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Ausgabe:

1894 Nr. 12

Spalte:

326-329

Autor/Hrsg.:

Runze, Georg

Titel/Untertitel:

Studien zur vergleichenden Religionswissenschaft. II.Unsterblichekit und Auferstehung 1894

Rezensent:

Kattenbusch, Ferdinand

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Theologifche Literaturzeitung. 1894. Nr. 12.

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herangezogen werden, als R. zugeffeht. Zwar erkennt er
an und für fich auch alle diefe Moniente an — es gehört
zu feinen befonderften Intereffen, den Einflufs der ,Sprache'
auch auf diefe Ideen zu verfolgen; darüber will er in
einem fpäteren Hefte noch ausführlich handeln: aber
fo weit er fie diesmal berücküchtigt, hat er fie eben nur
nebenbeigeftellt und das reicht nicht. Man wird jetzt nur
von Zeit zu Zeit dadurch an die Unficherheit der Detaildeutungen
erinnert, die R. giebt.

Der zweite Theil des Ruches ift mir fachlich als der
glücklichere von beiden erfchienen. R. handelt hier über
die .Negation des Unfterblichkeitsglaubens im Mofaismus,
Buddhismus und Confucianismus'. Hier fleht er eben
auf folchem Boden, wie er im erflen Theile freilich viel
fchwerer zu befchaffen war, doch aber vielleicht hätte
gewonnen werden können, wenn der Verf. fich entfehoffen
hätte, nur die belangreichften hiflorifchen Totalformen
zu analyfiren. Wenn er für den Unfterblichkeitsglauben
Typen gewählt hätte, wie er hier hinfichtlich der Un-
fterblichkeitsleugnung oder hinfichtlich der Formen von
Gleichgültigkeit gegenüber dem Gedanken der Un-
fterblichkeit folche zur Darfteilung bringt, fo wäre fein
Werk einheitlicher und, wie mich dünkt, fruchtbarer geworden
. Sehr fein ift in diefem zweiten Theile, wo der
Stellung des Alten Teftaments zum Unfterblichkeitsglauben
eine hiftorifche Detailunterfuchung von felb-
ftändig fachmännifcher Art gewidmet ift — die altteffa-
mentlichen Theologen von Beruf werden nicht daran
vorübergehen dürfen —, die Entwicklung der .Parallelen
aus der neueren Philofophie', mit denen R. feine Arbeit
abfchliefst. Das Buch hat verdient, dafs man fich fortab,
wo das Problem der Unfterblichkeit erwogen wird, ernft-
lich mit ihm auseinanderfetzt. Dafs es diefes Problem
mannigfach gefördert hat, unterliegt für mich keinem
Zweifel.

Giefsen, Ende Dccember 1893. F. Kattenbufch.

Warneck, D. G., Evangelische Missionslehre. Ein miffions-
theoretifcher Verfuch. 2. Abtig.: Die Organe der
Sendung. [Zimmer's Handbibliothek der prakt. Theologie
, XVII. Bd., 2. Abtig.] Gotha, F. A. Perthes, 1894.
(VIII, 254 S. gr. 8.) M. 4. —

Der zweite Theil von Warneck's Miffionslehre dürfte
wohl als ein Vorbild für wirklich praktifche Darftellung
einesZweiges der praktifchenTheologie bezeichnet werden.
Denn es wird hier nicht, wie in fo manchen Lehrbüchern,
theoretifch conftruirt, fondern die im Lauf von Jahrzehnten
gewonnenen Erfahrungen der gröfseren evange-
lifchen Miffionsgefellfchaften, welche häufig ganz unabhängig
von einander auf diefelben Refultate gekommen
find und diefe in den englifchen und continentalen Mif-
fionsconferenzen ausgetaufcht haben, werden in fyffema-
tifche Ordnung gebracht und auf ihre biblifche, kirchliche
und fociale Berechtigung geprüft, nicht fchablonenmäfsig,
fondern anfprechend, nicht zu weitläufig, aber fo, dafs
alles Wichtige mit warmem Intereffe für die Sache und
doch mit nüchternem Blick behandelt wird. Diefer Theil
zerfällt in die zwei Abfchnitte: die Sendenden und
die Gefandten. Aus dem erften Abfchnitt heben wir
befonders hervor das Capitel von der geordneten Sendungs-
veranftaltung; wie der miffionarifche Freifchaarendienft,
der heutzutage befonders durch weite Kreife des englifchen
und amerikanifchen Proteftantismus geht und fich
mit einem befonderen Nimbus des Glaubens umgiebt,
fich weder auf das apoftolifche Vorbild berufen, noch
für die Zukunft geficherte Refultate erzielen kann, dafs
nicht als Regel hingeftellt werden dürfe, was Ausnahme
ift (S. 16). Es folgen die Capitel: ,Das Subject der
Sendungsveranftaltung' und ,Die freien Miffionsgefellfchaften
und die amtliche Kirche'. Obgleich die officiellen
Kirchenbehörden jetzt eine viel freundlichere Stellung

zur Miffion einnehmen als bei der Gründung der älteren
Miffi onsgefellfchaften, ift Warneck doch entfehieden gegen
eine Uebertragung der Miffionsleitung auf die Kirchenbehörden
in Staatskirchen, weil diefe nur mit Arbeit
überladen und der Miffionsbetrieb dadurch gelähmt würde,
und die Erfahrung gelehrt hat, dafs die Thätigkeit der
freien Vereine felbft auf den kirchlichen Sinn belebend
gewirkt (S. 31 ff.). Die officielle Kirchenbehörde foll dagegen
durch die Prüfung und Ordination der Miffionare
ihren Antheil an der Sendung haben (S. 50 f.). In Bezug
auf die Bekenntnifsfrage fagt Warneck: ,Die Stellung der
Miffion zur Frage der Verpflichtung auf die Sonder-
bekenntnifse der evangelifchen Kirchen hängt ganz ab
von der Intenfität, mit welcher diefelben im Bewufst-
fein der Sonderkirchen leben. Je confeffioneller die
Strömung innerhalb der Sonderkirche, defto confeffioneller
auch die Miffion. Es ift ganz unmöglich, die Miffion von
dem kirchlichen Leben zu ifoliren, von welchem fie getragen
wird' (S. 54). .Wichtiger als jede Bekenntnifsver-
pflichtung ift die kirchliche Erziehung der Miffionare.
Der kirchliche Geift, der in den Miffionsanftalten herrfcht,
und die kirchliche Stellung, welche die unterrichtenden
Lehrer einnehmen, wirkt am beftimmendften auf die con-
feffionelle Richtung der Miffionare' (S. 56). Was die
Miffionsvorftände betrifft, fo hält Warneck das Coopta-
tionsrecht der Comiteen für das Mannesalter, in welches
die Miffion jetzt eingetreten ift, nicht mehr für paffend
(S. 70). Allein es wird fich nicht überall fo wie im
Rheinland, wo die kirchliche Thätigkeit der Laien feit
alten Zeiten fehr entwickelt ift, eine fefte Organifation
der Miffionsgemeinde herftellen laffen, durch welche die
Cooptation aufgehoben würde; namentlich nicht bei
Miffionen, die ihre Freunde in fo verfchiedenartig ver-
fafsten Ländern haben, wie die Basler. In Bezug auf die
Pflege des heimathlichen Miffionslebens giebt das Buch
namentlich für die Paftoren gute Winke (S. Iii—141).

Der zweite Abfchnitt behandelt zuerft die innere
und äufsere Qualification der Miffionare, fowie ihre Ausbildung
. VVarneck wünfeht mehr Miffionare von den
Univerfitäten, betrachtet es jedoch nicht als einen blofsen
Nothftand, dafs fo viele nicht akademifch gebildete Männer
im Miffionsdienft flehen. Er fordert für diefe in
fechs Seminarjahren eine Vorbereitung, welche grofse
Anfprüche an den Lerneifer der Zöglinge macht, welche
aber nach und nach von den meiffen Miffionsanftalten
für nothwendig erachtet wird und fich auch als durchführbar
erwiefen hat. Er betont, dafs man allmählich
auch mehr Vorkenntnifse zum Eintritt in das Miffions-
haus verlangen follte, und hofft, dafs dadurch das fociale
Niveau der Miffionare etwas fteigen würde. ,Das Vorrecht
der Miffion, ungelehrte Leute und Laien in ihren
Dienft zu Hellen, braucht nicht in die falfche Paradoxie
auszuarten, dafs diefelben nur oder doch ganz vorwiegend
den niederften Ständen angehören. Es hat das
auch feine grofse Gefahr, nämlich dafs die Ausficht
durch Aufnahme in den Miffionarffand in eine höhere
gefellfchaftliche Rangordnung zu treten, unlautere Elemente
anlockt und aufgeblafen macht' (S. 186). So richtig
letzteres ift, fo dürfte es doch fraglich fein, ob bei
höheren Anforderungen auch mehr Leute aus höheren
Ständen fich melden würden, da hiebei die Stimmung in
den Familien und Schulen mehr in Betracht kommen
wird. Aber auch in den Volksfchulen wird doch in
neuerer Zeit mehr geleiftet als in früheren Jahrzehnten,
und es wird das den Miffionsfeminaren einigermafsen zu
Hatten kommen. In dem Capitel über den Unterhalt
der Miffionare werden die Grundfätze Gofsner's und
Heldring's, dafs diefelben durch ihrer Hände Arbeit im
Heidenland ihr Brod verdienen follen, fcharf bekämpft.
Auch die letzten Capitel über die Ehe der Miffionare
und die miffionarifchen Hülfskräfte enthalten fo manche
treffenden Bemerkungen, dafs es für jeden Miffionsfreund
ein Genufs fein wird, das Buch bis zu Ende zu lefen,