ein
zweites Hauptftück über Charakter, Entftehen und Recht
der Glaubensvorftellungen (S. 107—262) und einen Schlufs
über den Werth der Phantafie als Factors der Glaubensvorftellungen
(S. 263—284).
In derEinleitung wird dargelegt, mit welcherSpannung
man in den Niederlanden die Rauwenhoff'fche Religionsphilofophie
erwartet habe. Seitdem dort in Folge des
Gefetzes vom 28. April 1876 im Organismus der ftaat-
lichen Univerfitäten die wiffenfchaftliche Theologie nicht
mehr vertreten fei, fondern nur noch die Religionsphilofophie
, fei das Verlangen, über den von Rauwenhoff
behandelten Gegenftand mehr Licht zu empfangen, immer
lebhafter geworden, und gerade von Rauwenhoff, dem
Nachfolger Scholten's und dem fruchtbaren Schrift-
lteller, habe man das Berte erwartet. Befonders die von
Hoekftra ausgegangenen fog. Ethifchen, die im Gegen-
fatze zu der Auffaffung Scholten's, der die Glaubensüberzeugung
von einem Gott durch eine aus philofo-
phifcher Betrachtung zu gewinnende Erkenntnifs des
Ueberfinnlichen zu ftützen gefucht habe, den religiöfen
Glauben blofs aus der fittlichen Natur des Menfchen
ableiteten, hätten erwartet, in Rauwenhoff einen neuen
Schleiermacher begrüfsen zu können. Sie feien jedoch,
wie fie felbft bekennten, gründlich getäufcht worden, was
aber nicht ausfchliefse, dafs Rauwenhoff doch für die
Entwickelung der Religionsphilofophie in den Niederlanden
eine grofse Bedeutung gewinnen könne.
Das erfte Hauptftück befpricht dann zunächft den
Umftand, dafs Rauwenhoff eine verkehrte Methode der
Unterfuchung befolgt habe. Es fehle feiner Religionsphilofophie
, die gleich mit der pfychologifchen Unterfuchung
beginne, ein phänomenologifcher Theil, der auf
Grund der Religionsgefchichte die Präge nach der Eigenart
alles Religiöfen beantworte. Diefer Fehler habe fich
darin gerächt, dafs Rauwenhoff den Urfprung der Religion
zuerft in der Achtung oder Ehrfurcht (pntzag)
finde, aber unmittelbar darnach das Gefühl der Verpflichtung
an deren Stelle fetze. Dies fei ein unerlaubter
Sprung. Denn wenn auch das Gefühl der Achtung und
die Idee der Verpflichtung mit einander nahe verwandt
feien, fo feien fie doch nicht dasfelbe. Das Gefühl der
Verpflichtung fei nur die nothwendige Frucht des Gefühls
der Achtung (S. 43).
An dritter Stelle befpricht Cannegieter die Art, wie
Rauwenhoff das Pflichtgefühl zur Grundlage der Religion
macht, und zunächft ift er nicht damit einverftanden,
dafs R., indem er dabei Kant genau zu folgen meine,
das Charakteriftifche aller Sittlichkeit nur in dem freiwilligen
Gehorfam gegenüber dem kategorifchen Imperativ
fehe. Rauwenhoff habe Kant wohl nicht ganz
richtig verftanden. Ihm wenigftens fei es immer fo vorgekommen
, als ob bei Kant fittlich Handeln und Handeln
nach Forderung und in Kraft des Gebotes nicht notwendig
dasfelbe feien. Nach dem Königsberger For-
fcher werde von Sittlichkeit keine Rede fein können,
wenn die Triebfeder der innerlichen Hingabe an das
Gebotene fehle (S. 51). Die blofse Form des Gebotes
könne der alleinige Mafsftab des Sittlichen nicht fein,
weil der Menfch fich dem Gebote nur beuge entweder
wegen der Auctorität des vorausgefetzten Gebieters oder
der Art und Tendenz des Gebotenen. Es handle fich
beim Sittlichen um ein zu erreichendes objectives Gute
(S. 59), und Prof. van der Wijck in Groningen habe mit
Recht in feiner Kritik des Rauwenhoff'fchen Buches
darauf hingewiefen, dafs diefes objective Gute wohl erkannt
werden könne, da das Ehrerbietungswürdige
fchliefslich für alle Menfchen in allen Zeiten und Ländern
ungefähr dasfelbe fei (S. 60). — Befonders aber
findet die Verbindung, wie fie durch R. zwifchen dem
nach Kant beftimmten Pflichtbewufstfein und dem Glauben
geknüpft wird, Dr. Cannegieter's Zuftimmung nicht.
Denn wenn aus dem Pflichtbewufstfein, fagt er, das
Poftulat abgeleitet werde, dafs die Welt fo befchaffen
fein müffe, dafs das Sittliche in ihr herrfchen könne, und
diefer Gedanke auch von Rauwenhoff ftillfchweigend
dahin erklärt werde, dafs das Gute in der Welt auf die
Dauer zum Siege gelange, fei er in feinem Syftem
inconfequent geworden. Aufserdem werde die poftulirte
fittliche Weltordnung von Rauwenhoff nicht feff begründet.
Einerfeits werde gelehrt, dafs die Natur auf Zwecke los-
fteure, andererfeits, dafs wir kein Recht hätten, beab-
fichtigte Zwecke in der Welt zu finden (S. 77). Ferner
werde einerfeits darauf hingewiefen, dafs wir in unferem
fittlichen Bewufstfein eine Selbftinterpretation der Natur
fehen könnten, andererfeits dagegen auch wieder gelehrt,
dafs wir nicht ohne weiteres das, wovon wir verfichert
feien, für Wirklichkeit halten dürften (S. 80). Durch eine
folche teleologifche Weltanfchauung könne die Religion,
die bei Rauwenhoff Glaube an eine fittliche Weltordnung
fei, nicht gerechtfertigt werden. Denn wenn der Glaube
an die fittliche Weltordnung Zweckbeftimmtheit in der
Natur vorausfetze, aber unbekannt bleibe, ob ein abficht-
lich Zwecke verwirklichender Wille in der Welt herrfche,
fo habe der Glaube kein Fundament mehr (S. 98).
Das zweite Hauptftück handelt, wie erwähnt, über
Charakter, Entftehen und Recht derGlaubensvorftellungen,
und zuerft weift der Verf. den Verfuch Rauwenhoff's ab,
die Glaubensvorftellungen als Frucht der dichtenden
Phantafie darzuftellen (S. 107—128). Wenn Rauwenhoff
als Neo-Kantianer die wiffenfchaftliche Beweisbarkeit der
Glaubensvorftellungen leugne, fo fei im Gegenfatze fowohl
zu dem Du Bois-Reymond'fchen: Ignoramus et ignora-
biuius wie zu den Ritfchlianern, welche die aus Offenbarung
geborenen Glaubensvorftellungen nur vor der
chriftlichen Gemeinde rechtfertigen wollten, mit Pfleiderer
zu fagen, dafs eine Uebereinftimmung zwifchen unferem
nothwendigen Denken und dem wirklichen Sein, eine
höchfte Vernunft, aus der beides flamme, vorhanden fein
müffe (S. 114)- Wenigftens führe der von Rauwenhoff
eingefchlagene Weg, die nach ihm felber mit der Religion
unabtrennbar verbünd ene Glaubensvorftellung von einem
Gotte für eine Prucht der dichtenden Phantafie zu erklären
, zu keinem anderen Plrgebnifs, als dafs der Fromme
fich zuletzt vor einen entfetzlichen Bankerott geftellt
fehe (S. 127). Denn der Werth der Glaubensvorftellung
als Frucht der dichtenden Phantafie fei nach Rauwenhoff,
wie in einem weiteren Abfchnitte ausgeführt wird, kein
anderer, als dafs dreierlei wahr fei: 1) Der Menfch Hellt
fich eine höhere Welt vor. 2) Er Hellt fie fich in einer
Weife vor, die mit feiner Gemüthsftimmung in Einklang ift.
3) Er zweifelt keinen Augenblick am wirklichen Beliehen
der Schöpfungen feiner Phantafie (S. 159). Zwar fuche
Rauwenhoff die dem Glauben eigene und nothwendige
Sicherheit auf ein Vertrauen zu ftützen, aber dies bedeute